Fall Wirecard: Warum Leerverkäufer auch mal Lob verdienen

22.4.2021, 15:39 Uhr
Finanzminister Olaf Scholz im Untersuchungsausschuss: Er setzte sich erst auf seinen Zeugenstuhl, als die Fotografen den Raum verlassen hatten. Kanzlerkandidat im Zeugenstand, diese Bilder wollte er offenbar nicht sehen.

© KAY NIETFELD, AFP Finanzminister Olaf Scholz im Untersuchungsausschuss: Er setzte sich erst auf seinen Zeugenstuhl, als die Fotografen den Raum verlassen hatten. Kanzlerkandidat im Zeugenstand, diese Bilder wollte er offenbar nicht sehen.

Es waren Leerverkäufer, denen mit als erstes aufgefallen war, dass da etwas faul sein muss in der Bilanz des Dax-Aufsteigers. Doch statt genauer hinzusehen, reagierte die Börsenaufsicht Bafin auf die Berichte von den Wetten gegen Wirecard damit, die Leerverkäufe zu untersagen. Ein historisch einmaliger, in der Rückschau fataler Schritt.

Noch dazu einer, der genau in die Lesart der Wirecard-Führung passte: Da sei eine Verschwörung von Spekulanten im Gange, die ein deutsches Spitzenunternehmen in die Knie zwingen wollten, hieß es bis zum bitteren Ende aus Aschheim.


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Die Frage nach Mitschuld und Mitverantwortung muss deshalb zwingend an dieser Stelle beginnen – auch wenn das Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Untersuchungsausschuss noch so von sich weisen mag. Die Ausrede, es habe sich halt um eine Firma "mit hoher krimineller Energie“ gehandelt, mag man einem Kommunalbeamten im Falle eines zwielichtigen Wettbüros noch abnehmen, nicht aber dem obersten Dienstherrn der Finanzaufsicht über ein Dax-Unternehmen.

Richtig ist gleichwohl: Enden darf die Suche nach Antworten nicht bei der Bankenaufsicht. Denn mindestens zwei weitere Kontrollinstanzen versagten. Wirecard-Vorstandschef Markus Braun konnte stets in dem Wissen agieren, dass ihn der Aufsichtsrat nicht belästigen würde – denn er, Braun, war ja schließlich Großaktionär, was er seine vermeintlichen Kontrolleure spüren ließ.

Bloß keinen Kunden verprellen

Und da waren, zweitens, die Wirtschaftsprüfer, die der Bilanz von Wirecard Jahr für Jahr den Stempel erteilten – man wollte es sich im Kampf um Renommee und Millionenaufträge ja nicht mit einem der wichtigsten Kunden verscherzen. Die gute Nachricht: Die Risiken, dass sich das wiederholt, lassen sich mit Reformen hin zu einer unabhängigen Kontrolle von Vorstand und Zahlen mindern.


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Die schlechte: Dem Herdentrieb an der Börse, dem gerade viele Kleinanleger erliegen, werden solche Reformen kaum beikommen. Steigen die Kurse rasant, wächst der Druck, selbst mitzuverdienen.

Mahnende Stimmen werden dann oft als Angriff auf die eigene Finanzstrategie und die eigene Person missverstanden. Bis zum nächsten Fall Wirecard ist es deshalb wohl nur eine Frage der Zeit.

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