Nürnberger Gespräche: Die Tücken des Homeoffice

14.10.2020, 07:30 Uhr
Nürnberger Gespräche: Die Tücken des Homeoffice

© Jens Büttner, dpa

"Prognosen sind schwierig – besonders, wenn sie die Zukunft betreffen", lautet ein beliebter Spruch unter Ökonomen. Das traf schon vor der Corona-Krise auf die Arbeitswelt zu. Nun hat das Virus große Teile davon binnen weniger Monate gänzlich umgewälzt; ein Punkt, über den im Podium der Nürnberger Gespräche Konsens herrschte. Organisiert wird die Gesprächsreihe vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der Bundesagentur für Arbeit und der Stadt Nürnberg; wegen Corona wurde sie auch auf YouTube übertragen.

"Das Virus hat viele Prozesse wahnsinnig beschleunigt", so die Geschäftsführerin des Gesamtbetriebsrats der Robert Bosch GmbH, Constanze Kurz. Ein Prozess, der in dem Kontext besonders diskutiert wurde: die rasche Umstellung aufs Homeoffice. Hätten viele Beschäftigte dafür erst noch drei Jahre mit ihrem Arbeitgeber verhandeln müssen, ging diese Veränderung nun in wenigen Wochen vonstatten, warf die Moderatorin des Abends ein. Doch nicht für alle Berufe komme ein Homeoffice in Frage, gab Sabine Pfeiffer, die den Lehrstuhl für Soziologie (Technik – Arbeit – Gesellschaft) an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen- Nürnberg innehat, zu Bedenken. Diese Ungleichheit könne zu einer Spaltung führen: "Denn gerade die Berufe, in denen man wenig verdient, sind oft die, in denen man nicht ins Homeoffice kann."

Betriebe müssten sich überlegen, wie sie diesen Unterschied bei den Beschäftigten kompensieren könnten. "Diese transformatorischen Prozesse gehen also nur, wenn man die Belegschaft mitnimmt." Ansonsten finde eine Fragmentierung statt. Damit die Arbeit zuhause funktioniere, brauche es zudem genaue Regelungen zur Arbeitszeiterfassung. Und: Homeoffice bringe auch negative Entwicklungen mit sich: "Es gibt jetzt schon Diskussionen, ob man einige Arbeitsflächen bei den Unternehmen auch ganz abschaffen kann." Nur noch Homeoffice sei allerdings auch nicht gut. Der soziale Kontakt zwischen den Kollegen sei aber wichtig und werde als einer der größten Nachteile des Homeoffice gesehen, gab IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei zu bedenken.

Rezession begann schon vor Corona

Dass das Virus die Wirtschaft getroffen hat, stand an diesem Abend außer Frage. "Doch wir haben schon vor dem Virus darauf hingewiesen, dass Teile der Industrie in die Rezession schlittern", betonte Dieter Kempf, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Industrie. Hinzu kämen Herausforderungen wie die Klimakrise, der demographische Wandel und die Digitalisierung. "Das Problem ist zudem, dass diese Dreifacherausforderungen nicht in die gleiche Richtung gehen", so Pfeiffer. Durch den wirtschaftlichen Einbruch - verursacht durch die Corona-Krise - strebe nun alles wieder nach Wachstum. "Das ist aber ökologisch ein Problem, weil wir vielmehr darüber nachdenken sollte, wie wir künftig anders wirtschaften."

Aber was ist, wenn es bald gar keine Jobs mehr gibt? Laut einer Studie der OECD könnten in den nächsten 30 Jahren zudem bis zu 40 Prozent der Jobs von Computer übernommen werden. Walwei gab sich dennoch gelassen: "Technologie nimmt Arbeitsplätze weg, schafft aber auch viele." Diese kompensatorischen Effekte müsse man ebenfalls beachten. "Ich glaube deswegen nicht, dass es eine technologische Arbeitslosigkeit geben wird." Die sieht auch Matthias Rohrmann, Geschäftsführer der AGV MOVE, der Arbeitgeberorganisation der Mobilitäts- und Verkehrsdienstleister, zumindest in seiner Branche nicht: "Wichtig ist dabei aber, für die Beschäftigten eine Perspektive zu schaffen und ihnen zu zeigen, wie sich ihre Jobs entwickeln" Allein die Deutsche Bahn werde in diesem Jahr zudem 18.000 Neueinstellung vornehmen.

Allerdings: Potenzielle Arbeitnehmer müssen auch auf diese neuen Technologien vorbereitet werden: "In China verlassen jährlich tausende Studenten die Universität, die perfekt zum Thema künstliche Intelligenz ausgebildet sind", so Kempf. "Das heißt, wir können die entweder nach Deutschland holen, indem wir Anreize schaffen oder alles nach China verlagern." Besser sei es, die Menschen direkt hier auszubildenden. "Wir brauchen die richtigen Rezepte für morgen und sollten dafür alle diskutieren. Aber wir müssen sie finden, erst dann mache ich mir keine Sorgen um unseren Arbeitsmarkt." Eben dafür solle man auch die Coronakrise nutzen.

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