Leserforum: Sollten Kurzstreckenflüge abgeschafft werden?

12.6.2019, 10:14 Uhr
Flugreisen haben im Zuge der Klimadebatte ein schlechtes Image erlangt. Doch wird ihnen der Ruf gerecht?

© Frank Rumpenhorst, dpa Flugreisen haben im Zuge der Klimadebatte ein schlechtes Image erlangt. Doch wird ihnen der Ruf gerecht?

Noch ist "Flugscham" lediglich ein vor allem in Skandinavien verbreitetes Schlagwort. Weder auf dem deutschen noch auf dem internationalen Luftverkehrsmarkt halten sich die Kunden beim Buchen von Flugreisen merklich zurück - der nach der schwedischen Aktivistin Thunberg benannte "Greta-Effekt" lässt auf sich warten. Nach Einschätzung des Airline-Verbandes IATA wird auch in diesem Jahr die globale Passagierzahl um 5 Prozent auf 4,6 Milliarden zulegen, die Industrie kann voraussichtlich das zehnte Jahr in Folge Nettogewinne einstreichen.

Doch das Image der Branche hat in den Zeiten des Klimawandels deutliche Kratzer erhalten. "Sie sind mitverantwortlich für den Sturzflug unserer Erde", schleuderte beispielsweise der "Fridays for Future"-Aktivist Maximilian Reimers dem Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf der diesjährigen Hauptversammlung entgegen. Zwar ist der Luftverkehr nur für knapp 3 Prozent der weltweiten Co2-Emissionen verantwortlich, doch fehlt es angesichts des stetigen globalen Wachstums an einer positiven Perpektive in diesem Sektor.

Diskussion um Kurzstreckenflüge

Dass er die Debatte unfair findet, ist Michael Hupe anzuhören. Fliegen, eine üble Umweltsünde? "Ich glaube, wenn man das nicht ideologisch betrachtet, kommt man zu einem anderen Ergebnis", kontert der Nürnberger Flughafenchef und klingt fast trotzig, wenn er auf die Dieselloks verweist, die bei der als so umweltfreundlich gefeierten Bahn im Einsatz seien.

Seit der Fridays-for-Future-Bewegung ist die gesellschaftliche Debatte neu entflammt, ob Kurzstreckenflüge in der heutigen Zeit noch zu verantworten sind. Und mittendrin: der Airport Nürnberg. Denn die Lufthansa-Flüge von hier nach München und Frankfurt gelten Kritikern als besonders abschreckende Beispiele.

Braucht Nordbayern Anschluss?

Doch Hupe kämpft. Die innerdeutschen Flüge standen in Nürnberg 2018 für elf Prozent aller Verbindungen – und Berlin fällt ab kommender Woche eh schon weg. Nur 3,5 Liter Kerosin verbrenne ein Flieger im Schnitt pro Passagier auf 100 Kilometern, wirbt der Airport-Chef. Die Branche tue viel für den Klimaschutz. Und Frankfurt und München seien wichtige Luftfahrt-Drehkreuze, an die Nordbayern Anschluss brauche.

Unterstützung erhält Hupe von der FDP. Fiele der Flug nach München weg, würden die Reisenden für die Fahrt nach München wohl eher auf das Auto als die Bahn umsteigen, prophezeit der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Sebastian Körber: "Damit wäre auch der Umwelt nicht wirklich gedient." Nürnbergs FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Hessel ergänzt, die Anbindung an internationale Drehkreuze sei auch als Sicherung des Wirtschaftsstandorts Nordbayern von absoluter Notwendigkeit.

Stopp der Flüge wäre keine wirtschaftliche Katastrophe

Die IHK Mittelfranken verfolgt die Debatte indes relativ entspannt. Sollten die beiden Kurzstreckenflüge ab Nürnberg wegfallen, sei das für die hiesige Wirtschaft jetzt nicht das Riesendrama, so IHK-Präsident Dirk von Vopelius. Für den weltweiten Anschluss gebe es ja noch die Flüge zu Drehkreuzen wie Amsterdam oder Zürich und nach Frankfurt jetzt schon eine gute ICE-Verbindung. Der Klimadiskussion könne sich ohnehin kein Unternehmen entziehen.

Unwidersprochen bleiben auch die 3,5 Liter nicht, mit denen Airport-Chef Hupe argumentiert. Die Zahl verbreitet der Bundesverband der Deutschen Luftfahrt bezogen auf seine Mitgliedsunternehmen. Organisationen wie Atmosfair oder das Umweltbundesamt oder weisen darauf hin, dass Flugzeuge ihre Abgase in großen Höhen ausstoßen, was den Schaden multipliziere. Die meisten Forscher sind sich einig, dass die Umweltbilanz der Luftfahrt schlechter ist als die von Bahn oder Fernbus.

Gespannt blicken beide Seiten nun, wie die Lufthansa in Bezug auf die Kurzstreckenflüge reagiert. Einstweilen versucht sich die Airline noch im Spagat. Die München-Strecke fliege man ab Nürnberg "nur deshalb, weil eine Fernbahnanbindung des Münchner Flughafens bis heute leider nicht existiert", schiebt die Airline die Schuld auf Versäumnisse der Politik. Und nach Frankfurt kooperiere man auf anderen Strecken ja bereits mit der Bahn.

Emissionsfreies Fliegen liegt in weiter Zukunft

Anders als im landgebundenen Verkehr oder bei der Energiegewinnung stehen bei Flugzeugen mittelfristig keine technische Alternative zu den Verbrennungsmotoren zur Verfügung. Der enorme Energiebedarf von Flugzeugmotoren bringt batterie-elektrische Lösungen schnell an die Grenzen, Brennstoffzellenflugzeuge befinden sich bislang noch im Forschungsstadium. Mit ihnen wäre emissionsfreies Fliegen möglich.

Ein klimafreundlicher Zwischenschritt wäre wie bei Autos der Einsatz nachwachsender Brennstoffe. Seit 2008 wird Bio-Kerosin im zivilen Luftverkehr getestet, seit 2016 setzt es die US-Gesellschaft United im Regelverkehr ein. Auch die Lufthansa hat den Bio-Treibstoff ausführlich getestet, verweist aber auf geringe Verfügbarkeit und sehr hohe Preise.


Was meinen Sie? Sollten Kurzstreckenflüge abgeschafft werden?

Schreiben Sie Ihre Meinung, diskutieren Sie hier in unserem Leserforum unter diesem Artikel mit! Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass Sie sich mit Ihrem vollen Namen, Ihrer postalischen Adresse und Ihrer Mailadresse registrieren. Falls Sie bereits einen Login besitzen, bei dem die Anschrift noch fehlt, bitten wir Sie, diese Daten zu ergänzen. Derzeit sind die Angaben zur Adresse noch freiwillig. Im Leserforum werden wir aber nur Kommentare zulassen, bei denen auch die Angaben "Straße/Hausnummer sowie PLZ/Ort" ausgefüllt wurden. Dennoch wird Ihr Kommentar online nur unter dem von Ihnen gewählten Nickname zu lesen sein.

Meinungsbeiträge sind auch per Mail an nn-leserbriefe@pressenetz.de (Stichwort: Kurzstreckenflüge) möglich. Eine Auswahl der Einsendungen wird gegebenenfalls auch auf der gedruckten Meinungsseite in den Nürnberger Nachrichten mit Angabe des Namens und des Wohnorts (ohne Straßenangabe) erscheinen. Falls Sie damit nicht einverstanden sein sollten, bitten wir Sie, dies in Ihrem Kommentar zu vermerken.


Melden Sie sich jetzt für den wöchentlichen, kostenlosen Chefredakteurs-Newsletter der Nürnberger Nachrichten an.


Verwandte Themen


23 Kommentare