Paralympische Spiele

Tokio: Medaillenhoffnung Taliso Engel ist bereit

23.8.2021, 08:00 Uhr
Tokio: Medaillenhoffnung Taliso Engel ist bereit

© e-arc-tmp-20210518_143344-4.jpg, ARC

Gerade einmal gut 6000 Menschen leben in Belek, einem kleinen Küstenort an der türkischen Riviera. Vielen deutschen Fußballfans ist der Name dennoch ein Begriff, weil sich einige Klubs während des kalten deutschen Winters ein paar Tage milder Temperaturen an der Mittelmeerküste gönnen, um sich in Trainingslagern auf den Saisonendspurt einzustimmen.

Von milden Temperaturen kann nun, in diesen Tagen, nicht gerade die Rede sein, zuverlässig knackt das Quecksilber täglich die 30-Grad-Marke. Taliso Engel spricht von "optimalen Bedingungen" – klar, er darf ja auch täglich ins Wasser. Mit dem deutschen Schwimm-Team bereitete sich der Nürnberger zwölf Tage lang in Belek auf die paralympischen Spiele in Tokio vor. In Nürnberg hätte er diese Bedingungen nicht vorgefunden, denn im Langwasserbad, in dem der 19-Jährige sonst seine Bahnen zieht, fanden zuletzt Wartungs- und Reinigungsarbeiten statt.

Viermal startet Engel, der eine angeborene Sehbehinderung hat, in Tokio: Am 27. August über 400 Meter Freistil, am 29. August über 50 Meter Freistil, tags darauf über 200 Meter Lagen und am 1. September noch einmal über 100 Meter Brust - seiner Paradestrecke. Welt- und Europameister ist der Nürnberger auf dieser Distanz schon geworden, natürlich rechnet er sich auch für Tokio Chancen aus. Engel weiß von seiner Favoritenrolle, sagt darum: "Es ist schon mein Ziel, in den top drei mitschwimmen zu können. Allerdings werde ich mir davor keinen Druck machen lassen." Engel haben die Olympischen Spiele zuletzt gezeigt, dass Favoriten nicht immer gewinnen. Und das zu großer Druck mitunter lähmen kann. Die Erwartungshaltung an ihn bremst er darum klug ein: "Es sind immer noch meine ersten Spiele."

Treffpunkt Dorf

Und die gilt es in erster Linie zu genießen. "Ich freue mich auf sehr auf das olympische Dorf", beginnt Engel zu erzählen. "Dass alle Athleten in einem Dorf sind, wie in einer eigenen, kleinen Stadt, das wird eine coole Erfahrung." Anders als bei Europa- oder Weltmeisterschaften bliebe man so als Schwimmer nicht nur unter Schwimmern, sondern treffe auch Athleten anderer Sportarten. Und "das ist cool."

Am Samstag hob der Flieger in die japanische Hauptstadt ab, gerade einmal drei Tage hat Engel also nach Belek und vor Tokio zuhause verbracht. Nicht mit dabei war eine Frau, die "eigentlich immer dabei" ist: Talisos Mutter Cosima. Die strengen Vorschriften inmitten einer Pandemie machen auch bei den paralympischen Spielen nicht vor der Verwandschaft Halt, was Taliso "extrem schade" findet. "Bei WM und EM war immer auch ein kleiner Teil meiner Familie dabei. Für meine Mutter ist das besonders schade." Auch sein Heimtrainer Jochen Stetina blieb in Nürnberg, von all den Umständen will sich der 19-jährige Modellathlet aber nicht ablenken lassen.

In der Vorbereitung "lief eigentlich alles super", sagt Engel, was auch daran lag, dass er sich seit Anfang Juli voll auf den Schwimmsport hat fokussieren können. Da hat er nämlich sein Fachabitur bestanden, mit der Note war er "sehr zufrieden". Zuvor lag der Fokus, das gibt Engel zu, "voll auf der Schule, das Training musste ich teilweise vernachlässigen." Davon konnte zuletzt keine Rede mehr sein. "Richtig harte Sachen" haben sie zuletzt an der türkischen Riviera gemacht. Engel hat das alles gut weggesteckt. Wenn nichts mehr dazwischen kommt, schwimmt Engel am 1. September um eine Medaille.

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