Leader in der Abwehr

Weltenbummler mit Führungsanspruch: Oussama Haddadi geht in Fürth voran

Michael Fischer

Nürnberger Nachrichten

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9.7.2022, 06:00 Uhr
"Ich kann auch gerne ihr großer Bruder sein": Oussama Haddadi (2.v.l.) geht beim Kleeblatt als Leader voran. Hier herzt er Eigengewächs Devin Angleberger.

© Sportfoto Zink / Melanie Zink, Sportfoto Zink / Melanie Zink "Ich kann auch gerne ihr großer Bruder sein": Oussama Haddadi (2.v.l.) geht beim Kleeblatt als Leader voran. Hier herzt er Eigengewächs Devin Angleberger.

Die Bilder gleichen sich. Es gibt kaum ein Foto aus den vergangenen fünf Wochen, auf dem Oussama Haddadi nicht einen seiner Kollegen im Arm hält, ihm den Kopf tätschelt oder sehr vertrauensvoll mit ihm spricht. Vor allem im Trainingslager in Saalfelden war auffällig, wieviel der 30-Jährige mit seinen teilweise viel jüngeren Mitspielern redete, wie er sie täglich zu begleiten schien auf ihrem Weg zum Profi.

Die ihm zugedachte Rolle als Führungsspieler füllt Haddadi komplett aus. Es ist ihm anzusehen und auch anzuhören, wie er in dieser aufgeht, wie glücklich er ist, dass er bereits nach etwas mehr als einem Monat ein sehr wichtiger Faktor in der neuen Fürther Mannschaft ist. "Ich weiß, was es braucht, um ein Leader zu sein", sagt er. "Es ist wichtig zu wissen, wie man kommunizieren und wie man sich in der Gruppe verhalten muss."

Schon als junger Spieler war Oussama Haddadi in den Nachwuchs-Nationalmannschaften Tunesiens ein Anführer, beim Club African Tunis durfte er bereits mit 17 Jahren bei den Profis spielen. Über die Jahre hat er sehr viele Erfahrungen gesammelt, hat in Tunesien, Frankreich, Saudi-Arabien und zuletzt in der Türkei gespielt, wo er im April aber seinen Vertrag aufgelöst hat. "Der Verein hat den Vertrag nicht respektiert und sechs, sieben Monate kein Gehalt gezahlt", erzählt Haddadi.

Auf eine solche Erfahrung hätte er in seiner Karriere natürlich gerne verzichtet. Jetzt hat ihn sein Weg nach Fürth geführt. Im Sommer hatte Oussama Haddadi mehrere Angebote, er hätte anderswo auf der Welt viel mehr Geld verdienen können, aber er hatte große Lust auf den deutschen Fußball. Beim Kleeblatt kann der Weltenbummler wieder das Schöne mit dem Nützlichen verbinden. "Ich mag es, neue Kulturen und neue Länder zu entdecken", sagt der 30-Jährige.

"Wir sind Freunde und Brüder"

Zuletzt beschränkte sich das Entdecken auf Hotelzimmer in Fürth und Saalfelden, bald aber will Oussama Haddadi mit seiner Frau und der zweieinhalb Jahre alten Tochter auch mehr sehen von seiner neuen Umgebung. Und natürlich erfolgreich Fußball spielen. "Ich bin hierher gekommen, um dem Team und vor allem den jungen Spielern zu helfen, unsere Ziele zu erreichen", sagt er. "Ich habe genug Erfahrungen, um zu wissen, wie man sich verhält, auch in schwierigen Momenten."

Diese Momente werden kommen - und in diesen wird es auch auf Haddadi ankommen. Manche seiner neuen Kollegen sind zehn, zwölf Jahre jünger als er, "es geht echt schnell im Fußball", sagt er. "Ich bin aber nicht mehr wert als sie. Wir sind Freunde und Brüder. Ich kann auch gerne ihr großer Bruder sein." Einer also, zu dem man aufschaut, auf dessen Meinung man etwas gibt und der einen auch beschützt, wenn es mal gefährlich wird.

Bei der Generalprobe am Samstag (17.30 Uhr) bei den Young Boys Bern wird Haddadi voraussichtlich zusammen mit Sebastian Griesbeck die Innenverteidigung bilden. Dort ist er nicht nur als Abwehrspieler, sondern als bekennender Flachpass-Fan auch im Spielaufbau gefragt. "Ich will der Idee des Trainers folgen und mit sauberen Bällen von hinten aufbauen", sagt er. "Die Pässe sollen uns helfen, zu attackieren."

Das gelang in der Vorbereitung oft sehr gut, zuletzt beim Test gegen Ingolstadt (3:1) sorgte Haddadi mit einigen unsauberen Pässen aber auch dafür, dass der Gegner attackieren konnte. Zum Saisonstart dürfte er dennoch gesetzt sein - wegen der Verletzung von Gideon Jung demnächst aber einen weiteren Kollegen im Abwehrzentrum bekommen.

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