Droht Siemens in Erlangen noch größerer Stellenabbau?

16.9.2018, 05:55 Uhr

In der Kraftwerkssparte des Konzerns kriselt es gewaltig. © Siemens PG

Im November des vergangenen Jahres wurde traurige Gewissheit, was viele Siemensianer insgeheim schon länger befürchtet hatten: Konzern-Personalchefin Janina Kugel kündigte an, dass im Energiesektor weltweit 6900 Stellen abgebaut, mit Görlitz und Leipzig mindestens zwei Werke in Deutschland dichtgemacht und erstmals auch betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr ausgeschlossen werden.

Über 200 Erlanger Siemensianer betroffen

In Erlangen sollten dabei 124 Stellen wegfallen. Und zusätzlich hätten in der Hugenottenstadt noch 140 Mitarbeiter Kollegen aus Offenbach Platz machen müssen, weil der hessische Standort den Mittelfranken zugeschlagen werden sollte – zusammen wären es also knapp über 260 Erlanger Siemensianer, die ihren Arbeitsplatz verlieren sollten.

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Es hagelte bundesweit massive Proteste gegen die Stellen- und Standortpläne, insbesondere in Ostdeutschland. Kaeser sah sich schließlich im Frühjahr 2018 gezwungen, dem Druck nachzugeben und die angekündigten Schließungen zurückzunehmen.

Was für die ostdeutschen Werke ein Segen war, das könnte für Erlangen zum Fluch werden. Weil Kaeser nämlich gleichzeitig am erklärten Einsparvolumen in der Größenordnung eines dreistelligen Millionenbetrages festhalten will, muss der Verzicht auf die Schließung der Standorte Görlitz und Leipzig zwangsläufig zulasten der anderen Standorte der Kraftwerkssparte gehen.

Wachsende Sorgen 

Obwohl Erlangen von allen deutschen Standorten der Krisensparte "Power and Gas" (PG) sicherlich nicht am stärksten betroffen sein wird, blickt man am Standort an der Freyerslebenstraße doch mit wachsenden Sorgen auf das wohl unmittelbar bevorstehende Ende der Verhandlungen zwischen Konzernleitung und Arbeitnehmerseite über Interessenausgleich und Sozialplan. "Wir rechnen mit einem Abschluss bis Geschäftsjahresende", erklärte gestern ein Siemens-Sprecher auf Anfrage – das wäre bis spätestens Ende des Monats. Zahlen und Standortdetails würden gerade in den Verhandlungen besprochen, "das werden wir dann nach Abschluss kommunizieren", gibt sich der Sprecher bedeckt.

Der zuständige Betriebsratsvorsitzende Manfred Bäreis hat schon Mitte des Jahres Befürchtungen geäußert, dass sich die geplante Abbauzahl für Erlangen – die genannten rund 260 – deutlich erhöhen könnte. Die Befürchtungen bekamen jetzt zusätzlich Nahrung durch die zuletzt bekanntgegebenen Geschäftszahlen. Bei der Ergebnisvorlage für das dritte Quartal machte Finanzvorstand Ralf Thomas noch einmal unmissverständlich klar, dass sich an der Notwendigkeit, in der Kraftwerkssparte angesichts des zum Teil dramatischen Nachfrageeinbruchs massive Einsparungen vorzunehmen, nichts geändert hat.

Tief noch nicht erreicht

Im Gegenteil: "Wir können keine Erholung des Marktes sehen, der von Überkapazitäten, Preisrückgängen und Unterauslastung geprägt ist", erklärte Thomas. Die Zukunft dieses Bereiches hänge auch davon ab, "wie schnell wir die Kosten in den Griff bekommen", das sei keine Sache von ein, zwei Quartalen, das Tief sei noch immer nicht erreicht. Allein zwischen April und Juni 2018 brachen die Umsätze im Krisenbereich PG um ein Fünftel auf drei Mrd. Ã ein, das Quartalsergebnis halbierte sich.

Damit verschärft sich die Situation für die PG-Standorte weiter. Unter dem Strich könnte das für Erlangen erhebliche zusätzliche Einschnitte bedeuten. Unter den Beschäftigten am Standort in der Freyerslebenstraße kursieren derzeit immer neue Zahlen – sie reichen von 100 zusätzlichen Arbeitsplätze, die eingespart werden sollen, bis hin zu einer Verdoppelung der ursprünglich geplanten Stelleneinsparungen.

"Das ist unrealistisch"

Betriebsratschef Bäreis selbst hält sich bedeckt und nennt auf Nachfrage keine konkreten Zahlen. Er erklärt aber dafür umso klarer, "die Einsparungen haben Grenzen". Alles, was weit über die ursprünglich geplanten 264 Stellen hinaus gehe, sei sozialverträglich nicht in der geforderten Zeit abbaubar – "das ist einfach unrealistisch", so Bäreis, das könne er im Interesse der Belegschaft nicht verantworten.

Wenn es wirtschaftlich schon notwendig sei, mehr Stellen zu streichen, dann müsse dies über einen längeren Zeitraum gestreckt werden, fordert der Arbeitnehmervertreter. Mit Blick auf andere Siemens-Bereiche, in denen das in der Vergangenheit so praktiziert worden sein, habe sich gezeigt, dass sich ein "notwendiger Abbau in mehreren Stufen durchaus bewährt hat – sofern nach der ersten Stufe die wirtschaftliche Situation eine weitere Personalanpassung überhaupt noch erfordert".