Auch Segelgemeinschaft Erlangen profitiert

Riesige Nachfrage: Segel-Boom am Dechsendorfer Weiher

30.6.2021, 16:31 Uhr
Mit dem Segelboot über den Dechsendorfer Weiher: Am vergangenen Wochenende wurde hier die Stadtmeisterschaft ausgetragen.

© Harald Sippel, NN Mit dem Segelboot über den Dechsendorfer Weiher: Am vergangenen Wochenende wurde hier die Stadtmeisterschaft ausgetragen.

Während sich mehr als ein Dutzend Segelschiffe auf dem Dechsendorfer Weiher versammelt haben, vom Wind mal mehr, mal weniger über das Wasser treiben lassen und um den Sieg kämpfen, sitzen ein Stück weit entfernt Jan Hofmann und Paul Franke vor dem Vereinsgelände, bereiten die Verpflegung vor und beginnen zu erzählen: Über den Frankenpokal, der gerade als einer der deutschlandweit ersten Segel-Wettbewerbe in diesem Jahr ausgetragen wird. Über das 60-jährige Jubiläum der Segelgemeinschaft Erlangen, das man - natürlich wegen Corona - nicht so feiern konnte, wie man feiern wollte. Und über den Segel-Boom, der - ebenfalls wegen Corona - den Verein erfasst.

Ansturm im Nachwuchs

Einen Moment. Das Gespräch verstummt. Eine Mutter und ihre jugendliche Tochter betreten das Vereinsgelände. Ob die Tochter mal beim Training vorbeischauen könne? Paul Franke steht auf und schreibt der Mutter die Telefonnummer der Jugendwartin auf. Jan Hofmann dreht sich um und sagt: "Genau so geht das aktuell die ganze Zeit."

Für den Amateursport waren die vergangenen 15 Monate Corona-Pandemie eine Art Dauer-Hürde, die kaum zu überspringen war. Zu viele Risiken, zu viele Einschränkungen, zu viel Aufwand für zu wenig Nutzen. Und so kamen klassische Mannschaftssportarten wie der Fußball über Monate hinweg zum Erliegen.

Ging es dann doch mal weiter, verstrickten sich die Vereine auch noch in komplizierten Debatten darüber, wie die Fortsetzung gelingen könne, ohne Unzufriedene zurückzulassen. Aber nicht alle Sportarten mussten sich den Grenzen des Lockdowns beugen. Ganz im Gegenteil. Manche Disziplinen blühten erst so richtig auf.

Der Boom ist real und messbar

Dass ausgerechnet der Segelsport zu diesen Gewinnern zählen würde, war vorher nicht unbedingt abzusehen. Doch der Segel-Boom ist real und messbar: Hatte die Segelgemeinschaft früher zirka 20 Neuankömmlinge pro Jahr, sind es inzwischen schon doppelt so viele, die sich an die Prüfung heranwagen. "Das war schon überraschend, dass so viele Erwachsene bereit sind, etwas von Null an zu lernen", sagt auch Hofmann, der in der Segelgemeinschaft als Schriftführer tätig ist. Was steckt also hinter dem Boom? Die Antwort ist vielleicht simpler als es auf den ersten Blick scheint.

Denn obwohl der permanente Wandel der Corona-Regeln im Pandemie-Verlauf die einzige Konstante war, stand ein Gebot zuverlässig: Treffen mit einem weiteren Haushalt blieben erlaubt. "Man hat dann erkannt: Wenn zwei Menschen sich treffen dürfen, kann man auch das Segeln nicht verbieten", erklärt Franke, der zu den Ausbildern in Erlangen gehört. Segeln zählt zu den kontaktfreien Sportarten. Maximal zwei Personen dürfen ein Boot betreten, berühren sich zwei Boote auf dem Wasser, gilt das bereits als Fehler.

Dem Pandemie-Alltag entfliehen

Viele Mitglieder erkannten also ihre Chance, dem Pandemie-Alltag zumindest kurzzeitig zu entfliehen. Während die meisten Sportarten weiterhin im Warte-Modus verbleiben mussten, war das Segeln plötzlich so präsent wie selten zuvor.

"Viele Passanten laufen um den Weiher, sehen, was bei uns los ist, kommen dann direkt hierher und erkundigen sich", erzählt Hofmann. Auch die Jugendwartin Erika Rathje, die selbst beim Frankenpokal dabei ist, sieht in der Aufmerksamkeit den Auslöser für die Eintrittswelle. "Viele haben schon immer vom Segeln geträumt, aber nur wenige wussten, dass sie ihn hier direkt ausüben können."

Wie Schach auf dem Wasser

Das ändert sich rasant. Bleibt nur eine Frage: Kann die Segelgemeinschaft Erlangen das schultern? Die Anzahl der Boote ist begrenzt, die Anzahl der Ausbilderinnen und Ausbilder auch. "Wir stoßen schon ein bisschen an unsere Kapazitätsgrenzen", sagt Rathje. Bei den Kindern und Jugendlichen sei der Andrang so massiv gewesen, dass man manche bereits ablehnen musste.

Hinzu kommt, dass der Einstieg in den Segelsport zwar zunächst relativ voraussetzungslos ist, aber die Lernerfahrungen selbst relativ komplex sind. "Das ist ein bisschen wie Schach auf dem Wasser", erklärt Rathje. "An die richtige Stelle zu fahren, wenn der Wind dreht, das braucht Erfahrung und Training." Im Sommer wird die Segelgemeinschaft zwei Ferienkurse anbieten. Kinder können dann austesten, ob ihnen der Sport liegt. Der Segel-Boom scheint noch lange nicht vorüber zu sein.


Das überlegene Team beim Frankenpokal für 420er-Boote waren Simon Kern und Jann Müller von der Segelgemeinschaft Erlangen, die mit drei ersten Plätzen die Regatta und die Stadtmeisterschaft gewannen. Auch die Plätze zwei (Janina Fischer, Tabea Hofmann) und drei (Yunis Ziche, Jonas Kieninger) belegten SGE-Segler.

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