Gesunde Pommes? Der Nutri-Score verwirrt die Verbraucher

12.3.2021, 12:58 Uhr
Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung, Julia Klöckner, hat im November die Nutri-Score Nährwertkennzeichnung offiziell eingeführt.  

© imago images/Emmanuele Contini Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung, Julia Klöckner, hat im November die Nutri-Score Nährwertkennzeichnung offiziell eingeführt.  

Ist eine Schokomilch wirklich gesünder als eine Mandelmilch, fragte sich eine Leserin. Der Nutri-Score, eine neue Nährwertkennzeichnung, die mit Farben und Buchstaben einen schnellen Überblick darüber verschaffen soll, wie gesund bestimmte Lebensmittel sind, zeigt nämlich bei einer Schokomilch ein grünes "A" - also die beste Bewertung - die Mandelmilch hat dagegen nur ein "B". "Ich verstehe, dass Verbraucher beim Nutri-Score manchmal irritiert sind", sagt Daniela Krehl, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale in Bayern.


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Der Nutri-Score biete eine Gesamtbewertung des Produktes. "Problematische Bestandteile wie Salz, gesättigte Fettsäuren oder Zucker werden mit günstigen Bestandteilen wie Gemüse, Obst oder Ballaststoffen gegengerechnet", erklärt sie. Wenn zum Beispiel eine Schokomilch Hafer als Basis hat, aus reinem Kakao besteht und ungesüßt ist, dann kann es sein, dass das Produkt ein "A" bekommt. Auch auf Pommes ist teilweise ein "A" aufgedruckt. "Pommes bestehen aus Gemüse und wenn die gesättigten Fettsäuren deutlich reduziert sind und hochwertige Pflanzenöle verwendet werden, dann ist eine solche Bewertung durchaus möglich", sagt Krehl.

Vergleichbarkeit nur innerhalb einer Produktgruppe

Wichtig für die Verbraucher sei jedoch, dass der Nutri-Score immer nur eine Vergleichbarkeit innerhalb einer Produktgruppe bietet. "Hat der Kunde die Wahl zwischen zehn verschiedenen Pommes-Packungen, dann sind die "A"-Pommes die besten. Aber "A"-Pommes sind nicht besser als der "C"-Apfelsaft", erklärt die Ernährungsexpertin.

Aus ihrer Sicht ist der Nutri-Score, der im Herbst vergangenen Jahres auch in Deutschland offiziell eingeführt worden ist, ein richtiger Schritt. "Es ist ein einfaches, verständliche Label, aber es ist noch ausbaufähig, Mineralstoffe und Vitamine werden zum Beispiel überhaupt nicht berücksichtigt", sagt Krehl. Außerdem fordern die Verbraucherschützer, dass der Nutri-Score zur Pflicht wird. Bisher ist die Kennzeichnung freiwillig.

"Eine verpflichtende Einführung eines erweiterten Nährwertkennzeichen (also auch Nutri-Score) ist nach geltendem EU-Recht nicht möglich. Auch in Frankreich oder Belgien ist der Nutri-Score dementsprechend nicht verpflichtend, ebenso wenig wie etwa das Keyhole-System in Skandinavien", erklärt das Bundeslandwirtschaftsministerium und fügt hinzu: "Die EU-Kommission ist aufgefordert, für das vierte Quartal 2022 einen Rechtsakt-Entwurf für eine verpflichtende erweiterte Nährwertkennzeichnung vorzulegen." Es sei jedoch noch nicht klar, welches Modell es werden wird. "Ein EU-einheitliches Modell wäre aber ein riesiger Schritt", äußert sich eine Sprecherin des Ministeriums.

Nutella oder Coca Cola hätten laut Verbraucherzentrale ein "E"

Laut Bundeslandwirtschaftsministerium nutzen in Deutschland aktuell 166 Unternehmen mit 236 Marken den Nutri-Score. Hersteller, die sich beteiligen, müssen diesen immer auf die Produkte einer kompletten Marke drucken. "Nestlé kann zum Beispiel entweder alle Wagner-Produkte oder keines mit dem Nutri-Score kennzeichnen", erläutert Krehl.

Immer mehr Discounter würden inzwischen auf ihre Eigenmarken die Nährwertkennzeichnung drucken. Auch die Rewe Group, zu der Rewe und Penny gehören, will mit Hilfe des Nutri-Score eine Orientierungsmöglichkeit für Verbraucher schaffen. "Die Anzahl der Nutri-Score Produkte steigt kontinuierlich", teilt das Unternehmen mit. Wie viele davon mit "E" - der schlechtesten Bewertung - gekennzeichnet sind und wie sich das ganze auf das Einkaufsverhalten auswirkt, dazu wollte sich die Rewe Group nicht äußern.


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Da das Label freiwillig ist, gibt es laut Verbraucherzentrale nur wenige Produkte mit einem "E". "Das Süßigkeitenregal wäre aber voll damit", sagt Krehl. So hätte nach einer Berechnung der Verbraucherzentrale unter anderem Nutella oder auch Coca Cola ein "E". Da sich die Hersteller mit diesen Marken aber nicht beteiligen, findet der Verbraucher bisher diese Kennzeichnung nicht auf der Verpackung. Ein offizielles "D" haben laut Verbraucherzentrale die Rewe Bio Salami, die penny Bio Schokolade Vollmilch und die penny Mandel kekse. "Es geht uns nicht darum, einzelne Lebensmittel zu verteufeln, aber "E"-Produkte sollte man nicht in Unmengen zu sich nehmen", erklärt Krehl.

Werden Lebensmittel gesünder?

Einige Hersteller haben auch bereits ihre Rezepturen verändert, damit die Bewertung besser wird. Cereal Partners Deutschland (CPD), ein Joint-Venture von Nestlé und Gernal Mills, hat den Nutri-Score zum Beispiel auf allen Ceralien-Riegeln eingeführt. "Durch schrittweise Rezepturverbesserungen haben wir es geschafft, dass unsere Cerealien-Riegel eine Nutri-Score Bewertung von "C" bekommen haben", erklärt das Unternehmen.

Die Verbraucherzentrale hofft, dass mehrere Hersteller die Rezepturen ändern und einige Lebensmittel dadurch gesünder werden. "Bei gewissen Produkten kann dies aber auch ein Schuss nach hinten sein. Wenn zum Beispiel in den Rezepturen Zucker reduziert und dieser durch Süßstoff ersetzt wird", sagt Krehl. "Wir haben aber ein Auge darauf, wenn Hersteller die Produkte durch Zusatzstoffe verbessern, dann werden wir das öffentlich machen." Bisher gab es hier aber noch keine Auffälligkeiten.

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