Falcons im Portrait

Für Skyler Rose: Was Nürnbergs neuen Point Guard Dupree McBrayer antreibt

4.10.2021, 14:06 Uhr
Ein Kraftakt: Gegen Leverkusen stand Dupree McBrayer 37 von 40 Minuten auf dem Feld.

© Sportfoto Zink / Alexander Schlirf, Sportfoto Zink / Alexander Schlirf Ein Kraftakt: Gegen Leverkusen stand Dupree McBrayer 37 von 40 Minuten auf dem Feld.

Natürlich hätte sich Dupree McBrayer gewünscht, dass die Ansprache seines Trainers nicht ganz so lange ausgefallen wäre. Denn das hätte wahrscheinlich bedeutet, dass die Nürnberg Falcons das Spiel gegen die Bayer Giants Leverkusen gewonnen hätten. Weil nach 40 Minuten aber ein 81:89 auf dem großen Videowürfel unter dem Hallendach leuchtete, hatte Vytautas Buzas viel Redebedarf.

Immerhin hatten McBrayers Lungen so die Gelegenheit sich wieder mit Luft zu füllen, als er noch ein letztes Mal an diesem Abend aus der Kabine zurück zum Parkett schlappt, sieht er nicht mehr ganz so mitgenommen aus wie noch 20 Minuten zuvor.

"Ich übernehme die Verantwortung", sagt McBrayer

37 Minuten und sechs Sekunden stand Dupree McBrayer am Samstagabend auf dem Spielfeld, kaum hatte er mal auf der Bank Platz genommen, rief ihn Buzas schon wieder zu sich. "Wow! Wirklich?" McBrayer kann es kaum glauben, als er von seiner Einsatzzeit erfährt: "37 Minuten, das ist echt viel. Ich bin darauf vorbereitet, zur Not auch durchzuspielen, aber ich muss noch schlauer mit meinen Ruhepausen umgehen."

16 Punkte hat er gegen Leverkusen erzielt, er hat fünf Korbvorlagen gegeben und sich nur zwei Ballverluste erlaubt, was in Anbetracht der Spielzeit und seiner Rolle ein sehr guter Wert ist. Zufrieden ist er trotzdem nicht, natürlich nicht, nur für einen Achtungserfolg gegen den Vizemeister der vorangegangenen Zweitligasaison ist er nicht über den großen Teich geflogen.

"Wir haben verloren, weil wir unsere Spielzüge nicht konsequent umgesetzt haben", erklärt sich der US-Amerikaner die Niederlage und hat auch gleich den Hauptverantwortlichen gefunden. "Ich übernehme die volle Verantwortung dafür, dass ich bei den anderen Jungs keine Ordnung reinbekommen habe", sagt McBrayer selbstkritisch: "Das Spiel war eng, jeder wollte ein gutes Play machen, aber es ist meine Aufgabe als Point Guard jeden in die richtige Position zu bringen, um erfolgreich zu sein."

Und weil Evan Taylor verletzt war, Tim Köpple angeschlagen in die Partie ging und sich der junge Christian Feneberg zu viele Fehler erlaubte, blieb trotz der anspruchsvollen Aufgabe kaum Zeit durchzuschnaufen.

Ohne Internet in Belarus

In Nürnberg hat sich der Sommerneuzugang McBrayer schon ganz gut eingelebt. Geboren ist er im New Yorker Stadtteil Queens, die ersten Stationen in Europa haben ihm gezeigt, wie gravierend sich der Alltag der Menschen an anderen Orten unterscheiden kann. Seine Profi-Karriere hat der 25-Jährige in Estland begonnen, vergangene Saison spielte er in Belarus für Mogilev, führte seine Mannschaft in der Liga und im Pokal ins Finale, wurde zum besten Importspieler gewählt – und erlebte zumindest in Ansätzen, was es bedeutet, in einem autokratischen Staat zu leben.

Ohne Internet in Belarus

"Als ich ankam, hat der Präsident das Internet für zwei, drei Wochen gesperrt", erzählt McBrayer über die Zeit, als viele Menschen nach der gefälschten Wahl im Sommer 2020 auf die Straße gingen und Alexander Lukaschenko die Sicherheitskräfte anwies, ein Gefühl der Unsicherheit zu erzeugen. Von den Protesten hielt sich McBrayer fern, er versuchte sich auf seinen Sport zu konzentrieren, Aufregung gab es ja auch in seinem Heimatland zu der Zeit genug. Als er nach der Saison nach Hause fliegen wollte, wurden kurzzeitig die Flughäfen gesperrt und er wieder in seine Wohnung geschickt. Die Kommunikation mit der Familie daheim gestaltete sich schwierig, die 7265 Kilometer Luftlinie dürften sich noch deutlich weiter angefühlt haben.

Warum sie Basketball spielen

Nach Nürnberg hat er die Erkenntnis mitgebracht, dass Erfolge nicht ausschließlich in der Trainingshalle generiert werden. "Wir müssen abseits des Feldes noch mehr Zeit miteinander verbringen", glaubt McBrayer: "Um als Gruppe noch mehr zusammenzuwachsen, braucht es tiefgehende Gespräche. Wir müssen wissen, warum jeder von uns überhaupt Basketball spielt."

Wie seine Antwort auf die Frage lautet? "Ich hatte zwei ältere Brüder, die gut gespielt haben, und ich wollte ihnen immer beweisen, dass ich besser bin als sie", erzählt McBrayer. Gegen ihn spielten wollten sie allerdings nie – "sie haben vermutlich geahnt, wie es ausgehen würde", sagt er und lacht. Seine Brüder haben die Basketballschuhe inzwischen in den Schrank gestellt, er spielt immer noch und hat längst eine andere Motivation: Skyler Rose heißt sie und wird im Februar zwei Jahre alt. "Ich spiele für meine Tochter, damit sie unter möglichst guten Umständen aufwachsen kann", sagt McBrayer.

Für sie will er möglichst viele Siege holen – für sie und für die Fans der Falcons. "Sie feuern uns an, egal ob wir gewinnen oder verlieren", hat er bemerkt: "Wir wollen jetzt möglichst oft gewinnen, damit auch immer mehr Fans in die Halle kommen." Und damit die Kabinenansprache des Trainers künftig nicht mehr so lange dauert.

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