Nürnberger Motorradmarke: Erfolglos und doch legendär

3.7.2008, 00:00 Uhr
Nürnberger Motorradmarke: Erfolglos und doch legendär

© Stefan Hippel

Nürnberg im ausgehenden 19. Jahrhundert: Paul Reissmann hat ein Problem. Okay, seine 1873 in Nürnberg-Doos gegründete Firma «Mars« verdient nicht schlecht mit der Produktion gusseiserner Öfen. Doch das Geschäft unterliegt starken saisonalen Schwankungen - vor allem im Frühjahr und Sommer ist wenig los.

Da hat der Unternehmer eine Idee: Warum in den schwachen Monaten nicht Profit aus dem Wunsch der Massen nach Mobilität schlagen? 1894 passiert das erste Mars-Fahrrad die Fabriktore. 1903 schließlich ist es so weit: Das erste Mars-Motorrad geht mit einem 1,75 PS-starken Motor in den Verkauf.

Es ist die Geburtsstunde einer der bis heute bekanntesten Nürnberger Motorradmarken. Gemeinsam mit klingenden Namen wie Zündapp, Victoria, Hercules oder Triumph sollte sich das Unternehmen zu einem der prägenden der hiesigen Zweiradindustrie entwickeln - auch wenn das 1903 eher unwahrscheinlich schien.

Unzuverlässig und teuer

«Da darf man sich nichts vormachen: Das waren in der Anfangszeit technisch unzuverlässige und auch noch teure Motorräder«, sagt Matthias Murko, Leiter des Museum Industriekultur und passionierter Motorradfan. Rund 2000 Reichsmark dürfte eine motorisierte Mars gekostet haben - bei einem Monatslohn von zirka 60 Reichsmark für die meisten Arbeiter unerschwinglich. «Wirtschaftlich waren die eigentlich ohne Erfolg, die Jahresproduktion hat wohl nicht über 80 Stück gelegen.«

Dennoch sammelt der junge Motorrad-Hersteller erste Prestigeerfolge. 1905 gewinnt Georg Retienne, eine Art Michael Schumacher für Zweiräder der damaligen Zeit, auf einer Mars das berühmte «Kesselberg-Rennen«. Und das Unternehmen wird mutiger. «Was kaum einer weiß ist, dass Mars in der Zeit sogar ein paar Autos gebaut haben«, erzählt Murko. «Das einzige noch existierende Modell steht hier bei uns.«

1907 jedoch obsiegt die ökonomische Vernunft: Die Nürnberger stellen die Motorradfertigung ein und setzen die nächsten Jahre vor allem auf das florierende Fahrrad-Geschäft - in dem Jahr werden geschätzt 30000 gebaut - sowie den Verkauf von Werkzeugmaschinen.

Es dauert bis 1920, ehe Mars auf den Motorradmarkt zurückkehrt. «Die 20er-Jahre, das waren generell die Boomjahre des Motorrads«, sagt Murko. Allein in Nürnberg gab es zwischenzeitlich über 40 Hersteller. Bei Mars ist es der Ingenieur Claus Franzenburger, der einen Zwei-Zylinder-Motor mit knapp einem Liter Hubraum und 7,3 PS entwickelt. Gebaut bei Maybach in Friedrichshafen, setzen die Nürnberger den Antrieb in die A20 ein - besser bekannt als «die Weiße Mars«.

«Die Weiße Mars, die ist eine Legende«, betont der Museumsleiter - seine Augen leuchten jetzt. Zunächst nur in Weiß ausgeliefert, ist die A20 für ihre Zeit eine gewaltige Maschine. Das macht sie für heutige Motorradfans zusammen mit der edlen Lackierung so besonders. Es ist dieses eine Modell, das der Marke bis heute einen Eintrag in der Historie der Zweiräder garantiert. «Dabei war die A20 eigentlich gar nicht so erfolgreich«, so Murko. Statt einer schweren Reisemaschine seien eher leichte Motorräder für kurze Strecken gefragt gewesen.

Ur-Moped konstruiert

1926 kommt es bei Mars zum Bruch mit der alten Unternehmensleitung. Die Brüder Johann und Karl Müller, zuvor leitende Angestellte, übernehmen die Fertigung, allerdings ohne die Markenrechte. Bis zum Zweiten Weltkrieg rollen die Motorräder der Nürnberger unter dem Namen M.A. über die Straßen. Im Krieg fertigt Mars Panzermunition und greift dafür auch auf Zwangsarbeiter zurück.

Erst 1947 kann die Firma wieder mit dem Bau von Fahrrädern beginnen. 1949 kommt das erste Nachkriegs-Motorrad auf den Markt - es beginnt noch einmal eine kurze Erfolgsphase für die Nürnberger. 1955 gelingt gar ein ähnlicher Coup wie einst mit der «Weißen Mars«: «Die ,Monza‘ gilt Experten heute als Ur-Moped schlechthin, Mars läutete damit einen Trend ein«, so Murko - den das Unternehmen dann aber selbst verschläft.

Besonders die italienische Konkurrenz reagiert schneller auf die wechselnden Design-Moden der meist jugendlichen Klientel. Mars hatte ganz auf die «Monza« gesetzt - und die gilt plötzlich als veraltet. «Das Management hat sich übernommen«, glaubt Murko. Die Banken gewähren schließlich keine neuen Kredite mehr: Das Aus für die Firma ist besiegelt. Lediglich der Name lebte weiter. Die Fürther Quelle sicherte sich die Markenrechte und verkaufte unter dem Label «Mars« jahrelang Fahrräder und Mopeds.