Schwere Krise: Deutschen Autozulieferern geht es schlecht

16.8.2019, 08:39 Uhr
Schwere Krise: Deutschen Autozulieferern geht es schlecht

© Ole Spata/dpa

Eine mobile Branche geht am Stock: Abbau von Arbeitszeitkonten, Personalreduzierung, Standortverlagerung - sogar Werksschließungen - die Autozulieferer in Deutschland diskutieren landauf landab, wie sie sich am sinnvollsten gegen die Branchenflaute wappnen. Die Firmenchefs gehen längst nicht mehr von einer vorübergehenden Konjunkturdelle aus. Denn die Automobilindustrie und damit die Zulieferer hat mit der möglichen Abkehr vom Verbrennungsmotor sowie Marktproblemen in China, Indien und den USA eine saftige Strukturkrise ereilt. Und zwar viel schneller, als einige Konzernlenker erwartet hatten.

Dass in Bauteilen der größten deutschen Autozulieferer Continental und Bosch nun auch noch zu hohe Mengen an Blei festgestellt wurden, passt in das wenig rosige Gesamtbild. Wenn sich die Branche vom 10. September an zur Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt trifft, dürfte sich dort vor allem nachdenkliche Gesichter zeigen. Ein Überblick über die wichtigsten deutschen Zulieferer.


Stellenangebote in Nordbayern: Besuchen Sie unsere Jobbörse


BOSCH: Der Vorsitzende der Bosch-Geschäftsführung, Volkmar Denner, hat es der Süddeutschen Zeitung jüngst vorgerechnet: Der Zulieferer setzt für das Einspritzsystem eines Dieselmotors zehn Mitarbeiter ein. Bei einem Benziner sind drei Bosch-Beschäftigte beteiligt, bei einem Elektrofahrzeug einer. Stellenkürzungen seien praktisch unausweichlich. Die Stuttgarter beschäftigen weltweit 410 000 Menschen. 50 000 Arbeitsplätze, davon allein 15 000 in Deutschland, hängen vom Diesel ab. Allerdings ist der größte Autozulieferer der Welt auch noch in anderen Sparten aktiv, etwa im Maschinenbau.

CONTINENTAL: Der Hannoveraner Traditionshersteller hat große Probleme, die Spur zu halten. "Derzeit ist das Marktumfeld sehr herausfordernd", sagte Vorstandschef Elmar Degenhart zuletzt, er sprach von einem tiefgreifenden, sich dramatisch beschleunigenden und "teilweise disruptiven" Wandel in der Branche. Es brauche nun "Kostendisziplin" - was für Conti auch heißen dürfte: Stellen streichen! Wie viele der fast 245 000 Conti-Mitarbeiter es treffen werde, sei Gegenstand von Diskussionen mit der Gewerkschaft. An der Börse zeigt die Kurve der Conti-Aktie seit Wochen nach unten. Auch Verkäufe von Firmenteilen schloss Degenhart nicht aus. Das Reifengeschäft ist für Continental weiter ein fester Ertragspfeiler.

ZF: Der Hersteller unter anderem von Getrieben aus Friedrichshafen ist breit aufgestellt - spürt aber dennoch den Gegenwind der Branche. Der ZF-Vorstand nahm seine noch im April geäußerte Umsatzerwartung um eine satte Milliarde Euro zurück - auf 36 bis 37 Milliarden Euro. Der Gewinn brach im ersten Halbjahr 2019 drastisch auf die Hälfte des Vorjahreswertes ein. Chef Wolf-Henning Scheider musste einräumen, ZF liege deutlich unter Plan. In China reagierte ZF bereits mit Entlassungen. In Deutschland soll es dazu nicht kommen - es würden ausgleichende Maßnahmen wie etwa Gleitzeit reichen, heißt es von ZF.

MAHLE: Auch bei den 79 000 Mitarbeitern von Mahle geht die Angst um. Der Betriebsrat des Stuttgarter Unternehmens hat ein Strategiepapier vorgelegt, das zu einem Entlassungsstopp bis 2025 führen soll. Die Geschäftsleitung hatte zuvor den Abbau von 380 der 4300 Stellen in Stuttgart und die Schließung eines Werks in Öhringen angekündigt. Mahle hat bisher vor allem mit Filtern und Kolben Geschäfte gemacht. Inzwischen versuchen die Stuttgarter, den Hebel herumzureißen und stärker auf Elektromobilität zu setzen - auch bei Fahrrädern.

SCHAEFFLER: Der größte fränkische Auto-Zulieferer aus Herzogenaurach sieht bisher noch keine Notwendigkeit für drastische Maßnahmen, will aber dennoch kürzer treten. So sollen etwa nach Brückentagen in der zweiten Jahreshälfte die Bänder still stehen. Im März hatte das Unternehmen bereits einen Abbau von 700 Stellen in Deutschland und 200 im europäischen Ausland bekanntgegeben sowie vier Standorte auf den Prüfstand gestellt.

BROSE: Das Coburger Familienunternehmen musste ebenfalls Federn lassen und will mit "Kapazitätsanpassungen" reagieren. Man habe ein Programm zur Kostensenkung gestartet. Im ersten Quartal 2019 lagen die Umsätze um fünf Prozent unter dem Vorjahr. Langfristig sieht Brose allerdings in den neuen Mobilitätstrends mehr Chancen als Risiken und will in neue Technologien kräftig investieren - mit 1,5 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren immerhin rund ein Viertel eines Jahresumsatzes.

LEONI: Der im SDax notierte Nürnberger Zulieferer ist wohl einer der bisher am stärksten Betroffenen der Branche in Deutschland. Firmenchef Aldo Kamper musste sich zuletzt schon gegen Untergangsszenarien wehren. "Wir brauchen keinen Arzt und keinen Pfarrer", sagte der Niederländer. Stattdessen setzt er trotz der anhaltenden Krise auf die Selbstheilungskräfte des Unternehmens. Während die meisten Firmen der Branche zwar Einbußen wegstecken, aber immer noch gut über der Nulllinie wirtschaften, steckt der Kabel- und Bordnetzexperte bereits tief in den roten Zahlen. Im ersten Halbjahr liefen unter dem Strich 176 Millionen Euro Verlust auf.

Verwandte Themen


24 Kommentare