Revolution aus Franken: Stoppen diese Ideen den Klimawandel?

29.10.2020, 08:44 Uhr
Industrieabgase belasten die Umwelt und das Klima. Mit neuen Verfahren aus Franken lässt sich Kohlendioxid effizienter herauslösen und industriell weiterverwerten.

© via www.imago-images.de, NNZ Industrieabgase belasten die Umwelt und das Klima. Mit neuen Verfahren aus Franken lässt sich Kohlendioxid effizienter herauslösen und industriell weiterverwerten.

An der Universität Bayreuth haben Chemiker ein verblüffend effizientes und kostengünstiges Verfahren entwickelt, um CO2 aus Abgasen herauszufiltern. Und wie man den abgetrennten Klimakiller dann in nützliche Rohstoffe umwandelt, haben Entwickler bei Siemens in Erlangen so überzeugend ausgetüftelt, dass sie dafür mit dem Bayerischen Energiepreis ausgezeichnet wurden.


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Die Grundidee ist genial einfach. Um Kohlendioxid aus Abgasen herauszulösen, haben die Wissenschaftler der Uni Bayreuth im Prinzip winzige Käfige für CO2-Moleküle entwickelt: Ein neuartiges Material mit Hohlräumen. Von diesen Poren werden die Moleküle regelrecht angezogen, und sie passen exakt hinein – während alle anderen in Abgasen enthaltenen Moleküle ein bisschen zu groß sind. So kann das CO2 aus Industrieabgasen, aber auch aus Erdgas oder Biogas abgetrennt werden.

Das Material mit den maßgeschneiderten Hohlräumen wird aus Tonmineralen erzeugt und lässt sich in Form eines Pulvers in Leitungen, Rohre oder Schornsteine füllen. „Wir fangen das Kohlendioxid damit tatsächlich zu hundert Prozent ein, während die anderen Gase nach außen gedrückt werden“, sagt Martin Rieß, Erstautor der neuen Veröffentlichung und Chemie-Doktorand an der Uni Bayreuth.


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Das Verfahren hat wesentliche Vorteile gegenüber den bisher gängigen Methoden der Gastrennung: „Das CO2 lagert sich allein durch physikalische Wechselwirkungen ab. Wir haben keine chemischen Bindungen und müssen auch keine Flüssigkeiten verwenden“, erklärt Rieß. Es gibt daher so gut wie gar keinen Materialverschleiß, der Energieaufwand ist viel geringer und es fällt kein flüssiger Müll an. Das kann die Kosten stark reduzieren, womöglich sogar halbieren – auf eine genaue Einschätzung möchte sich Rieß aber noch nicht einlassen.

Erste Anfrage aus den USA

Die Bayreuther sind nicht die ersten, die Gasgemische ohne flüssige Verfahren trennen. Doch die bisher entwickelten Methoden sind sehr teuer. Die Basis des neu designten Materials aus Oberfranken sind Tonminerale aus hunderten winzigen Glasplättchen, zwischen denen sich organische Moleküle als Abstandshalter befinden. Es soll nicht nur als Pulver zum Einsatz kommen: Die Wissenschaftler entwickeln daraus bereits eine Membran, die nach dem Prinzip eines Kaffeefilters funktioniert. Das Material hat sogar einen griffigen Namen, der die komplizierte Zusammensetzung abkürzt: Die mikroporösen organisch gepillarten Schichtsilikate heißen MOPS und sollen unter diesem Namen auch vermarktet werden.

„Wir haben bereits die Anfrage eines amerikanischen Start-Ups, das Methan aus Deponie-Standorten gewinnt“, erzählt Professor Josef Breu. „Wir müssen bis zur praktischen Anwendung aber noch Experimente durchführen, zu denen wir wegen Corona nicht gekommen sind.“ Insbesondere die Entwicklung der Filtermembran soll die Effizienz nochmals steigern. Breu ist optimistisch: „Ich rechne nicht mit größeren Komplikationen. Von unserer Seite ist in sechs Monaten alles bereit für den Einsatz in der Praxis.“
Das Kohlendioxid lässt sich mit dem Bayreuther MOPS nicht nur leicht einfangen, sondern mithilfe eines Vakuum-Verfahrens auch sehr einfach daraus entnehmen. Und dann kann das CO2 in der Industrie weiterverwertet werden.


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Wie man das Treibhausgas in gefragte Rohstoffe umwandelt, zeigt ein Forschungsprojekt von Siemens Energy in Erlangen: Aus CO2 entstehen Wasserstoff und nützliche Chemikalien. „Rheticus“ heißt diese Kooperation der Erlanger mit dem Essener Chemieunternehmen Evonik, die gerade mit dem Bayerischen Energiepreis ausgezeichnet wurde.

Von der Natur gelernt

Der Clou an der Methode: Die Entwickler ahmen den natürlichen Prozess der Photosynthese nach. Sie wandeln CO2 und Wasser mit Strom in Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO) um. Wasserstoff gewinnt eine immer größere Bedeutung für das Gelingen der Energiewende, und auch die CO-haltigen Gase lassen sich weiterverwenden, wie das Projekt in einem zweiten Schritt zeigt: Durch den Einsatz spezieller Mikroorganismen entstehen daraus Chemikalien, die in der chemischen Industrie und der Nahrungsmittelproduktion benötigt werden.

„Aus CO2 machen wir etwas Sinnvolles“, fasst Siemens-Experte Ralf Krause die Verwandlung des Klimakillers zusammen. „Den Stein der Weisen hat die Natur längst entwickelt“, sagt er mit Blick auf die Photosynthese. Die künstliche Variante ist allerdings zehn Mal effizienter. Der nächste Schritt ist jetzt ein störungsfreier Dauerbetrieb der Versuchsanlage, in vier bis fünf Jahren soll das Verfahren dann im großen Maßstab in der Industrie einsetzbar sein.

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