Marathon und Co.: Corona lässt die Läufer straucheln

18.11.2020, 06:09 Uhr

Die Läufer haben es gar nicht so schlecht, möchte man auf den ersten Blick meinen. Schließlich ist ihre Sportart – im Gegensatz zu vielen anderen – nur teilweise von den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie betroffen. Laufen war und ist erlaubt, sowohl während des strengeren Lockdowns im Frühjahr als auch jetzt im Lockdown light.

Und trotzdem beklagt die Läuferszene ein verschenktes Jahr. "Es brodelt", beschreibt Michael Snehotta, der zahlreiche Laufevents in der Region organisiert, die Atmosphäre unter den Sportlern. "Langsam kippt die Stimmung. Die Leute verstehen nicht, warum in ihrem Sport, der sie gesund hält und der an der frischen Luft ausgeübt wird, keine Wettkämpfe mehr stattfinden dürfen."

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Auch Snehotta bedauert das. Für den 12. Dezember hatte er eigentlich seinen "X-Mas-Marathon" rund um den Kleinen Brombachsee geplant. Ob der stattfinden kann, ist fraglicher denn je. "Nächsten Montag wird die endgültige Entscheidung fallen. Es hängt natürlich vor allem davon ab, welche Maßnahmen die Ministerpräsidentenkonferenz dann beschließt". Weder die Äußerungen maßgeblicher Politiker noch die Entwicklung der Pandemie lassen jedoch momentan darauf schließen, dass es Lockerungen geben könnte.

"Virtuelle Events will keiner mehr"

Deswegen hat der Pfofelder bereits einen Ausweichtermin Ende Februar im Kopf – auch wenn Weihnachten dann schon längst Geschichte ist. Den kleinen Weihnachtsmarkt, der die Läufer in den vergangenen Jahren im Ziel empfangen hat, wird es ohnehin nicht geben. "Wirklich schade", findet Snehotta das, "es war immer eine gemütliche Atmosphäre."

Dass die Szene nach Wettkämpfen lechzt, zeigt ein Blick auf die Anmeldungen. 60 Teilnehmer stehen bereits auf der Liste, obwohl überhaupt nicht klar ist, ob die Veranstaltung stattfinden kann. Und obwohl Snehotta darauf verzichtet hat, Werbung für den "X-Mas-Marathon" zu machen. "Diese virtuellen Laufevents kann mittlerweile halt kein Mensch mehr sehen", sagt der 47-Jährige. "Die Leute wollen das Erlebnis in der Gemeinschaft."

Die Läuferszene gleicht einer großen Familie. Man kennt sich, trifft sich regelmäßig, tauscht sich aus. Jeder dort weiß, wie viel Disziplin es braucht, einen Marathon zu laufen. Jeder weiß aber auch um den unbeschreiblichen Glücksmoment der entsteht, wenn man nach über 42 Kilometern mit letzter Kraft die Ziellinie passiert. "Läufer wollen sich messen, sie suchen die Herausforderung, das gemeinsame Leiden", sagt Snehotta. Er muss es wissen. Als Extremsportler ist er schon 600 Kilometer durch die australische Steppe gelaufen. Und 240 Kilometer durch den brasilianischen Dschungel.

Düstere Aussichten für Silvesterlauf

Dass die Läufer endlich wieder Wettkämpfe austragen wollen, bestätigt aber auch Paul Kerczynski vom Laufklub Arriba Göppersdorf. Für den 31. Dezember hat sein Verein den Silvesterlauf in Pleinfeld geplant. Wenig überraschend steht auch dieses Event auf tönernen Füßen. "Wenn alles so bleibt wie jetzt, fällt das natürlich flach", sagt Kerczynski.



Bis zum ersten Dezember wollen er und sein Team noch warten, dann soll eine endgültige Entscheidung fallen. Viel Hoffnung, dass es noch klappen könnte mit dem Silvesterlauf, hat er derzeit nicht: "Zu 90 Prozent ist das Thema erledigt." Deswegen hat Arriba Göppersdorf bislang auch noch keine Anmeldungen entgegengenommen. Dabei waren vergangenes Jahr über 500 Teilnehmer dabei. "Dieses Jahr wäre der Rahmen aber natürlich sehr viel kleiner", betont Kerczynski. Die Sehnsucht nach echten Wettkämpfen sei groß unter den Sportlern, sagt er. Online-Läufe sind da kein Ersatz."

"Ältere Menschen oft gelassener"

Eine Ansicht, die Michael Snehotta teilt. Als Unternehmer trifft ihn die Krise finanziell hart, als Sportler frustriert ihn der zwangsweise Verzicht auf Wettkämpfe. Doch weil er inzwischen wieder als Altenpfleger arbeitet, sieht er auch die Auswirkungen des Coronavirus jeden Tag. "Ich habe oft mit Corona-Patienten zu tun und mir fehlt daher jedes Verständnis, wenn Leute, wie in Leipzig passiert, Superspreader-Demos abhalten", ärgert sich Snehotta. Die Stimmung unter den älteren Menschen sei angespannt. "Die größere Angst haben aber oft die Kinder".

Die Alten selbst gingen meist relativ gelassen mit der Gefahr um. "Meine älteste Patientin ist 96. Sie sagt, was soll ich noch erwarten? Wir Jüngeren haben Angst davor zu sterben, die alten Menschen oft nicht mehr." Trotzdem sorgt sich Snehotta um seine Patienten – und achtet auch deswegen darauf, sich selbst nicht anzustecken: "Ich will nicht der sein, der ihnen den Tod ins Haus trägt."