Dieselskandal: Wie Audis Selbstreinigungskräfte versagen

31.7.2019, 14:52 Uhr
Ex-Audi-Vorstandschef Rupert Stadler wird sich wahrscheinlich vor dem Landgericht München II verantworten müssen.

© CHRISTOF STACHE, AFP Ex-Audi-Vorstandschef Rupert Stadler wird sich wahrscheinlich vor dem Landgericht München II verantworten müssen.

Die Anklage, die am Mittwoch bekannt wurde, ist nicht von Pappe: Betrug, mittelbare Falschbeurkundung und strafbare Werbung. Und dabei geht es nicht um eine Schrottmühle, die ein windiger Gebrauchtwagenhändler einem gutgläubigen Kunden angedreht hat, sondern um sage und schreibe insgesamt 434.420 fabrikneue Fahrzeuge der Marken Audi, VW und Porsche, die vor allem in Europa und den USA abgesetzt wurden, aber die ihnen bescheinigten Abgaswerte nicht einhielten. Man könnte sagen: Betrug im großen Stil.

Ob Stadler, der ehemalige Manager Wolfgang Hatz und zwei weitere führende Techniker schuldig sind, wird sich erst nach einem vermutlich langen aufwendigen Prozess erweisen. Was man aber schon jetzt sagen kann, ist, dass das Unternehmen bei der Aufklärung der so genannten Diesel-Affäre eine ganz schlechte Figur gemacht hat. Es wurde zwar immer wieder betont, dass man die Umstände, die zur "Dieselkrise" geführt haben, vollständig aufklären wolle, doch wirklich aufgeklärt hat die Staatsanwaltschaft und nicht das Unternehmen.

Letzteres räumte - wenn überhaupt - immer nur ein, was ohnehin bekannt geworden war und ansonsten wurde konsequent gemauert, gerne unter Verweis auf die "staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen". Als ob diese daran hindern würden, mit der Wahrheit herauszurücken. Man erinnert sich an etliche turbulente Audi-Hauptversammlungen, auf denen bohrende Fragen der Minderheitenaktionäre immer wieder lapidar abgeschmettert wurden.

"Erhebliche kriminelle Energie"

Mit dem Verzicht auf eine überzeugende Aufklärungsstrategie hat Audi selbst den größtmöglichen Schaden angerichtet. Einen saftigen Bußgeldbescheid über 800 Millionen Euro hat die VW-Tochter schon an die Staatskasse überweisen müssen und jetzt steht ihr vermutlich ein langer öffentlicher Prozess bevor, in dem sehr unschöne Details zum Vorschein kommen könnten, zumal die zwei angeklagten Ingenieure angeblich als eine Art Kronzeugen gegen Stadler und Hatz in Stellung gebracht werden sollen. Eine Kostprobe davon hat unter anderem der Spiegel in in Hintergrundberichten schon zum Besten gegeben. Außerdem steht der Premium-Fahrzeughersteller als hartnäckiger Vertuschungsverein da, auch zu Lasten Zehntausender unbescholtener Mitarbeiter. Falls es zutrifft, dass der Betrug erst im Jahr 2018, zwei Jahre nach Bekanntwerden des Abgasskandals, beendet wurde, wäre das allein schon ein starkes Stück und würde erhebliche kriminelle Energie belegen, wie die Strafrechtler sagen.

Alles unter dem Vorbehalt, dass die Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München II die Anklage auch zur Verhandlung zulässt. Doch das ist sehr wahrscheinlich. Über mehr als 434.000 manipulierte Fahrzeuge hinweg zu gehen, wäre schwer vermittelbar, moralisch wie juristisch.

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