"Können nicht ersetzt werden"

28.000 Abiturienten weniger: So wirkt sich die Rückkehr zum G9 auf Studium und Ausbildung aus

Erik Thieme

E-Mail zur Autorenseite

4.9.2024, 21:38 Uhr
Vor allem für Ausbildungsbetriebe ist der fehlende Abiturjahrgang ein Problem.

© IMAGO / Olaf Döring / Stefan Zeitz Vor allem für Ausbildungsbetriebe ist der fehlende Abiturjahrgang ein Problem.

Die Rückkehr zum G9 soll Kindern und Jugendlichen unter anderem mehr Zeit zum Lernen geben, gleichzeitig den Nachmittagsunterricht verringern und für weniger Stress sorgen. Auf die Leistung der Schüler hat der Wechsel indes kaum eine Auswirkung. Die schulischen Ergebnisse nach der Oberstufe sind bei G8- und G9-Absolventen sehr ähnlich, lediglich bei den Englischkenntnissen sind die G9 Abiturienten einer Studie zufolge etwas besser.

Ende 2017 verabschiedete sich auch die bayerische Landesregierung vom achtjährigen Gymnasium. Niedersachsen war das erste Bundesland, das die G8-Reform wieder kippte.

Ein Jahrgang fehlt fast vollständig

Das bedeutet, dass dieses Jahr der letzte offizielle G8-Jahrgang in Bayern sein Abitur machen konnte. Dementsprechend ist die erste G9-Generation erst 2025/26 mit den Abschlussprüfungen an der Reihe. Im kommenden Schuljahr gibt es so also nur für Sitzengebliebene, auf ein Gymnasium oder eine FOS gewechselte Realschüler oder anderweitig verzögerte Schüler Abiturprüfungen.

Das bayerische Unterrichtsministerium rechnet mit rund 5000 Absolventen im Schuljahr 2024/25, deutlich weniger als normalerweise. Dieses Jahr machten 33.300 Schüler ihr Abitur in Bayern, nächstes Jahr sind es demnach knapp 28.000 weniger.

Die fehlenden Abiturienten verschlimmern die Situation in der Ausbildung

Vor allem die Ausbildungsunternehmen, die ohnehin schon seit Jahren unter Azubimangel leiden, treffe das zur Unzeit, erklärt der bundespolitische Sprecher der bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK), Hubert Schöffmann, gegenüber der "WirtschaftsWoche". Zuletzt blieben bereits 20 Prozent der Ausbildungsplätze unbesetzt.

Im Bereich der BIHK hatte in der Vergangenheit knapp jeder fünfte Auszubildende ein Abitur. 9000 bayerische Abiturienten fingen im aktuellen Jahr eine Ausbildung an, die "im kommenden Jahr einfach fehlen werden und auch nicht durch andere Potenziale ersetzt werden können", so Schöffmann.

Laut "Statista" hat sich die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Blieben in Bayern 2014 noch rund 10.000 Stellen unbesetzt, waren es 2023 bereits mehr als 20.000. Die Zahl der unvermittelten Bewerber nahm im gleichen Zeitraum immer weiter ab.

Weniger Studienanfänger sind bereits seit Jahren einkalkuliert

Dass im Jahr 2025 deutlich weniger Menschen ihr Abitur in Bayern machen, ist seit der Einführung des G9 die logische Konsequenz. Dementsprechend geht die bayerische Landesregierung auch seit Jahren davon aus, dass im selben Jahr auch deutlich weniger Personen ein Studium in Bayern beginnen werden.

Einer Tabelle der Kultusministerkonferenz kann man die prognostizierten Zahlen für Studienanfänger bis 2035 entnehmen. Bayern kommt im Jahr 2026 der Vorhersage zufolge lediglich auf 54.900 neue Studenten. In den vorherigen Jahren lag die Zahl durchschnittlich immer knapp unter 70.000.

Bayern kann sich weniger Studierende leisten

Für den bayerischen Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) ist das kein Problem. "Auf die Sondersituation des Abiturs 2025 sind wir bestens vorbereitet", sagt er der "WirtschaftsWoche". Trotzdem erwartet Bayern damit immer noch vergleichsweise viele Studenten, nur Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gehen von mehr Studienanfängern aus. Der Freistaat rechnet auch in den kommenden Jahren mit einem Anstieg der Studienanfängerzahlen. Glaubt man der Prognose, sollen es ab 2033 jährlich mehr als 70.000 Neulinge werden.

Die Zahl der Studierenden ist in Bayern seit Mitte der Neunzigerjahre immer weiter angestiegen. Im Wintersemester 1995/96 waren es noch knapp 250.000, während Bayern 2023/24 auf mehr als 400.000 Studenten kommt.

1 Kommentar