Neue Technologie

Möglicher Weg aus der Klimakrise: So könnte CO2 aus der Luft gefiltert werden

27.9.2021, 16:44 Uhr
Kohlekraftwerke gelten als Klima-Sünder. Forschende fordern daher, mehr Windparks und Solaranlagen zu bauen. 

© Steffen Schellhorn, NN Kohlekraftwerke gelten als Klima-Sünder. Forschende fordern daher, mehr Windparks und Solaranlagen zu bauen. 


Die Klimakrise könnte auf einer Blumenwiese in Fürth-Unterfarrnbach gelöst werden. Zumindest theoretisch. Dirk Paessler hat einen Plastikeimer mit fein gemahlenem Basalt in den Händen und erklärt das Prinzip hinter seiner Idee: Basalt reagiert bei Kontakt mit der Luft und dem darin enthaltenen CO2. Folglich entstehen laut Paessler harmlose Karbonate, die das Gas langfristig fixieren. Das bedeutet: Mit Hilfe von bestimmten Gesteinen kann schädliches CO2 aus unserer erhitzten Atmosphäre geholt und eingeschlossen werden.

Das Fürther Unternehmen „Carbon Drawdown Initiative GmbH“ ist für das wissenschaftliche Projekt verantwortlich. Paessler ist Geschäftsführer und setzt mit seinen Partnern auf eine beschleunigte Verwitterung bestimmter Gesteinsarten wie Basalt oder Dunit. Alles, was er dafür braucht sind Ackerflächen, Messgeräte, Basalt aus der Eifel – und Geduld.

Das Projekt stecke noch in der Entwicklungsphase, sagt Paessler. Auf dem Feld in Fürth hat der Tüftler Bereiche abgegrenzt. In einem Bereich, dem Kontrollfeld, blühen Wiesenblumen. In den anderen wurde Basalt-Gesteinsmehl beziehungsweise Basalt-Gesteinsmehl vermischt mit Pflanzenkohle ausgebracht. Instrumente überwachen, wie gut das CO2 aus der Luft gebunden wird. Außerdem soll das gemahlene Gestein als Dünger fungieren.

Negative Emissionen

Kohlendioxid gilt als Treiber der globalen Erwärmung. Da eine Begrenzung der Emissionen aller Voraussicht nach nicht reichen wird, um die Erwärmung der Erde zu stoppen, werden unter Fachleuten neue Technologien diskutiert. Negative Emissionen lautet das Zauberwort. Das schädliche Kohledioxid, das die Menschheit durch ihren modernen Lebensstil ausstößt, wird wieder eingefangen.

Das ist keine theoretische Zukunftsmusik, sondern bereits Realität. 2016 startete in Island ein Pilotprojekt. In Wasser gelöstes CO2 wurde in poröses Basaltgestein gepumpt und gespeichert. Innerhalb von knapp zwei Jahren verwandelte sich das Kohlendioxid in Karbonate.

Normalerweise dauert es mehrere hunderte Jahre, bis das geschieht. Dass es bei dem Projekt so schnell ging, ist auf spezielle Labor-Bedingungen zurückzuführen.
Hier setzt Dirk Paessler mit seiner Initiative an: „Wir müssen unter realen Bedingungen herausfinden, ob die Methode Wirkung zeigt“, sagt der Unternehmer. Mögliche Prognosen seitens seiner Initiative stimmen hoffnungsvoll: Alle fünf Jahre könnte der mit Basalt versehene Acker in Unterfarrnbach bis zu zwei Tonnen CO2 einsammeln. Sollte sich das bestätigen, werde man an der Sammel-Geschwindigkeit schrauben, so Paessler.

Weltweit gibt es weitere Projekte mit dem Ziel, ausgestoßenes Kohlendioxid zurückzuholen. In speziellen Anlagen in der Schweiz oder Italien wird das klimaschädliche Gas aus der Atmosphäre geholt und zum Teil weiterverkauft – an die Mineralwasserindustrie oder an Betreiber von Gewächshäusern.
In Kanada sind Forschende einen Schritt weiter. Dort befindet sich das Unternehmen Carbon Engineering, das die sogenannte Direct-Air-Capture-Technik erforscht, also die Bindung von Kohlendioxid direkt aus der Atmosphäre. Das Gas wird laut Unternehmens-Homepage nicht nur gebunden, sondern weiterverwertet: Die Tüftler fanden heraus, wie sich das eingefangene CO2 in Treibstoff verwandeln lässt.

Technisch gesehen ist es also möglich, CO2 einzufangen und zu speichern. Mit der derzeit gängigsten Methode wird es aus der Luft extrahiert, isoliert und als sogenannte superkritische Flüssigkeit in die Erde gepumpt. Zudem lässt sich Kohlendioxid über Elektrokatalyse in Kohlenstoff umwandeln. Dieser könne zu Briketts gepresst und in stillgelegten Kohlebergwerken gelagert werden, so Experten. Allerdings: Niemand weiß heute, welche Ökoschäden allen voran das Pumpen in den Untergrund anrichten könnte.

Noch in den Kinderschuhen

Und: Auch das Einfangen von CO2 benötigt Energie. Außerdem steckt die Technologie in den Kinderschuhen. Noch können die Anlagen nur einen minimalen Anteil des Kohlendioxids einfangen.

Wann sie tatsächlich nachhaltig einsatzfähig sind, ist völlig offen. Daher appellieren Forschende, statt Kohle- und Gaskraftwerke mehr Windparks und Solaranlagen zu betreiben. Ein Weg, die Erde vor dem Kollaps zu bewahren, liegt zudem auf der Hand: Aufforstung. Denn Bäume binden Kohlenstoff.

Dirk Paessler hofft, dass die Gesteins-Methode die erwünschte Wirkung zeigt. Noch stehe man am Anfang und betreibe Grundlagen-Forschung, sagt der Geschäftsführer. Erste Ergebnisse könnten im Frühjahr 2022 vorliegen. „Ich habe eine Tochter und ich will ihr irgendwann nicht sagen müssen, dass ich nichts gegen die Erderwärmung getan habe“, sagt er.

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