Großbaustelle Wohnungsmarkt

Der Neubau bricht ein, die Mieten steigen: Die Ampel muss endlich beherzt handeln - und zwar schnell

Verena Litz

Leiterin Redaktion Politik und Wirtschaft

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18.8.2023, 11:00 Uhr
Bauen ist wegen der rasanten Preissteigerungen und stetig verschärfter Vorschriften extrem teuer geworden. 

© Thomas Banneyer, dpa Bauen ist wegen der rasanten Preissteigerungen und stetig verschärfter Vorschriften extrem teuer geworden. 

Die Kunden der insolventen Nürnberger Project-Immobiliengesellschaften erleben gerade einen Albtraum: Ob und wie es mit ihren nicht einmal halbfertigen Wohnungen weitergeht, ist offen – den Käufern droht im schlimmsten Fall ein finanzielles Desaster. Die Insolvenz wirft aber auch ein Schlaglicht auf die Malaise in der Bau-, Immobilien- und Wohnungswirtschaft. Und die ist extrem vielschichtig.

Dass es in Deutschland und auch in unserer Region dort, wo sie vor allem gebraucht werden, zu wenig Mietwohnungen für Menschen mit kleinem Geldbeutel gibt, das ist alles andere als eine Neuigkeit. Dennoch geschieht seit Jahren viel zu wenig, um dieses Problem zu lösen, das immensen sozialen Sprengstoff birgt.

Baukosten auf Höhenflug

Mit den drastisch gestiegenen Baukosten im Zuge gestörter Lieferketten und des Angriffskriegs gegen die Ukraine hat sich die Lage weiter verschärft. Und das nicht nur für diejenigen, die bezahlbaren Wohnraum für Einkommensschwächere schaffen wollen, sondern auch im höherpreisigen Immobiliensegment, wie die aktuellen Project-Insolvenzen zeigen: "Ein wichtiger Grund für die Insolvenz sind die enorm gestiegenen Baukosten infolge des Ukrainekrieges. Dabei war es nicht möglich, diese Kostensteigerungen an die Kunden weiterzugeben", hatten die vorläufigen Insolvenzverwalter mitgeteilt.

Bauen war hierzulande – egal, in welchem Segment – allerdings auch vorher schon eine teure Angelegenheit. Was nicht zuletzt an den Grundstückskosten, aber auch an den vielen Vorgaben und technischen Vorschriften liegt. Das alles schlägt auf die Mieten durch. Menschen mit wenig Geld und selbst Normalverdiener haben da immer öfter das Nachsehen. Wie prekär die Lage ist, zeigt die Entwicklung bei den Sozialwohnungen: Heute gibt es in Deutschland davon noch rund 1,1 Millionen, 2010 waren es noch knapp 1,7 Millionen. Die Politik hat diesen Rückgang sehenden Auges zugelassen.

Ampel-Koalition muss gegensteuern

Der jetzt zu beobachtende Einbruch der Baukonjunktur verschärft die Lage weiter, und das nicht nur akut: Bauprojekte brauchen Zeit, fehlende Aufträge jetzt bedeuten schnell eine lange Dürreperiode, sprich: einen anhaltenden Mangel auf dem Mietwohnungsmarkt. Das alles wiederum führt letztlich zu weiter steigenden Mieten. Erst recht dort, wo die Nachfrage zunimmt, also in den wachsenden Städten und Kommunen.

Die Ampel-Koalition in Berlin, aber auch die Landesregierung muss endlich konsequent gegensteuern. Das bedeutet: den Wohnungsbau dauerhaft stärker fördern, den Normen- und Regeln-Dschungel lichten und jede neue Vorgabe vorab auf Machbarkeit und Konsequenzen hin prüfen – und dann entsprechend handeln.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat derweil eine Chance entdeckt: Durch die Neubau-Krise gebe es mehr Kapazitäten für die - auch politisch gewollte - energetische Gebäudesanierung. Ob diese Rechnung so einfach aufgeht?

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