"Der Typ, den man jetzt nicht braucht"

Neuer Bundestrainer Nagelsmann: Teilzeit, Verzicht, Verschwörung - So reagiert das Netz

19.9.2023, 19:41 Uhr
 Julian Nagelsmann soll der neue deutsche Bundestrainer werden.

© Federico Gambarini, dpa  Julian Nagelsmann soll der neue deutsche Bundestrainer werden.

Julian Nagelsmann soll nach übereinstimmenden Medienberichten deutscher Bundestrainer werden - diese Meldung dominierte die Sportberichterstattung am heutigen Dienstag. Überraschend kam sie allerdings nicht: Bereits in der vergangenen Woche verkündete beispielsweise Uli Hoeneß, der FC Bayern würde seinen geschassten Trainer auch ablösefrei ziehen lassen, um ihm ein Engagement beim Deutschen Fußball-Bund zu ermöglichen.

Auch die Tatsache, dass der 36-Jährige als Nachfolger für Hansi Flick zur Debatte stand, verwundert nicht. Nach Jürgen Klopp ist der junge, taktikaffine Fußballlehrer wohl der beste und fachlich kompetenteste Trainer, den die Bundesrepublik derzeit kennt. Viele User sehen in Nagelsmann demzufolge zugleich die beste und absolut logische Lösung.

Im modernen Fußball geht es aber, das zeigte insbesondere der vergangene Transfersommer, nicht nur um rationale Argumente, sondern immer auch um finanzielle. Auf ebendiese legt Julian Nagelsmann, so sehen es seine Fürsprecher, keinen Wert. Der 36-Jährige, der bislang noch auf der Payroll des FC Bayern stand und trotz seiner Demission weiterhin eine beträchtliche Summe einstrich, verzichtet auf mehrere Millionen Euro, um den weniger solventen Verband wieder zu alter Stärke zurückzuführen. Kritiker bemängeln indes, dass bei einem Monatsgehalt von 400.000 Euro nicht von einem "Verzicht" zu sprechen sei - ganz gleich, welche Einnahmen sonst möglich wären.

Die finanzielle Debatte zu Nagelsmanns offenbar bevorstehender Inthronisation zum Bundestrainer reduziert sich allerdings nicht nur auf dessen persönliche Gehaltssituation, sondern entfacht auch einen Konflikt zwischen den beiden innerdeutschen Fußballpolen. Der FC Bayern bekommt den sicher teuren Ex-Trainer durch dessen Engagement beim Verband von der Gehaltsliste, ja.

Zugleich entfallen damit aber mögliche Einnahmen, die der deutsche Rekordmeister für eine Ablöse erhalten hätte - beispielsweise wenn sich der Coach dem zweiten Branchenprimus Borussia Dortmund angeschlossen hätte. Insbesondere Bayern-Fans wittern deshalb eine regelrechte Verschwörung - zumal Nagelsmanns Vertrag dem Vernehmen nach zunächst auch nur bis zur EM 2024 laufen soll.

Ungeachtet der finanziellen Aspekte des Deals bezweifeln einige User zwar nicht die Fähigkeiten des Trainers, aber dessen Eignung als Bundestrainer. Denn: Julian Nagelsmann zählt sicherlich nicht zu den Menschenfängern, die sich viele für die Nationalmannschaft wünschen würden - sowohl für die Motivation der Mannschaft als auch für die Euphorie im Gastgeberland vor der Europameisterschaft.

Die Argumente: Nagelsmann trainierte bislang mit der TSG Hoffenheim und RB Leipzig zwei Teams vom unteren Ende der Beliebtheitsliste und übernahm anschließend den polarisierenden FC Bayern, was ihm allesamt keine Unmengen an Sympathie in Fußballdeutschland einbrachte. Er steht oftmals mit extravaganten Outfits am Seitenrand und ging eine Beziehung zu einer Bild-Journalistin ein. Er zeigte sich in seiner Kommunikation teilweise dünnhäutig. Und er zählt eben schlichtweg zu jener Sorte Trainer, die zahlreiche Fußballfans in Deutschland als kalte Laptoptrainer abstempeln. Für das Gros der User in den sozialen Medien ist angesichts dieser Aspekte klar: Julian Nagelsmann ist der falsche Mann für die Flick-Nachfolge.

Der Hauptvorwurf vieler User bezieht sich tatsächlich auf Nagelsmann als Typ und als dessen Image als Laptoptrainer. Dank Nagelsmann Sympathie für die seit Jahren kriselnde, sich von den Fans distanzierende und zunehmend gleichgültig werdende Nationalmannschaft? Euphorie vor der Heim-EM? Beides Fehlanzeige - das legen zumindest diverse Tweets nahe.

Ein weiterer umstrittener Punkt in der Debatte: Profitiert Julian Nagelsmann davon, mit dem halben Kader der aktuellen Nationalauswahl bereits zusammengearbeitet zu haben - oder ist es vielmehr eine Hürde, die ihn schon vor Beginn seines Antritts stolpern lassen könnte? Tatsächlich soll der 36-Jährige, das nannten im Frühjahr zumindest die Klubverantwortlichen als Hauptgrund, die "Kabine" des FC Bayern verloren haben. Diese "Kabine" beherbergt unter anderem Joshua Kimmich und Leon Goretzka, die sich beide nach der Entlassung für ihren Ex-Chef aussprachen, aber auch Manuel Neuer oder Thomas Müller.

Bei allen Streit- und Kritikpunkten, bei aller Bedeutung, die mit der bevorstehenden Heim-EM und der gegenwärtigen Krise einhergehen, ist es am Ende doch nur Fußball. Demzufolge bemühten sich auch einige User, die Meldung mit Humor aufzugreifen.

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