Forderung nach Tarifvertrag

Riderin berichtet: So geht es hinter den Kulissen von Lieferando zu

12.11.2021, 05:55 Uhr
Lieferando-Fahrer fordern einen Tarifvertrag und mehr Gehalt.

© Matthias Merz/ NGG Lieferando-Fahrer fordern einen Tarifvertrag und mehr Gehalt.

Sarah Schmitz ist Riderin. Sie beliefert hungrige Menschen mit Speisen und Getränken. Wenn sie Glück hat, bekommt sie dafür etwas Trinkgeld, ein kleines Plus zu den rund zehn Euro Stundenlohn. Liefert sie mehr aus, verdient sie mehr. Ihr Arbeitgeber, der Liefer-Gigant Lieferando, setzt auf ein Bonussystem bei der Bezahlung seiner Fahrer. Diese Bedingungen wollen die Fahrradkuriere nicht mehr hinnehmen. Gemeinsam mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordern sie einen Tarifvertrag für die Branche. Allerdings gibt es Hürden.

Nun demonstrierte Schmitz gemeinsam mit anderen Fahrern bei einer Solidaritätskundgebung in Nürnberg für ihr Vorhaben. "Auf einmal waren so viele Kuriere da", erzählt sie nach der Demonstration am Hallplatz. Mit dabei waren Vertreter der Gewerkschaft Verdi und Parteimitglieder von SPD und Linken im Nürnberger Stadtrat. Für ihren Tarifvertrag fordern die Fahrer einen Stundenlohn von 15 Euro, außerdem ein 13. Monatsgehalt sowie Zuschläge für Abend- und Feiertagsschichten, sechs Wochen Urlaub und eine Bezahlung der letzten Fahrt nach Hause. Für Schmitz ist klar: Sollte es tatsächlich zu Tarifverhandlungen kommen, müssen sie Abstriche bei ihren Forderungen machen. Doch die wachsende Konkurrenz auf dem Markt durch die Lieferdienste Flink, Uber Eats und Gorillas stimmt sie optimistisch: "Ich habe gehört, die zahlen alle mehr."

Mitstreiter gesucht

Die erste Hürde auf dem Weg zum Tarif: Mitglieder mobilisieren. Die NGG tritt erst mit Lieferando in Verhandlungen, wenn sich mindestens 1000 Fahrer der Gewerkschaft anschließen. In 60 Städten operiert Lieferando, in 17 davon gibt es Betriebsräte. Mehr Fahrer für das Vorhaben zu gewinnen, ist laut Schmitz keine leichte Aufgabe, viele seien Minijobber und machten den Job nur für kurze Zeit - zu kurz, um in eine Gewerkschaft einzutreten.

Diese Woche kamen die Gewerkschafter zur Tarifkommission in Nürnberg zusammen. Wie Lieferando auf die Forderungen reagiert, ist unklar. Eine Anfrage unserer Redaktion beim Mutterkonzern Just Eat Takeaway blieb unbeantwortet.

Die Arbeitsbedingungen der Lieferando-Fahrer sorgen regelmäßig für Schlagzeilen. Oft müssen sie mit dem eigenen Fahrrad ausliefern und das Datenvolumen des eigenen Handys für die Arbeit verwenden. Außerdem sei die Arbeitskleidung im Winter unangemessen und der Umgang mit Unfällen problematisch, erklärt Schmitz. Dass diese Arbeitsbedingungen in Teilen unrechtsmäßig sind, bestätigte jüngst das Bundesarbeitsgericht. Künftig muss Lieferando den Fahrern ein Rad und ein Smartphone stellen. Geklagt hatte die NGG, sie sieht in diesen Streit mit Lieferando erste Anzeichen, wie mögliche Tarifverhandlungen ablaufen könnten. Auch Schmitz ist optimistisch: "Wir sind alle gut dabei und motiviert es zu schaffen."

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