Neue Testangebotspflicht: Es hagelt Kritik aus der Wirtschaft

15.4.2021, 06:54 Uhr
Erst testen, dann arbeiten: Die Arbeitgeber sollen ihren Arbeitnehmern nun Tests zur Verfügung stellen - mindestens einmal pro Woche. 

© Robert Michael, dpa Erst testen, dann arbeiten: Die Arbeitgeber sollen ihren Arbeitnehmern nun Tests zur Verfügung stellen - mindestens einmal pro Woche. 

Nun sollen Unternehmen Corona-Schnelltests für Arbeitnehmer bereitstellen. Das Ziel: Die Infektionen in Büros, Produktions- und Werkstätten eindämmen. Die Arbeitnehmer sind allerdings nicht verpflichtet, dieses Angebot anzunehmen.

Bezahlen und organisieren muss der Arbeitgeber das Ganze selbst. "Das ist jetzt eine nationale Kraftanstrengung. Da müssen alle mitmachen", hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz dem Deutschlandfunk dazu gesagt. Seitens der Wirtschaft gibt es massive Kritik – auch aus Bayern.


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Die Industrie- und Handelskammern Bayern bewerten die Testangebotspflicht als "Folge einer verschleppten bevölkerungsweiten Teststrategie." Das geht aus einer aktuellen Pressemitteilung hervor.

Die Kosten und Umsetzungen würden nun auf die Unternehmen und Betriebe abgewälzt. Für Einzelhändler zum Beispiel, stelle es eine zusätzliche finanzielle Belastung dar, für Tests zu sorgen. Doch nicht alle Unternehmen warten auf die Regelung, die laut Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) "nächste Woche" in Kraft treten soll.

Beim Unternehmen Project Immobilien in Nürnberg wurden die Mitarbeiter schon im März darüber informiert, dass Schnelltests für sie bereit stehen. Dort ändert sich durch die Testangebotspflicht also nichts.

"Die Mitarbeiter, die vor Ort sind oder Kundenkontakt haben, zum Beispiel bei Bemusterungsterminen, können sich selbst testen," sagt Doris Walter, Sprecherin des Unternehmens. Es seien ausreichend Tests für die Mitarbeiter da. Viele Beschäftigte seien aber ohnehin im Homeoffice tätig.

Zwischen Schnelltest und Homeoffice

Auch bei der Ziehm Imagine GmbH mit Produktionsstätte für Medizintechnologie hat man in weiser Voraussicht geplant. Die Mitarbeiter, etwa die Hälfte davon befinden sich laut dem Unternehmen in Heimarbeit, haben bereits Testmöglichkeiten.

Alle die wollten, konnten sich schon letzte Woche jeweils fünf kostenlose Selbsttests von ihrem Arbeitgeber abholen. Nach Unternehmensaussage wurde dieses Angebot von den Mitarbeitern auch rege angenommen.

"Es ist gut, wenn man schnell Bescheid weiß", sagt Thomas Kistner von der Buchhandlung Jakob am Hefnersplatz. Er habe für die insgesamt 30 Mitarbeiter auf eigene Kosten Selbsttest aus verschiedenen Supermärkten besorgt. Die Mitarbeiter sollen sich die Tests mitnehmen und zuhause durchführen, ehe sie zur Arbeit kommen und dort Kontakt mit Kunden oder anderen Mitarbeitern haben.

"Die dritte Welle brechen"

Kistner weiß: "Wir müssen die dritte Welle brechen." Bislang seien alle Mitarbeiter negativ getestet worden und die Selbsttests seien eine gute Möglichkeit, das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bekommen.

Bei der Aura GmbH, einem Ausstatter für Büromöbel, setzt man auf eine Apotheke als Partner. Wie eine Unternehmenssprecherin mitteilt, kommt in diesem Fall geschultes Personal einmal die Woche in die Frankenstraße, um die Mitarbeiter, die es möchten, mittels Schnelltests zu testen. Einige der befragten Unternehmen sehen den Gang zum Schnelltestzentrum ihrer Mitarbeiter außerdem als Arbeitszeit an und ermöglichen so weitere Tests.

Obwohl die befragten Arbeitgeber der Region frühzeitig reagiert haben, häuft sich die Kritik der Wirtschaft. Der Bund der Selbstständigen Bayern (BDS) hat sich in einem offenen Brief an die Politik gewandt. Die Testangebotspflicht sorge für einen "erheblichen Mehraufwand und erhöhte Kosten." Der BDS wirft unter anderem der Bundeskanzlerin "Symbolpolitik auf den Schultern der Unternehmern und keinen sinnhafter Infektionsschutz" vor.


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Man zweifle dort außerdem die Wertschätzung der Mühen der mittelständischen Wirtschaft an.
Anders sieht das der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Bayern. Dort begrüße man es, dass Arbeitgeber nun in der Verantwortung stehen. "Gerade die Beschäftigten, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, müssen besser geschützt werden", sagt Matthias Jena, Vorsitzender des DGB Bayern.

Anwalt erklärt rechtliche Lage

Doch was tun, wenn der Arbeitgeber keine Tests besorgt hat? Marc-Oliver Schulze, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht aus Nürnberg, klärt auf. "Wenn der Arbeitgeber keine Tests zur Verfügung stellt, kann sich der Arbeitnehmer die Tests selbst – etwa in der Apotheke – besorgen und sich die Kosten im Nachhinein vom Arbeitgeber erstatten lassen. Es dürfte wohl nicht ausreichen, mit dieser Begründung dem Arbeitsplatz fern zu bleiben."

Außerdem kann man dies auch kann man sich in dem Fall bei der zuständigen Arbeitsschutzbehörden beschweren. Diese sind für die Kontrolle der neuen Testpflicht zuständig.

Arbeitgeber können sich also nicht irgendwie um diese Pflicht drücken. Schulze erklärt: "Verpflichtung ist Verpflichtung – auch andere Arbeitsschutzmaßnahmen kosten Geld. Und wenn der Arbeitgeber die Test-Durchführung organisatorisch nicht vor Ort regeln kann, steht es ihm frei, die Tests den Beschäftigten nach Hause zu schicken oder ihnen im Büro einfach in die Hand zu drücken."

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