Areva platzt fast vor Wachstum in Erlangen
26.09.2007, 00:00 Uhr
Von der alten KWU ist nur noch ein Wegweiser an der B4 geblieben. Die frühere Atomkraftwerksparte von Siemens firmierte bis vor eineinhalb Jahren als Framatome ANP und heißt seit April 2006 Areva NP (Nuclear Power). Die Zentrale der deutschen GmbH sitzt in Erlangen, wo das Unternehmen nach Siemens der zweitgrößte private Arbeitgeber ist. Wie stark das Unternehmen wächst, wird an den aufgereihten Neubauten entlang der Paul-Gossen-Straße sichtbar. 42 Mio. € hat Siemens Real Estate für den Mieter Areva in den Standort-Ausbau investiert.
Büros für 1500 neue Mitarbeiter
Die offizielle Einweihung wird erst in einer Woche stattfinden, doch 150 Ingenieure sind bereits eingezogen. Am Ende sollen 1500 Areva-Mitarbeiter die neuen Büros bezogen haben. Doch schon jetzt ist klar, dass der Platz nicht reichen wird. Fazit: Auf zusätzlich gemietete Räume wird das Unternehmen auch künftig nicht verzichten können.
Der Grund: Weltweit befindet sich die Kernkraft wieder im Aufwind. Den aktuellen Auftragsbestand bezifferte der neue technische Geschäftsführer Christian Hillrichs der deutschen Areva-Tochter auf 2,5 Mrd. €. Und bis zum Jahr 2030 dürften auf Areva NP Aufträge für 60 neue Reaktoren zukommen. «Wir lehnen derzeit Aufträge ab«, erklärt Hillrichs.
Ingenieure aller Disziplinen
Damit das nicht so bleibt, wird kräftig eingestellt: Vor allem Ingenieure aller Disziplinen, aber auch Physiker und Chemiker werden gesucht. Aktuell sind 200 offene Stellen zu besetzen. Nach Jahren der Stagnation war der Kernkraftspezialisten nach 2004 bis heute in Deutschland um rund 1000 Beschäftigte gewachsen, allein in Erlangen sind nun 2400 Areva-Mitarbeiter tätig. Andere Standorte befinden sich in Offenbach, Lingen (Niedersachsen), Duisburg sowie in Karlstein. 2006 erzielte die deutsche Areva NP einen Umsatz von 828 Mio. €, er soll in diesem Jahr stabil bleiben.
Weltweit erwirtschaftet der französische Teilkonzern mit 15500 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,3 Mrd. €. Areva NP errichtet schlüsselfertig Kernkraftwerke und Forschungsreaktoren, sorgt für deren Unterhalt wie Modernisierung und liefert Komponenten. Großprojekte sind derzeit der Bau von Druckwasserreaktoren in Finnland und in der französischen Normandie. Und: «Wir erwarten unmittelbar einen Auftrag aus Asien«, kündigte Hillrichs an. Ferner werde mit Südafrika verhandelt. Auch der US-Markt entwickele sich vielversprechend.
Eigentümer nicht so wichtig
An Areva NP sind der französische Staatskonzern Areva mit 66 Prozent und Siemens mit 34 Prozent beteiligt. Noch jedenfalls. Denn von Anfang an hatten sich die Franzosen eine Option auf die übrigen Anteile gesichert und wollen sie allem Anschein auch ausüben. Zeit haben sie damit bis 2012. Doch die Erlanger scheint dies nicht zu jucken. Im Grunde sei es «egal, wer der Shareholder ist«, sagt Hillrichs. Viel wichtiger sei, «was in Deutschland politisch passiert«. Die Signale von Angela Merkel klängen zumindest ermutigend.
Schließlich brauche die Industrie «eine unterstützende Politik« für Ausfuhrgenehmigungen von Sicherheitstechnik oder Hermes-Deckungen, ergänzte der kaufmännische Geschäftsführer Rüdiger Steuerlein. «Frankreich hat uns sehr genutzt.«
«Mühsam wieder aufbauen«
Demgegenüber habe die rot-grüne Koalition die Geschäftsbasis entzogen - inklusive des akademischen Nachwuchses. Beinahe ein Jahrzehnt lang lagen Kerntechnik-Lehrstühle brach, fehlten interessierte Studenten. Das Feld «müssen wir jetzt wieder mühsam aufbauen«, sagte Hillrichs. Auch wenn es dem jungen Namen Areva noch an Bekanntheit fehle: «Kernenergie-Firmen werden als Arbeitgeber wieder akzeptabel.«