Ice Tigers: Symbolfigur des Neustarts
01.09.2009, 00:00 Uhr
Zu Beginn eine Weisheit aus dem Mutterland des Eishockeys, rezitiert auf Oberbairisch: Jede Mannschaft, erzählt der einstige Exil-Kanadier Patrick Ehelechner, braucht «an Hübschen, an Netten, an Schiachen und an Depp«. Pause. Ein Lächeln. Ein fragender Blick. Jaja, sagt Ehelechner, ohne die Frage abzuwarten, «schreib lieber der Ehelechner ist schiach oder ein Depp. Sonst sagen wieder alle, der Ehelechner, meint der doch wirklich, dass er hübsch oder nett ist«.
Kleiner Star
Patrick Ehelechner trägt lässig elegante Markenklamotten, eine überdimensionierte Sonnenbrille, sein lockiges Haar schulterlang – auf den ersten Blick könnte man den jungen Eishockey-Profi in jede der vier Kategorien einordnen. Je nach Perspektive. In drei Fällen wäre das aber ein Irrtum. Wer verstehen will, warum Patrick Ehelechner in einer Sportart, in der es in Deutschland keine Stars gibt, ohne zu spielen in Nürnberg zu einem kleinen Star wurde, der muss sich seine Geschichte erzählen lassen, am besten von ihm selbst.
Sie beginnt mit einem Moment im Oktober 2008, in dem sogar dem von Geburt an bestens gelaunten Ehelechner das Lächeln gefror. Der Torhüter hatte den Ice Tigers soeben zwei Punkte in Ingolstadt gesichert, es war sein siebtes Spiel der Saison, der Rosenheimer auf dem Weg zur Nummer eins, zum ersten Mal in seiner Karriere. Bundestrainer Uwe Krupp hatte ihn für den Deutschland-Cup nominiert. Dafür hatte er im Sommer geschuftet. Das ewige Versprechen war eingelöst. Dann rissen die Kreuzbänder in seinem linken Knie.
Tiefpunkt einer Karriere
«Da hab’ ich geweint«, erzählt Ehelechner, als müsste man sich dafür rechtfertigen, am Tiefpunkt einer jungen Karriere ein bisschen traurig zu sein. Es dauerte ohnehin nicht lange, bis die Tränen getrocknet waren. Die Ice Tigers hatten inzwischen Insolvenz anmelden müssen, Ehelechner begann zu kämpfen, nicht nur in der Reha. «Ich war auf dem Sofa gesessen und hab’ mir überlegt, wie kann ich der Mannschaft helfen.« Die Antwort war nicht spektakulär, Ehelechner war einfach nur Ehelechner, allerdings war das nun im Radio zu hören. Bei den Übertragungen des Funkhauses gab Ehelechner den Experten. Er erzählte, was in der Kabine geredet wird (wenig), versuchte «rüberzubringen, wie Eishockeyspieler ticken«. Es ist ihm gelungen.
Der junge Mann auf Krücken wurde zur Symbolfigur des Existenzkampfes der Ice Tigers. Ehelechner war der erste Spieler, der sich zu Nürnberg bekannt hatte, ohne zu wissen, wie und ob es überhaupt weitergehen konnte, Ehelechner besuchte Fantreffen, spendete Trost, versuchte Hoffnung zu verbreiten. «Ich hab’ nicht verstehen wollen, warum ich die Stadt verlassen muss, in der ich mich zwei Jahre so wohl gefühlt hatte. Und da hing so viel mehr dran, nicht nur wir 22 Jungs. Vielleicht hat das auch Thomas Sabo beeindruckt, dass so viele Menschen in Nürnberg leiden mussten, die für das Schlamassel überhaupt nichts konnten.«
Umgeschaut in der Arena
Vielleicht. Der Kampf hat sich jedenfalls gelohnt. Die Ice Tigers überlebten. Und Ehelechner stand im Frühjahr tatsächlich wieder auf dem Eis. «Beim ersten Training bin ich zehn Minuten vor den Jungs aufs Eis gegangen und hab’ mich einfach ins Tor gestellt, meine Fanghand aufs Netz gelegt und mich umgeschaut in der Arena. Das war wichtig, weil es mich daran erinnert hat, warum ich mich jeden Tag in der Reha quäle.«
Ein halbes Jahr später denkt Patrick Ehelechner nicht mehr an sein Knie, sondern nur noch daran, im Spiel und im Training «die kleinen Dinge, die keiner sieht, richtig zu machen«. Patrick Ehelechner ist wieder Torhüter und zeitgleich die lächelnde Symbolfigur für den Neuanfang der Ice Tigers. «Ich freu’ mich immer auf den Saisonbeginn, aber diesmal ist es eine andere Freude, diesmal bin ich wieder da, wir sind wieder da«, sagt Patrick Ehelechner. Der ganz eindeutig zu den Netten zählt.