Der Fall "NSU 2.0"

Wegen Bedrohung und Volksverhetzung: Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen 53-Jährigen

28.10.2021, 11:45 Uhr
Immer wieder hat es Kundgebungen gegeben wie hier in Wiesbaden, auf denen die Teilnehmer die rasche Aufklärung der "NSU 2.0"-Bedrohung forderten.

© Arne Dedert, dpa Immer wieder hat es Kundgebungen gegeben wie hier in Wiesbaden, auf denen die Teilnehmer die rasche Aufklärung der "NSU 2.0"-Bedrohung forderten.

Dem 53 Jahre alten Alexander M. wird unter anderem Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung zur Last gelegt. Die Anklageschrift umfasst 120 Seiten. Der Mann war am 3. Mai in seiner Berliner Wohnung festgenommen worden und befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.

Er soll eine Serie von Drohschreiben verschickt haben, die mit „ NSU 2.0“ unterzeichnet waren in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund ( NSU). Der mutmaßliche Verfasser der Drohbriefe soll zwischen August 2018 und März 2021 insgesamt 116 solcher Schreiben verschickt haben – per E-Mail, Fax oder SMS.

Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie wurden von "NSU 2.0" massiv bedroht.

Die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz und ihre Familie wurden von "NSU 2.0" massiv bedroht. © imago images/photothek/Janine Schmitz

Empfänger war unter anderen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die im NSU-Prozess die Familien der Nürnberger Mordopfer Simsek und Özüdogru vertreten hat. Basay-Yildiz hatte die Bedrohung öffentlich gemacht. Doch auch als sie umgezogen war, erhielt sie an ihrer neuen Adresse, die lediglich der Polizei bekannt war, weitere solcher Schreiben, in denen angedroht wurde, ihrer Familie etwas anzutun.

Auch die Kabarettistin Idil Baydar und die jetzige Linken-Vorsitzende Janine Wissler, ebenso Journalistinnen und Bundestagsabgeordnete wurden bedroht. Der Verfasser verwendete dabei die Grußformel „Heil Hitler“ und nannte sich sich selbst „SS-Obersturmbannführer“.

Die Schreiben enthielten nach Angaben der Anklagebehörde massive verbale Beleidigungen wie „Abfallprodukte“, „Volksschädling“ oder drastische Schimpfwörter gegen Menschen mit türkischen Wurzeln. Gedroht wurde unter anderem mit „Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst“ oder damit, dass Familienangehörige „mit barbarischer sadistischer Härte abgeschlachtet“ würden.

Zur Verstärkung der Drohwirkung soll der Verfasser nicht frei zugängliche Daten der ausschließlich weiblichen Adressatinnen genannt haben. „Nach dem Ergebnis der Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er diese unter Einsatz einer Legende erlangt hat, indem er vorgab, Bediensteter einer Behörde zu sein“, schreibt die Behörde.

 Am 4. November 2011 begingen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Wohnmobil an diesem Ort Selbstmord. Damit flog die Terrorzelle NSU auf. 

 Am 4. November 2011 begingen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem Wohnmobil an diesem Ort Selbstmord. Damit flog die Terrorzelle NSU auf.  © Martin Schutt, dpa

Der Verdacht, Polizeibeamte könnten an der Datenabfrage beteiligt gewesen sein, hat sich laut Staatsanwaltschaft nicht bestätigt.

Dem Mann werden in 67 Fällen folgende Vergehen zur Last gelegt: Beleidigung, versuchte Nötigung, Bedrohung, Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten, Verbreiten von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie ein Verstoß gegen das Waffengesetz.