Auslöser, Symptome, Folgen

Sieben Fakten: Was Sie über Stress wissen sollten

4.3.2024, 16:00 Uhr
Jeder reagiert anders auf Stress.

© IMAGO/Frédéric Cirou Jeder reagiert anders auf Stress.

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Das Herz schlägt bis zum Hals, die Atmung wird schneller, die Muskeln spannen sich an: Früher war es der Säbelzahntiger, heute sind es der Job, Termine, Haushalt oder sogar Familie, Freunde und Hobbys, die uns in Stress versetzen.

Per se ist Stress nichts Schlechtes, zum Dauerzustand sollte er aber nicht werden. Denn das kann schlimme Folgen für Körper und Seele haben. Dazu sieben Fakten im Überblick:

"Umgangssprachlich bezeichnen wir das, was uns Stress macht - zum Beispiel Zeitdruck - als 'Stress'", so Johanna Thünker, Vorsitzende des Verbandes Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP).

In der Psychologie ist mit dem Begriff allerdings gemeint, was im Menschen passiert - also das, was man körperlich, emotional sowie durch Stressgedanken spürt, wie "Jetzt aber schnell" oder "Das schaffe ich nicht".

Die Auslöser von Stress wiederum werden als Stressoren oder auch Stressfaktoren bezeichnet. Was genau das sein kann, hängt unter anderem von unserer Persönlichkeit ab.

Stress macht den Körper leistungsfähiger. Früher war es lebensnotwendig schnell auf Gefahren wie den Säbelzahntiger zu reagieren, so Christa Roth-Sackenheim, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.

"Verschiedene Stoffwechselprozesse werden angestoßen, um den Körper schnell mit Energie zu versorgen", erklärt Roth-Sackenheim. Zum Beispiel:

  • der Puls steigt,
  • das Herz pumpt mehr Blut durch den Köper,
  • die Verdauung wird heruntergeregelt,
  • die Atemfrequenz erhöht und
  • das Stresshormon Kortisol wird ausgeschüttet. Dadurch steigt der Blutzucker und die Muskeln arbeiten verstärkt.
  • Die Ausschüttung von Adrenalin macht wacher und konzentrierter.

"Diese Fähigkeit hat der Körper heute noch, auch wenn wir nicht mehr vom Säbelzahntiger verfolgt werden", sagt Roth-Sackenheim, die auch Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater (BVDP) ist.

Diese Reaktionen sind eine autonom gesteuerte Reaktion, das Ganze läuft also unbewusst in unserem Körper ab. Dahinter steckt das vegetative Nervensystem, erklärt Thünker.

Das vegetative Nervensystem empfängt Signale vom Gehirn und sendet sie an den Körper. Und steuert so zum Beispiel

  • die Atmung,
  • den Herzschlag und
  • den Stoffwechsel.

Für Stressreaktionen ist ein Teil des vegetativen Nervensystems zuständig:

  • der sogenannte Sympathikus sorgt dafür, dass der Körper unter Strom steht - bereit für Kampf oder Flucht.
  • Sein Gegenspieler ist der Parasympathikus. Dieser sorgt für Ruhe und Entspannung.

Auch in der heutigen Zeit gibt es unzählige Auslöser für Stress. Einige Beispiele:

  • Leistungsdruck im Job,
  • Sorgen um Freunde,
  • Sorgen um die Gesundheit,
  • Ungelöste Konflikte in der Partnerschaft,
  • Geldsorgen.

Kurzum: "Alles, was Angst, Wut oder Ärger auslöst und sich nicht beeinflussen lässt, ist ein potenzieller Stressor", erklärt Roth-Sackenheim.

Aber: Es sind nicht nur äußere Faktoren. "Ob man sich von etwas stressen lässt, hängt von der inneren Haltung und vom Charakter ab", sagt Thünker, die als Psychotherapeutin in einer Gemeinschaftspraxis in Bottrop arbeitet.

Unsere Persönlichkeit entscheidet maßgeblich mit, ob und wie intensiv wir unter Stress stehen. Sie wiederum ist zum Teil Veranlagung und zum Teil durch Erziehung und Erfahrungen geprägt. Was uns stresst, lässt sich daher nicht pauschal sagen.

Grundsätzlich gilt: Eher ängstliche Menschen, die hohe Ansprüche an sich selbst haben oder perfektionistisch sind, neigen eher dazu, gestresst zu sein als zuversichtliche, in sich ruhende Menschen.

Wirklich verbindliche Zahlen zu nennen, ist schwierig: Stress ist etwas sehr individuelles und keine Krankheit. Es gibt daher keine einheitlichen Kriterien, die Stress definieren, so Thünker.

Erhebungen spiegeln nur die Selbsteinschätzungen der Befragten wider. Ein Beispiel: An einer repräsentativen YouGov-Erhebung im Auftrag von Swiss Life Deutschland nahmen 2000 Befragten ab 18 Jahren im Jahr 2020 teilt. Hier die Ergebnisse:

  • 80 Prozent der Befragten gaben an: Sie sind gestresst.
  • Unter den Frauen fühlten sich 84 Prozent gestresst.
  • Unter den Männern waren es 76 Prozent.

Wie wirken die Befragten Stress entgegen?

  • Knapp ein Drittel unternimmt nichts (32 Prozent).
  • 27 Prozent versuchen, mit Entspannungsübungen gegenzusteuern,
  • 23 Prozent mit Bewegung.

Wenn der Körper auf Hochtouren läuft, erhöht sich unter anderem der Herzschlag und der Blutdruck steigt. Steht der Körper dauerhaft unter Strom, macht sich das körperlich und seelisch bemerkbar, sagt Roth-Sackenheim.

Psychosomatische Folgen sind zum Beispiel:

  • Schlaflosigkeit,
  • depressive Erkrankungen,
  • Erschöpfungsdepressionen.

Körperlich kann Dauerstress der Expertin zufolge unter anderem zu hohem Blutdruck führen. Hoher Blutdruck belastet die Gefäße - langfristig kann dies zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen.

Weitere mögliche Folgen von Dauerstress:

  • Infektanfälligkeit,
  • Verdauungsbeschwerden,
  • Verspannungen.

"Die Energie, die der Körper unter Stress bereit stellt, ist eigentlich zum Laufen oder Kämpfen gedacht", sagt Thünker. "Wir bleiben aber am Schreibtisch sitzen und die Muskeln sind trotzdem angespannt."

Helfen kann dann beispielsweise Yoga oder eine progressive Muskelentspannung. Dabei müssen Sie willkürlich eine Muskelgruppe nach der anderen anspannen und entspannen.

Stress setzt auch der Psyche zu: "Man ist angespannt, frustriert, ärgert sich, resigniert", erklärt Utz Niklas Walter, Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung (IFBG). Die langfristigen psychischen Folgen können

  • Depression oder
  • Burnout sein.

Hinweis:In der Internationalen Klassifizierung der Erkrankungen (ICD) fällt Burnout unter "Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung". Entsprechend gibt es keine einheitlichen Kriterien, die ein Burnout ausmachen. Es ist keine eigene Erkrankung.

Schlafprobleme und Leistungsabfall

Annette Wahl-Wachendorf, Vizepräsidentin des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte erklärt, dass gestresste Menschen oft Probleme beim Ein- oder Durchschlafen haben. "Sie sind müde und weniger leistungsfähig."

Für Betroffene sei es oft unmöglich, abzuschalten oder sich zu erholen. Sie sind angespannt, nervös und leicht reizbar. Viele ziehen sich zurück, auch privat, manche werden aggressiv.

Wann Stress wirklich gefährlich wird, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. "Manche halten Dauerstress zwei Wochen, andere vier Monate aus", so Thünker.

Die Alarmglocken sollten laut Thünker schrillen, wenn Sie:

  • am Wochenende oder selbst im Urlaub nicht abschalten können,
  • permanent müde und erschöpft sind,
  • häufig krank werden,
  • sehr leicht reizbar sind.

Was dann?

Manche können sich selbst aus dem Dauerstress helfen. Roth-Sackenheim empfiehlt dafür alles zu tun, was einem gut tut oder man gerne macht:

  • ausreichend Schlaf,
  • gesunde Ernährung,
  • gute Kontakte pflegen,
  • sich bewegen,
  • aber auch singen oder
  • sich mal etwas gönnen.

Thünker rät, für einen Ausgleich zu sorgen: "Nach einem Kopfarbeitstag sollte man noch Sport machen, nach körperlich anstrengender Arbeit eher eine Ruhepause einlegen."

Im Kampf gegen Stress ist es hilfreich, einen Gegenpol herzustellen:

Wer viel sitzt, sollte Stress im Körper über Sport und Bewegung abbauen - Joggen oder Radfahren statt Kampf gegen den Säbelzahntiger.

Professionelle Unterstützung bei Stress

Mitunter können Sie sich aber nicht selber helfen und brauchen professionelle Unterstützung. Einen Überblick über die Anbieter von Psychotherapien finden Sie zum Beispiel über:

  • das Psychologenportal des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen,
  • die Telefonseelsorge Deutschland. In aktuen Notlagen erhalten sie telefonische Hilfe unter 0800 111 01 11 und 0800 111 02 22 oder auch online via Chat.

Tipp: Es kann sich lohnen, bei seiner Krankenkasse nachzufragen. Oft werden die Kosten für Kurse zur Förderung der Stressbewältigungskompetenz oder Entspannung erstattet.

Im Prinzip sei Stress eine Fähigkeit des Körpers, auf Gefahren zu reagieren, so Roth-Sackenheim.

Aber nicht nur Gefahren lösen Stress aus, auch schöne Dinge - wie etwa die eigene Hochzeit oder das Engagement in einem Hilfsprojekt - können Stress auslösen.

Der fühlt sich aber ganz anders an, nämlich positiv - man ist gefordert statt überfordert. Das ist der sogenannte Eustress.

Bei dieser Art Stress spielen - anders als beim negativen Distress - das Bindungshormon Oxytocin sowie der Neurotransmitter Dopamin, der vor allem für Belohnung zuständig ist, eine entscheidende Rolle.

Frühlingsgefühle: Es gibt auch positiven Stress.

Frühlingsgefühle: Es gibt auch positiven Stress. © Christin Klose/dpa-tmn

"Auch unter Eustress schläft man wenig und steht unter Strom, aber positive Erwartungen wiegen das negative Stresserleben auf", erklärt Roth-Sackenheim.

Ein weiterer entscheidender Unterschied zum "schlechten" Stress ist: Beim Eustress lässt die Belastung irgendwann nach und der Körper kann wieder runterfahren. "Im gesunden Organismus wechseln sich Phasen von Anspannung und Entspannung über den Tag ab", erklärt Thünker.

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