Jobcenter Nürnberg bietet Neuanfang für Langzeitarbeitslose

29.7.2019, 06:00 Uhr
Jobcenter Nürnberg bietet Neuanfang für Langzeitarbeitslose

© Foto: Alexandra Haderlein

Im Januar war das sogenannte Teilhabechancengesetz in Kraft getreten. Seitdem nehmen 1200 Menschen in Bayern an dem Bundesprogramm teil, knapp die Hälfte davon in Franken, wie die Bayerndirektion der Bundesagentur für Arbeit errechnet hat. Der Leiter der Regionaldirektion lobt das Jobcenter Nürnberg Stadt in den höchsten Tönen. "Das ist eine tolle Kooperation. Das Jobcenter hat 207 Plätze besetzt, deutlich mehr als die Stadt München mit 144 Plätzen", sagte Ralf Holtzwart auf Anfrage der Nürnberger Nachrichten.

Ein exemplarischer Fall ist Corinna Weiltzels (Name geändert). Der Arbeitgeber ist durchweg zufrieden mit seiner neuen Reinigungskraft. Dabei hat sie eine lange Hartz-IV-Karriere hinter sich. Im Grunde genommen hat die 45-Jährige nie längere Zeit gearbeitet. Ein Kind kam nach dem anderen, eines davon mit Behinderung. Viele Firmen würden sagen: "Das wird nie etwas mit dieser Bewerberin", doch ein Gebäudereinigungsunternehmen gab der fünffachen Mutter eine Chance.

Freilich sind die Konditionen auch für den Betrieb attraktiv: Zwei Jahre lang zahlt der Staat das volle Gehalt, erst danach werden die Zuschüsse um zehn Prozent pro Jahr gekürzt und vom Arbeitgeber übernommen. Die Förderung läuft nach spätestens fünf Jahren aus.

Und was dann? "Die Krönung wäre natürlich, wenn der Betrieb den Beschäftigten dann übernimmt", sagt BA-Regionaldirektionschef Ralf Holtzwart. Da der Bund für die gesamte Laufzeit vier Milliarden Euro für das Programm ausgeben will, sollte das doch wohl das oberste Ziel sein – könnte man meinen. Aber nein. BA-Chef Detlef Scheele hatte zum Programmstart klar gemacht, dass dies nicht vorrangig sei. Es handele sich um ein sozialpolitisches Vorhaben, nicht um ein arbeitsmarktpolitisches.

Und realistischerweise, fügt Holtzwart hinzu, müsse man sich klarmachen, dass es sich um eine Gruppe Erwerbsloser mit schwierigen Biografien, Schicksalsschlägen und holprigen Lebensläufen handelt. "Doch auch die nutzen die Chance, auch Menschen, von denen wir das nicht geglaubt haben. Wir hoffen, dass sie Geschmack daran finden und neues Selbstvertrauen fassen."

Die Voraussetzungen sind hoch

Den Zahlen nach zu urteilen, hat sich das Jobcenter Nürnberg Stadt bei der Integrationsarbeit besonders angestrengt. Schon vor knapp einem Jahr wurde die Kundschaft durchforstet: Wer erfüllt die Voraussetzungen? Denn die sind hoch: Es müssen in den Vorjahren alle Bemühungen zur Aktivierung fruchtlos gewesen sein. Die infrage kommende Gruppe wurde gecoacht und zur Teilnahme ermutigt. Doch die ist freiwillig: Nur eine von zehn Personen greift erfahrungsgemäß zu.

Gleichzeitig lud das Jobcenter Partner und potenzielle Arbeitgeber zu Info-Veranstaltungen ein. Hilfreich seien dabei vorhandene Verbindungen gewesen, die durch das Projekt "soziale Teilhabe" bestehen. "Dadurch hatten wir eine günstige Ausgangslage", sagt die Geschäftsführerin des Jobcenters Nürnberg-Stadt, Sabine Schultheiß. Beinahe die Hälfte der erfolgreich Integrierten übernahmen Beschäftigungsgesellschaften, gut 80 Teilnehmer fanden bei Wohlfahrtsverbänden einen Neustart ins Berufsleben und gut 30 bei privaten Arbeitgebern.

Kantine, Gartenbau, Sozieleinrichtung

Schultheiß plant, dass in der nächsten Zeit auf diese Weise insgesamt 360 Arbeitsverhältnisse zustande kommen, für Menschen, die gar nicht mehr wissen, wie es ist, morgens zur Arbeit zu gehen. Oft sind es Helfertätigkeiten, in denen die Frauen und Männer im Berufsleben wieder Fuß fassen, zum Beispiel in Kantinen, im Gartenbau oder in Sozialeinrichtungen.

Beim Programmstart, so berichtet der Chef der Regionaldirektion Bayern, Holtzwart, waren es vor allem Sozialbetriebe, die Plätze für Langzeitarbeitslose angeboten hatten. Doch da sei noch Luft nach oben. "Ich wünsche mir, dass sich die Kirchen mehr beteiligen."

Damit sie am Ball bleiben, steht ihnen ein Coach zur Seite – auch für familiäre Probleme. Was tun, um die Tochter von der Straße zu holen und ihr eine Bleibe zu besorgen? Was tun, um den Sohn von den Drogen wegzuholen? Wie weit kann der neue Arbeitgeber für die Betreuung kleinerer Kinder den familiären Bedürfnissen entgegenkommen?

Dass das Jobcenter der Noris die bayernweit größte Zahl an Förderfällen vorweisen kann, ist die eine Seite der Medaille; die andere ist die, dass Nürnberg auch ein besonders großes Problem hat, ein größeres auf jeden Fall als die Boom-Town München. Im Juni bezogen in Nürnberg beinahe 3700 Menschen Hartz IV.

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