Straßenkünstler Marc Vogel bringt Unterhaltung zu den Menschen

17.4.2020, 10:03 Uhr
Straßenkünstler Marc Vogel bringt Unterhaltung zu den Menschen

Schnell war dem Künstler klar, dass er mit seinen Späßen und Tricks den Leuten etwas Freude in den derzeit manchmal tristen Alltag bringen kann – und zwar nicht nur, wie gerade üblich, per Internet: "Meiner Meinung nach müssen die Menschen weg vom Bildschirm und wollen Kultur im echten Leben genießen."

Wie das gehen kann in Zeiten, in denen Abstand das Gebot der Stunde ist? Mit "Kultur vor dem Fenster". So heißt die Aktion, die Marc Vogel angestoßen hat und für die er in den vergangenen Wochen unwahrscheinlich viel telefoniert und organisiert hat.

In Fürth ist nun – nachdem das Ordnungsamt zunächst interveniert hatte – alles in trockenen Tüchern: Musiker, Artisten und Comedians dürfen dort vor Balkonen und Fenstern auftreten – unter ein paar Bedingungen: Es dürfen nur zuvor explizit gebuchte Auftritte durchgeführt werden, "auf Zuruf" sind diese nicht möglich. Sie dürfen nur auf Privatgrundstücken, etwa im Hof einer Einrichtung, stattfinden, und Zuschauer müssen in der Wohnung bleiben. Außerdem gilt es, die Abstandsregeln einzuhalten.

Klar, dass Vogel und seine Mitstreiter sich gerne daran halten. Schließlich geht es für freischaffende Künstler momentan um die Existenz. Jeder Tag weniger, den man nicht arbeiten könne, bringe einen näher an den finanziellen Ruin, sagt Vogel. Zumal die staatlichen Hilfen für Solo-Selbständige im Kulturbereich in den meisten Fällen überhaupt nicht greifen und die Grundsicherung droht.

Viele Kollegen stünden mit ihren Ideen in den Startlöchern, rund 20 haben sich schon angemeldet. In Fürth läuft die Aktion laut Vogel sehr gut an. The Rockin’ Lafayettes gaben ein Konzert in einem Hinterhof, Katja Lachmann und Steffi Zachmeier spielten auf dem Gelände des städtischen Altenheims unter anderem fränkische Volksmusik für rund 100 Senioren, die an den Fenstern lauschten.

Bis zu 50 Prozent weniger Gage als üblich verlangen die teilnehmenden Künstler. Will jemand freiwillig mehr geben, wandert dieses Geld in einen Soli-Topf, aus dem dann Auftritte für Menschen oder Einrichtungen finanziert werden können, die sich das selbst nicht leisten können.

Das Kulturamt der Stadt Fürth unterstützt die Aktion, auch finanziell. Anders gehe es nicht, sagt Vogel, der das Projekt nun in möglichst vielen Städten auf die Beine stellen will. Landshut und Bamberg etwa haben schon Interesse gezeigt. In Nürnberg tut sich Marc Vogel noch schwer, Anfragen beim Kulturreferat und beim Amt für Kultur und Freizeit laufen aber. "Ich warte einfach weiter ab und bin froher Hoffnung." In allen Städten braucht er sowohl die Erlaubnis vom Ordnungsamt als auch die Zusage für Zuschüsse, damit sein Engagement samt Pflege der Website nicht rein ehrenamtlich bleibt.

Das Portal (www.kultur-vor-dem-fenster.de) fungiert quasi als Vermittlungsstelle, dort können sich sowohl Künstler melden, die ihre Dienste anbieten wollen, als auch Kunden, die einen Auftritt vor dem Fenster buchen wollen. Und natürlich Städte, die ihren Bürgern die Aktion ebenfalls gerne möglich machen wollen. Das wird, so hofft Marc Vogel, auch bei Nürnberg, der Kulturhauptstadt in spe, bald der Fall sein.

Um zumindest den Menschen in einem Mietshaus in der Nürnberger Kressenstraße wieder Kinovergnügen fast wie im echten Leben zu ermöglichen, hat Christine Britting dort ein Hinterhofkino gestartet, bei dem die Bewohner von ihren Balkonen aus getrennt und doch gemeinsam Filme gucken können. Der Verein Mobiles Kino stellte Projektor und Tonanlage bereit, die Bewohner stimmen selbst darüber ab, welcher Film aus dem weiten Angebot der Streamingdienste auf die Hauswand im Innenhof projiziert wird. Zum Auftakt fiel die Wahl auf "Die Minions", am zweiten Abend flimmerte "Little Miss Sunshine" über die steinerne Leinwand.

"Es hat super geklappt und die Stimmung war megaschön", freut sich Britting über den gelungenen Start. Die Idee hatte sie, weil sie derzeit selbst das gemeinsame Kinoerlebnis mit Freunden heftig vermisst. Und die Hausgemeinschaft sei begeistert gewesen. Um Rücksicht auf ältere Bewohner zu nehmen, habe man den Ton auf moderate Lautstärke gedimmt und dafür gesorgt, dass gegen 22 Uhr Schluss war.

Ein bis zwei Mal pro Woche soll der Projektor jetzt angeworfen werden, am Ende werden Spenden für das Mobile Kino gesammelt, das den Start in seine Open-Air-Saison für Mai canceln musste. Wann und wie es danach weitergeht – auch mit den Mittelmeerfilmtagen im Tucherschloss oder dem SommerNachtFilmFestival –, ist laut Vereinsvorstand Günther Wittmann derzeit völlig ungewiss. Für Nachahmer-Projekte des Hinterhofkinos wird das Equipment deshalb gerne bereitgestellt. Wer den gemeinnützigen Verein unterstützen will, kann außerdem online Gutscheine kaufen, die unbefristet gültig sind.

Beim Casablanca in der Südstadt laufen die Gutscheinaktionen derzeit bestens, Kinoleiter Matthias Damm freut sich zudem über zahlreiche Neumitglieder. Das aktuelle Kurzfilmprogramm "Shorts Attack" kann man bis Ende April für 30 Tage und 7,99 Euro bei Vimeo on Demand mieten und zuhause auf dem Sofa anschauen. Unter dem Titel "@Home: Sex & Wahnsinn" geht es in neun "Quickies" um erotische Fantasien und Geheimnisse aller Arten. Die Einnahmen gehen ans Casablanca, das das Programm von interfilm exklusiv in einer von Black (Teil des bewährten Duos "B & B") moderierten Fassung anbietet – diesmal ohne Stirnlampe.

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