Ein Steckbrief für jedes Brötchen
19.1.2013, 00:00 Uhr
Auch nach langem Blättern in den Unterlagen konnte die Verkäuferin in der Bäckerei die Frage der Kundin nicht beantworten: „Enthalten die Dinkel-Brötchen Weißmehl?“, hatte diese mit Blick auf ihre abgestimmte Ernährung wissen wollen. Eine Antwort bekam sie nicht.
Das wird sich bald ändern müssen. Denn Ende 2014 zündet die zweite Stufe der EU-Verordnung zur Kennzeichnung von Lebensmitteln. Schon jetzt muss verpackte Ware alle Inhaltsstoffe, vor allem aber bekannte Allergene, exakt auflisten. Im nächsten Jahr sind dann auch unverpackte Produkte wie Brötchen, Brot, Käse, Obst oder Fisch dran.
„Das bedeutet für uns einen großen bürokratischen Aufwand“, sagt Michael Peschke, Geschäftsführer des Deutschen Konditorenbundes. Denn die Informationen sollen schriftlich ausliegen. Wie das bei einem Dessert, für das ein Konditor bis zu 30 Zutaten verwendet, die auch noch täglich wechseln können, funktionieren wird, weiß derzeit noch niemand.
Restaurant- und Gaststätten-Besitzer klagen ebenfalls über einen aus ihrer Sicht „unverhältnismäßig hohen“ Aufwand, denn sie müssten detaillierte Listen mit Zusatzstoffen jeden Tag neu anfertigen. „Ich bin Koch und kein Büro-Hengst“, wehrt sich der Inhaber eines bekannten Kölner Betriebes.
Der Widerstand gegen die Brüsseler Richtlinie 1169/2011 trifft mit den EU-Beamten jedoch die Falschen. Denn im ursprünglichen Papier ist von derart komplizierten Bestimmungen nichts zu finden. Renate Sommer, CDU-Europa-Abgeordnete und seit Jahren mit dem Dossier befasst: „Mit Rücksicht auf die besondere Situation des Handwerks wurden Lebensmittelhersteller und die Gastronomie von der generellen Kennzeichnung aller Zusatzstoffe ausgenommen.“
Deutschland sattelt drauf
Lediglich die bekannten Allergene sollten deutlich gemacht werden. Dazu gehören, so Sommer, beispielsweise Glukosesirup, Eier, Fischgelatine, Mandeln, Soja und Milch. Bestimmungen zu Gluten würden noch folgen. „Wie die Information an den Verbraucher kommt, können die Mitgliedstaaten festlegen.“
Tatsächlich würde es laut EU-Beschluss reichen, wenn Bäcker, Konditoren und Gaststätten dem Kunden auf Nachfrage die genaue Zusammensetzung des Produktes nennen können. Sommer: „Das ist eine sehr praktikable Lösung.“ Von Aushängen, Flyern oder gar einer umfangreichen Kladde ist nicht die Rede. Die Forderung nach schriftlicher Information stammt denn auch nicht aus Brüssel, sondern aus dem von Ilse Aigner (CSU) geführten Bundesministerium für Verbraucherschutz. Deutschland sattelt freiwillig drauf.
In Brüssel widmet man sich derweil schon den nächsten Schritten. Im Dienste der Transparenz wird derzeit geprüft, ob Wasser eigentlich eine flüchtige Zutat ist, die ebenfalls gekennzeichnet werden muss. Hintergrund sind tiefgefrorene amerikanische Hähnchen, die eben mit Wasser angereichert wurden. Das sollte der Kunde wissen, weil sich das Gesamtgewicht des Produktes ändert, so das Argument.
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