Tipps gegen fremdenfeindliche Parolen

1.4.2019, 19:40 Uhr

An zwei weißen Bistrotischen stehen sich sechs Personen scheinbar unversöhnlich gegenüber. Drei gegen drei heißt es hier im Tagungsraum direkt unter den Rängen des Max-Morlock-Stadions. Langsam erhitzen sich die Gemüter. "Die Flüchtlinge führen sich hier auf, wenn ich das mal in ihrem Land machen würde . . . Die nehmen uns doch nur die Arbeitsplätze weg . . . Man fühlt sich ja schon fremd im eigenen Land . . ."

Drei der Teilnehmer hauen eine diskriminierende Aussage nach der anderen raus und hüpfen von einem Thema zum nächsten. Ihre Gegner aber sind vergleichsweise ruhig, Gegenargumente kommen nur vereinzelt. Es wirkt so, als wären sie damit beschäftigt, jedes einzelne, fremdenfeindliche Argument erst einzuordnen, eine Antwort darauf zu formen — doch ehe sie reagieren können, fliegt ihnen schon die nächste rassistische Parole entgegen, die sie zwingt, eine neue Antwort zum neuen Thema aufzubauen.

Stumm vor Entsetzen

Diese Gesprächsszene mit den sechs Protagonisten ist gestellt. Keiner von ihnen steht rechtem Gedankengut nahe. Im Gegenteil. Sie folgten einer Einladung der Allianz gegen Rechtsextremismus mit dem Titel "Argumentationstraining gegen Stammtischparolen" und erklärten sich spontan bereit, sich diesem Experiment auszusetzen: Drei schlüpften in die Rolle von Menschen mit eher rechter Gesinnung, während die anderen drei Gegenargumente liefern sollten — und an diesem Auftrag scheiterten.

Es ist nicht einfach, "dumpfen Parolen" die Stirn zu bieten, erklärt Constanze Borckmann, Mitarbeiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern. "Man ist entsetzt darüber, was da kommt, es kann einem die Sprache verschlagen. So etwas passiert in der Kneipe, in der Arbeit, der Straßenbahn, bei Freunden oder selbst in der Familie", sagt sie. Und wenn einem ein passendes Gegenargument einfällt, ist es meist schon zu spät. "Das kommt vielen sogar erst nachts vor dem Einschlafen in den Sinn."

Aber warum hinken die Gegner
den Parolen-Klopfern hinterher? "Die Klopfer ergänzen sich und liefern
sich gegenseitig die Stichwörter. Sie hüpfen eben auch von einem Thema zum nächsten: Erst ist es das Kopftuch, dann sexuelle Übergriffe oder die angebliche Wegnahme von Arbeitsplätzen. Der ständige Wechsel versetzt sie in die Lage, die Situation zu lenken", erklärt die Pädagogin.

Doch da sieht Borckmann auch einen Ansatz, dazwischenzugrätschen. "Holen Sie die Leute wieder zurück, sagen Sie: Bleib doch beim Thema!"

Mit Gesprächspartnern, die auf der gleichen Wellenlänge sind, "kann ich auch Koalitionen bilden, ich kann versuchen, sie zu aktivieren". Oder: Wenn Widersprüche auffallen, solle man sie sofort aufzeigen. "Etwa dann, wenn behauptet wird, dass Migranten Arbeitsplätze wegnehmen und auch gesagt wird, dass sie alle faul seien und Sozialhilfe abgreifen — ja was denn nun, arbeiten sie oder nicht?"

Doch meistens geht es gar nicht um die Parolen-Klopfer, "die lassen sich nicht von Gegenargumenten überzeugen und wollen diese meist gar nicht hören". Es gehe um die schweigende Mehrheit. Borckmann sagt: "Angesichts dieser Mehrheit sollte man rechten Parolen nicht die Bühne überlassen."

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