Fahrrad

Kittel gibt Tipps für die Deutschland Tour in Nürnberg

16.6.2021, 06:00 Uhr

Es gab Zeiten, da sprintete Marcel Kittel allen davon: Hier ist der ehemalige Radprofi bei seinem Sieg auf der zehnten Etappe der Tour de France im Jahr 2017 zu sehen. Der 33-Jährige hat 20 Etappensiege bei den großen Landesrundfahrten geholt. 2019 beendete er seine Rennrad-Karriere und begann ein Studium, dazu ist er glücklicher Vater von zwei Kindern. © Foto: Yorick Jansens/imago images

Radfahren ist beliebter denn je. Vor allem die Geschwindigkeit auf dem Rennrad packt viele. Bei dem Jedermann-Rennen der Deutschland Tour am 29. August in Nürnberg kann man sich auf die Profi-Strecke stürzen, entweder über 55 Kilometer oder 108 Kilometer. Marcel Kittel und Johannes Fröhlinger haben die Strecken getestet. Im Interview verraten die Ex-Profis, wie jeder die Runden schafft und welche Vorbereitung dazu nötig ist.

Viele entdecken das Rennradfahren für sich. Wie war das bei Ihnen am Anfang?

Marcel Kittel: Meine erste Rennraderfahrung, ich war 13 Jahre alt, war mit meinem Vater. Ich war mega kaputt danach, lag in der Küche am Fliesenboden und habe versucht, mich zu erholen. Die Beine haben gekribbelt. Ich war erschöpft, aber glücklich. Das ist der Moment, für den man es macht.

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Johannes Fröhlinger: Bei meinem ersten Radrennen war ich schon überfordert. Ich musste mich erst daran gewöhnen, mich im Feld zu bewegen.

"Rennradprofi ist ein extremer Beruf"

Sollten Anfänger spezielle Übungen machen - oder einfach viel fahren?

Fröhlinger: Definitiv Übungen machen. Achten oder Slalom auf dem Parkplatz fahren, da macht man viel mehr Kurven als auf der Strecke. Damit man sein Rad beherrscht, und nicht umgekehrt.

Kittel: Eine steile Abfahrt aber kann man nicht üben, das muss man einfach mal gemacht haben.

Wie hat sich das Rennradfahren für Sie verändert? Es war lange Zeit Ihr Beruf.

Kittel: Wenn man Radsport in der Intensität betreibt, wie wir es gemacht haben, verändert sich alles. Das klingt immer so romantisch, das Hobby zum Beruf gemacht. Doch da kommt auch viel Realität dazu, das macht es schwer.

Fröhlinger: Es ist ein extremer Beruf.

Kittel: Früher war Radfahren oft Verpflichtung. Jetzt ist es der eigene Wunsch, der einen aufs Rad treibt.

Fröhlinger: Ich genieße das auch, Radfahren ist Freiheit. Wenn ich Zeit habe, fahre ich. Wenn es regnet, gehe ich nicht und setze mich auch nicht im Keller auf die Rolle.

"1750 Höhenmeter über 108 Kilometer, das ist viel"

Bei Ihrer Testfahrt für die Jedermann-Tour hatten Sie bestes Wetter. Welche Eindrücke haben Sie von der Strecke?

Kittel: Ich war schon vom Startort am Hauptmarkt überrascht. Und wenn man herausfährt, kommt man sofort in die Natur. Irgendwann war es nur noch grün.

Fröhlinger: Ich war bisher in Nürnberg nur zum Altstadtrennen, das ist fast 14 Jahre her. Daher kannte ich die Innenstadt, es ist echt schön.

Kittel: Ich finde es krass, wie alt die Dörfer im Umland sind, das merkt man, wenn man durchfährt. Diese alten Sandsteingebäude, das hat mich umgehauen. Historische Städte und Gebäude ziehen mich an.

Wie hart ist die Strecke wirklich?

Kittel: Wir sind entspannt gefahren! Doch es ist eine sportliche Runde, ich denke, die wird einige Starter sehr herausfordern.

Fröhlinger: Die Gesamt-Höhenmeter summieren sich auf. Es sind zwar keine kilometerlangen Anstiege, dafür aber steile Rampen. So kommen 1750 Höhenmeter über 108 Kilometer zusammen, das ist viel.

Was müssen die Jedermänner und -frauen im Schnitt bieten?

Kittel: Eine Durchschnitts-Geschwindigkeit von 47 Kilometer pro Stunde. (lacht) Im Ernst: Ein 25er-Schnitt sollte mindestens drin sein. Doch in einer Gruppe ist das nicht unmöglich.

Johannes Fröhlinger (36) war bis 2018 15-mal bei den "Grand Tours" als Helfer dabei. Jetzt lässt er sich zum Triathlon-Coach ausbilden.  © imago images / Sirotti, NN

Was muss ich mitbringen, um die 108 Kilometer zu schaffen?

Fröhlinger: Man sollte eine ähnliche Strecke schon einmal gefahren sein, damit man weiß, dass man die Länge und Höhenmeter bewältigen kann. Sich in der großen Gruppe zu bewegen, da kann sich jeder herantrauen. Am Anfang kann man sich hinten einordnen und Abstand halten, dazu per Handzeichen Gefahrenstellen ankündigen.

Kittel: Man muss in seinem Tempo fahren. Wenn man gerade angefangen hat mit dem Rennrad, bieten sich die 55 Kilometer an.

Sind Jedermann-Rennen gefährlich, weil viele mitfahren, die keine Profis sind?

Fröhlinger: Man kann dem entgegenwirken, wenn man vorsichtig fährt. Es ist eher sicherer, als im Straßenverkehr zu fahren, weil die Strecke abgesperrt ist. Jede Trainingsfahrt in der Stadt ist gefährlicher.

"Das Hightech-Rad muss es nicht sein"

Braucht man ein sehr gutes Rennrad?

Fröhlinger: Die Bremsen müssen funktionieren, für die steilen Anstiege braucht man gewisse Gänge, damit man lebend hoch kommt. Gerade bei sehr alten Rennrädern reicht es da nicht. Auch ein Stadt- oder Trekkingrad ist nicht geeignet.

Kittel: Viele haben sich zuletzt ein Gravel Bike (Mischung aus Rennrad und Moutainbike, d. Red.) gekauft. Damit kann man schon fahren, doch man macht es sich schwerer als nötig. Das Hightech-Rad für zehntausend Euro muss es aber nicht sein.

Wie gehen Sie eine lange Tour an?

Kittel: Ich bin noch in meinem Profi-Rhythmus: Erst in die Wetter-App schauen, um zu wissen, was man anzieht. Sportliche Funktionskleidung auf jeden Fall. Während des Rennens viel trinken. Wasser, ich mag dazu einen Spritzer Iso. Dazu alle 45 Minuten einen Riegel essen.

Fröhlinger: Übertrieben viel frühstücken braucht man nicht, auch die Nudelpartys am Vortag sind eigentlich überholt. Man sollte früher anfangen, die Speicher aufzuladen, und sich im Rennen vernünftig verpflegen. Gerade schon in der ersten Stunde. Wenn man die ersten beiden Stunden nichts isst, kann man das nicht nachholen.

Auf was setzen Sie persönlich?

Fröhlinger: Ich kann ohne Kaffee nicht starten.

Kittel: Ich bin Allesfresser. (lacht) Wichtig aber: Keine Experimente, nicht irgendetwas zum ersten Mal im Rennen ausprobieren.

Infos und Anmeldung zum Jedermann-Rennen unter www.deutschland-tour.de