Der Konzern mit dem Gewissen

16.4.2020, 19:36 Uhr
Der Konzern mit dem Gewissen

© Foto: Hemmersbach Rhino Force

Alles begann mit einem Zufall und einem C 64. Als Ralph Koczwara Anfang der 1990er Jahre noch die Schulbank im Hans-Sachs-Gymnasium Nürnberg drückte, stand eines Nachmittags ein kleiner Junge vor ihm und fragte, ob er vielleicht wüsste, wie man seinen Computer, den legendären Commodore C 64, wieder zum Laufen kriegen würde. Koczwara kriegte es hin, und als er fertig war, kam der Junge in Begleitung seines Vaters zum Abholen des Geräts.

Wie sich herausstellte, war dieser Mann der Niederlassungsleiter der Firma Digital Equipment aus Thon, "ein Dinosaurier der frühen IT-Branche", schildert Koczwara. Und der suchte Personal. Das war, wenn man so will, die Geburtsstunde jenes Unternehmens mit 4000 Angestellten, dessen CEO Koczwara heute ist. "Am Ende", sagt der heute 43-Jährige, "gehört immer auch massiv Glück dazu. Blut, Schweiß, Tränen und harte Arbeit, keine Frage. Aber eben auch Glück."

Zusammen mit seinem besten Freund Darius Stanczyk begann Koczwara noch als Schüler, im Außendienst für große IT-Konzerne zu arbeiten. Zunächst in Franken, dann in ganz Bayern, wenig später im gesamten süddeutschen Raum. Dabei lernte er, wie solche Unternehmen ticken, was sie brauchen, um reibungslos zu funktionieren und was sie stark macht. 1996 machte Koczwara sein Abitur und entschied sich gegen ein Studium – er und sein Partner, den er als "mein Komplementär" bezeichnet, waren in der Geschäftswelt bereits zu erfolgreich, um das aufs Spiel zu setzen. "Im Jahr 2000 haben wir vom Metro-Konzern die Marke Hemmersbach erworben. Dadurch konnten wir bundesweit als IT-Dienstleister auftreten und haben uns Ticket für Ticket, Anruf für Anruf nach oben gearbeitet."

 

"Ist das der Sinn des Lebens?"

 

Der Konzern mit dem Gewissen

© Foto: Hemmersbach Rhino Force

 Die fortschreitende Digitalisierung hat Hemmersbach einen ordentlichen Schub verpasst. Heute unterhält die Firma Außenstellen in 40 Ländern. Bald sollen es 50 sein. Das Erfolgsgeheimnis? "Wir kümmern uns darum, dass die Anwender in international aufgestellten Firmen jederzeit arbeiten können, das heißt wir stellen IT-Systeme bereit und schauen, dass sie fehlerfrei laufen. Und wir entstören weltweit innerhalb von 24 Stunden, wenn’s mal klemmt", erklärt der Nürnberger. Dieses Businessmodell bringt es mit sich, dass die Belegschaft international aufgestellt ist. Die Geschäftssprache ist Englisch, "allein am Standort Nürnberg arbeiten Menschen aus 36 Nationen".

Das ist die eine Facette dieses hidden champions. Doch eines Tages saß Koczwara, der über Jahre hinweg von Erfolg zu Erfolg geeilt war, an seinem Schreibtisch und fragte sich: "Ist ein tolles Unternehmen der eigentliche Sinn des Lebens? Wie können wir unsere Fähigkeiten einer guten Sache zur Verfügung stellen?" Die Antwort darauf sollte er erhalten, als er sich in Südafrika aufhielt. Dort traf er auf einen Ranger, der ihm von den "Rhino-Wars" berichtete. Kriminelle bieten horrende Summen für das Horn von Nashörnern, das in gemahlener Form in Asien als Potenzmittel gilt. Und so ziehen schwer bewaffnete Wilderer durch die Steppe und schießen Nashörner ab, die unter Schutz stehen, weil sie vom Aussterben bedroht sind.

Der Nürnberger Unternehmer sah seinen Moment gekommen. "Okay, sag mir, was ihr braucht, wir stellen das ab", sagte er dem verblüfften Ranger. Wenig später reiste Koczwara, der Kriegsdienstverweigerer, auf die größte Waffenmesse der Welt, kaufte ein und gründete eine Einheit namens Rhino Force. Seit 2016 gilt die Truppe als angesehenste Antiwilderer-Eliteeinheit in Afrika.

"Früher lief eine Handvoll schlecht bezahlter Ranger mit analogen Funkgeräten durch den Busch, waren den Nashornjägern in allen Belangen hoffnungslos unterlegen", erklärt Koczwara. Heute müssen Wilderer richtig aufpassen: 2019 vermeldete die Rhino Force 90 Verhaftungen in Südafrika. Mittlerweile sind die Hemmersbach-Ranger auch in Simbabwe aktiv. Daneben baut das Unternehmen eine Nashorn-Spermienbank auf, um Aufzuchtprogramme zu unterstützen.

Gelegentlich wurde Koczwara auf die Rolle "Deutscher IT-Guru leistet sich Privatarmee in Afrika" reduziert – das beschreibt ihn nicht annähernd. Die Rhino Force war lediglich das erste Glied in einer Kette, die bei Hemmersbach "direct action" heißt. 20 Prozent des Gewinns seiner Firma steckt er heute in Hilfsprojekte.

 

Polens Waisenheime im Blick

 

Der Konzern mit dem Gewissen

© Foto: Shivam Thakur/Hemmersbach

 In Simbabwe etwa gibt es ein Projekt zu "social empowerment" für unterprivilegierte Frauen, die Marara-Ladies (deutsch: "Müllfrauen"). Koczwara und sein Team sorgten dafür, dass diese Frauen Strukturen entwickelten, um einen sozialen Aufstieg zu schaffen: Heute sammeln sie nicht nur Müll, sondern sortieren und verkaufen ihn an Recyclingfirmen – dank neu erworbenen Knowhows aus Deutschland. Nach dem Erfolg von Rhino Force startete Hemmersbach die zweite Projektschiene, Kids’ Family. Unter diesem Dach entsteht derzeit im indischen Bangalore, wo Hemmersbach eine Niederlassung hat, ein Dorf für 500 Waisen- und Straßenkinder. Außerdem kümmert sich der Konzern um eine verbesserte Versorgung der dortigen Slums mit Trinkwasser.

Doch so weit muss man gar nicht fliegen, um Kids’ Family in Aktion zu sehen: Koczwara hat den ehrgeizigen Plan, alle Waisenheime in Polen zu übernehmen, "wo zum Teil desaströse Zustände herrschen, und das in einem EU-Staat". 2500 Kinder hat die Firma dort bereits unter ihre Fittiche genommen.

Koczwara sagt, dass er durch solche Aktivitäten in den letzten drei Jahren mehr schöne Dinge erlebt habe als in all seinen Lebensjahren zuvor. Für seine Projekte nimmt er keine Spenden an, das benötigte Geld kommt zu 100 Prozent von der Hemmersbachfamilie. "Unser Engagement gibt uns unheimlich Sinn und Freude", resümiert er, "direct action ist heute die eigentliche Motivation hinter unserem Unternehmen." Warum nicht auch andere Firmen diesem Beispiel folgen, kann er nicht recht verstehen. "Deren Angestellte arbeiten allein für die Shareholder. Unsere Mitarbeiter wissen, dass sie die Welt ein wenig besser machen mit dem, was sie tun."

 

Knowhow aus Franken für die ganze Welt

In 20 Jahren zum Global Player

 

 

CEO Ralph Koczwara (43) war schon kurz nach seinem Abitur als Dienstleister für die IT-Branche in Süddeutschland unterwegs. Im Jahr 2000 kaufte er die damals bereits etablierte Marke Hemmersbach, um gewisse Dienstleistungen als Zulieferer der IT-Industrie deutschlandweit anbieten zu können.

 

Das Geschäft florierte, sieben Jahre später wurde die erste Filiale im Ausland eröffnet, und zwar in Breslau (Polen). Das war der Beginn der Internationalisierung des Unternehmens. Inzwischen ist Hemmersbach mit 40 Landesniederlassungen in fünf Kontinenten vertreten. Und die Firma will weiter expandieren. Noch in diesem Jahr soll die Zahl eigener Niederlassungen im Ausland auf 50 steigen.

 

Der Erfolg von Hemmersbach fußt nicht zuletzt auf einem Abo-Modell, das sehr gut ankommt: Hardware, Software und technischer Support kommen dabei aus einer Hand; bezahlt wird nur das, was auch genutzt wird. Somit sorgt Hemmersbach laut eigenen Angaben "für permanente Arbeitsfähigkeit der Anwender. Unsere Techniker erreichen in 190 Ländern der Erde jeden Einsatzort innerhalb von vier Stunden, um IT-Geräte zu installieren, reparieren oder abzubauen."

 

Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Nürnberg und hat im Jahr 2019 einen Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro generiert. Die Zahl der fest angestellten Mitarbeiter liegt mittlerweile bei über 4000.

 

20 Prozent des Gewinns fließen in humanitäre Projekte: Die Hemmersbach Rhino Force ist eine in Afrika tätige Naturschutzorganisation, die Nashörner vor dem Aussterben bewahren will. Hemmersbach Kids’ Family hilft Kindern auf der ganzen Welt, die unter schlechten Bedingungen leben.

Keine Kommentare