Bargeld: Warum wir Münzen und Scheine brauchen

29.3.2018, 09:09 Uhr
Bargeld: Warum wir Münzen und Scheine brauchen

© Daniel Karmann/dpa

Kennen Sie das? Sie stehen im Supermarkt an der Kasse. Vor ihnen in der Schlange kramt eine Kundin älteren Jahrgangs mit eingeschränkter Fingerfertigkeit in ihrer Geldbörse, um dem Kassierer den gewünschten Betrag für ihre Einkäufe centgenau in die Hand zu drücken. Das dauert dann schon mal ein paar Sekunden.

Kann passieren. Meiner Erfahrung nach spielt sich folgende Szene aber genauso oft ab: Statt der Seniorin steht ein junger Mensch vor mir, öffnet den Geldbeutel, sucht die Fächer ab, angelt dann eine Maestro-Karte heraus, steckt diese falsch herum ins Lesegerät, das obendrein gerade äußerst langsam arbeitet, vertippt sich bei der Geheimzahl - und braucht fürs Bezahlen unter dem Strich genauso lang wie die Seniorin.

Sicherheit der Daten 

Was zeigt das? Das ideale Bezahlverfahren gibt es nicht. Und die Faktoren Zeit und Bequemlichkeit, die in der Bargeld-Debatte gerne angeführt werden, sind ohnehin eher zweitrangige Punkte. Wesentlich tiefer wurzeln andere Aspekte.

Da ist zum Beispiel die Stabilität der Technik - oder besser: deren Lücken. Immer wieder müssen Banken mitteilen, dass ihre Kunden über mehrere Stunden hinweg die Karten nicht zum Bezahlen nutzen konnten. Bisher waren das stets kleinere Pannen.

Was aber passiert, wenn ein Stromausfall großen Ausmaßes, ausgelöst durch wen oder was auch immer, das elektronische Bezahlsystem über längere Dauer lahmlegt? Glücklich kann sich in diesen Fällen jeder schätzen, der auch Bares einstecken hat. Das funktioniert auch ohne Strom.

Darüber hinaus  - und das ist eine ganz zentrale Frage - geht es um die Sicherheit der Daten. Denn wer digital - also mit Karte, Paypal & Co. bezahlt - hinterlässt Spuren. Jeder noch so kleine Einkauf wird dokumentiert. Der Kunde wird damit gläsern - ein Albtraum für viele Verbraucher. Und das Paradies für Unternehmen. Denn diese wissen genau, welche Interessen der jeweilige Konsument hat und können diese mit passgenauer Werbung ansprechen. Dieses Wissen ist viel wert in der Wirtschaft.

Nichts zu verbergen?

"Ist mir egal, ich habe nichts zu verbergen", denkt sich da mancher. Das mag schon stimmen. Dennoch möchte nicht jeder die Kontrolle über sein Konsumverhalten aus der Hand geben.

Hier kommt ein weiterer Vorteil des Bargelds zum Tragen: Es ist absolut anonym. Was wiederum die Zehennägel einiger Sicherheitsleute zum Kräuseln bringt. Genau wegen dieser Anonymität könnten sich organisierte Kriminalität und Steuerhinterziehung so prächtig halten, meinen diese. Kein Bargeld, keine Verbrechen mehr? Wenn das mal nicht arg simpel gedacht ist. Zumal: Auch von einem Küchenmesser gehen Risiken aus. Man kann sich die Fingerkuppe absäbeln oder man kann - auch das ist möglich - das Instrument als Mordwaffe nutzen. Fordert nun jemand ernsthaft, Küchenmesser zu verbieten?

Digitale Zahlungen spielen eine wichtige Rolle in einer immer digitaleren Welt. Der Trend zum bargeldlosen Geschäftsverkehr wird sich fortsetzen. Er darf aber nicht zur einzigen Möglichkeit werden. Und manche Argumente, die die Befürworter der digitalen Zahlungen - also zum Beispiel die Kartenanbieter - anführen, verlieren bei genauer Betrachtung an Überzeugungskraft.

Bakterien machen Lobbyarbeit

Zum Beispiel die regelmäßigen Verweise auf skandinavische Länder, die ohne Münzen und Scheine angeblich so glücklich sind: Klar, bevor ich als schwedischer Landbewohner jedes Mal 50 Kilometer zum nächsten Automaten fahre, um mich mit Scheinen zu versorgen, begleiche ich die Rechnungen lieber digital. In Deutschland aber ist das Netz der Geldautomaten zum Glück noch sehr dicht.

Auch der Verweis auf die Heerscharen von Bakterien, die das Bargeld belagern, ist vor allem ein Marketing-mittel der Bargeldlos-Lobbyisten. Oder sind die Eingabegeräte für die Geheimzahl etwa keimfrei?

So sinnvoll bargeldlose Zahlungen oft sind, so berechtigt bleiben Münzen und Scheine. Denn Bargeld ist auch dies: ein Stück Freiheit.


Was denken Sie? Hängen Sie am Bargeld - oder finden Sie es in der digitalen Welt eigentlich überflüssig? 

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