FCN-Test in Berlin: Viel Lob für Fan-Rückkehr

7.9.2020, 05:55 Uhr
Für jeden der 4500 Fans gab es einen personalisierten und gekennzeichneten Platz: Blick auf die erstmals seit Corona wieder etwas gefüllten Ränge in der Alten Försterei, dem Stadion von Union Berlin im Stadtteil Köpenick.

© -, dpa Für jeden der 4500 Fans gab es einen personalisierten und gekennzeichneten Platz: Blick auf die erstmals seit Corona wieder etwas gefüllten Ränge in der Alten Försterei, dem Stadion von Union Berlin im Stadtteil Köpenick.

Mitte der ersten Halbzeit strebte die neue Normalität ihrem vorläufigen Höhepunkt zu. Einer der Brezenverkäufer auf der Haupttribüne schaute mit seinem Korb freundlicherweise sogar im Medien-Block vorbei. Seine Frage überbrachte er hinter der Schutzmaske mit einem Blick, die Antwort: ebenfalls non-verbal.

Das "Nein, danke" des Journalisten aus Nürnberg hätte er wahrscheinlich auch gar nicht verstanden bei dem ganzen Lärm im Stadion an der Alten Försterei. 4500 Menschen hatten sich versammelt, um mal wieder zusammen Fußball zu schauen. Und zusammen ihre Lieder zu singen. Natürlich ohne Schutzmaske, wie hätte sich das denn angehört. Was sind schon Aerosole im Vergleich zum lange vermissten Eisern-Union-Gefühl.

Die Mund-Nase-Bedeckung mussten die Besucher nur bis zum jeweiligen personalisierten Platz tragen, danach nicht mehr. Dass vor allem auf den Stehrängen nicht jeder über 90 Minuten auf seiner mit weißer Farbe nummerierten Stelle ausharrte, verkam für den Veranstalter zur Randnotiz – weil aus seiner Sicht die positiven Aspekte des Testspiels gegen den 1. FC Nürnberg (2:1) eindeutig überwogen.

Fans bereits Stunden vor Anpfiff am Stadion

Ob dem tatsächlich so war, musste jeder für sich entscheiden. Das Urteil fiel nach einer Bockwurst und dem einen oder anderen Bier möglicherweise bei den meisten eindeutig pro dauerhafte Zuschauer-Rückkehr aus, kritische Stimmen hörte man trotz steigender Infektionszahlen in Berlin eigentlich keine. 4500 Menschen in der kleinsten und wahrscheinlich auch engsten Erstliga-Arena – na und? Corona? War was?

Schon über zwei Stunden vor dem Anpfiff hatten sich die ersten Union-Anhänger im Stadion-Umfeld versammelt oder sich in der nahe gelegenen Tankstelle an der Wuhlheide nicht nur mit alkoholfreien Getränken eingedeckt. "Glücklich" seien sie, endlich wieder dabei sein zu dürfen, so hörte man das ständig. Fernsehteams führten schon vorab fleißig Interviews, weil es in Zeiten der Pandemie ja eher schwierig ist, sich mit Tausenden anderen zu treffen.

Weil die aktuelle Infektionsschutzverordnung für Berlin aber maximal 5000 Besucher bei Freiluftveranstaltungen erlaubt, ließ sich Union nicht lange bitten. Vereinspräsident Dirk Zingler hatte kürzlich sogar die kesse Idee, vor Heimspielen in der neuen Saison sämtliche Besucher auf Vereinskosten testen zu lassen, um seine Hütte irgendwie voll zu kriegen.

"Sehr, sehr geschmerzt"

"Wir müssen versuchen, Leben wieder zuzulassen, Leben wieder zu ermöglichen", meinte Christian Arbeit, der Stadionsprecher mit der unglaublich sympathischen Stimme, "heute geht‘s uns allen erst mal um was anderes: Um den Moment, es endlich wieder zu empfinden"; "sehr, sehr geschmerzt" habe es nicht nur ihn, während der Geisterspielphase "in ein Nichts hineinzuspielen", fand Arbeit.

Das Nichts könnte jetzt zumindest mittelfristig wieder etwas mehr sein, aber noch lange nicht alles. Nicht der Original-Zustand, nur der erste Schritt konnte das bundesweit und sportartenübergreifend viel beachtete Pilotprojekt im Stadion an der Alten Försterei sein, das war aber schon vorher klar. Dass Fußball unter Labor-Bedingungen funktionieren kann, fand selbst der Hygienereferent des Gesundheitsamtes Treptow-Köpenick.

Großes Lob für das Konzept

"Hervorragend umgesetzt" hätten der 1. FC Union und die Zuschauer sämtliche Maßnahmen und Regeln, meinte Denis Hedeler, der Herr des Hauses konnte ihm hinterher in einer Presserunde am Spielfeldrand nur zustimmen. Vereinschef Zingler bekam vom Spiel nicht viel mit, stattdessen schaute er lieber die Menschen an und in diese "überglücklichen Augen", wie er ohne Schutzmaske erklärte.

Ob der freundschaftliche Vergleich mit dem Club letztlich der Beweis dafür war, dass es auch an anderen Standorten wieder mit Fans geht, wird man schlimmstenfalls vielleicht erst in zwei Wochen wissen, vielleicht auch gar nicht. Der 1. FC Union macht, so es die Berliner Infektionsschutzverordnung zulässt, erst mal so weiter. Zum Bundesliga-Auftakt in knapp zwei Wochen gegen den FC Augsburg sollen wieder bis zu 5000 Fans anwesend sein, wegen der zu vergebenden Punkte dann allerdings wohl deutlich emotionalisierter als am Samstag.

"Irgendwie ganz anders" sei es schon gegen den Club gewesen, fand Stadionsprecher Arbeit bei der Arbeit, aber einer musste halt der Erste sein. "Ihr wisst alle, dass es auf uns heute ankommt – um zu zeigen, dass Fußball auch in diesen Zeiten mit Menschen im Stadion möglich ist. Und das einzig Vernünftige." Die neue Normalität hat zumindest in der Hauptstadt schon viele Freunde.

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