Streik in Nürnberg: Kaufhof-Mitarbeiter legten Arbeit nieder

31.5.2019, 16:07 Uhr
Etwa 225 Beschäftige legten in den Nürnberger Kaufhof-Filialen am Freitag ihre Arbeit nieder.

© Roland Fengler Etwa 225 Beschäftige legten in den Nürnberger Kaufhof-Filialen am Freitag ihre Arbeit nieder.

Wie die Stimmung in ihren Häusern ist? Heike Boch-Jackson, Betriebsratsvorsitzende bei Kaufhof in Nürnberg, und ihre Stellvertreterin Patrizia Nastro-Teuschel überlegen kurz und sagen dann: "Im Moment sind alle gefrustet, viele sogar zutiefst verletzt und enttäuscht." Im Karstadt-Cityhaus sind laut Betriebsratschef Thomas Vieweg und Vize Lisa Weiß viele im Kampfmodus: "Die Stimmung ist momentan so explosiv, dass man die Leute gar nicht mobilisieren muss. Die kommen zu uns ins Büro und fragen: Wann gehen wir auf die Straße?"

Formal ist die Fusion der einstigen Rivalen Karstadt und Kaufhof seit einem halben Jahr in trockenen Tüchern, mit Blick auf die Zukunft sind jedoch noch viele Fragen offen. Was feststeht: Warenhaus-Konzernchef Stephan Fanderl, der seit Herbst 2014 an der Spitze von Karstadt steht und dort massiv den Rotstift angesetzt hat, baut auch bei Kaufhof auf ein Sparprogramm à la Karstadt.

Bereits im Januar hatte der Manager angekündigt, dass im Zuge der Fusion bei Kaufhof rund 2600 Vollzeitstellen wegfallen, davon 1600 in den Filialen. Im jetzigen Zustand sei Kaufhof "langfristig nicht überlebensfähig". Zudem strebt er einen Segmenttarifvertrag – sprich: Regelungen, die unterhalb des Flächentarifvertrags liegen – für das fusionierte Unternehmen an mit dem Ziel, die Personalkosten zu drücken. Das ohnehin schon schwierige Vorhaben – für die Beschäftigten bedeutet der Haustarif letztlich Einkommenseinbußen – wird noch dadurch komplizierter, dass Karstadt und Kaufhof in verschiedenen Tarifwelten leben. Trotz des Streiks werden die Häuser in Nürnberg am Samstag die Türen ganz normal öffnen.

Zum Streik aufgerufen

"Das Thema Segmenttarifvertrag treibt die Leute auf die Barrikaden", sagt Vieweg. Und das ist nicht nur symbolisch gemeint. Für Freitag und Samstag hat ver.di die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der drei Nürnberger Häuser – Karstadt City, Karstadt Langwasser und Kaufhof in der Innenstadt – zum Streik aufgerufen. Laut Vieweg haben am Freitag bereits 225 Mitarbeiter die Arbeit niedergelegt, etliche Aushilfen mussten in den Geschäften einspringen. Auch in Hamburg, Hessen und im Großraum Dortmund hatte es am Freitag Proteste gegeben, so Vieweg.

Die Aktion findet im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen im bayerischen Einzelhandel statt. Von dabei ausgehandelten Lohnerhöhungen hätten die Karstadt/Kaufhof-Beschäftigten allerdings nichts: Bei Karstadt liegt der Tarifvertrag schon lange auf Eis, bei Kaufhof seit kurzem.

Massive Einbußen

Bei Karstadt gehen die Beschäftigten seit sechs Jahren leer aus, was die in den Tarifrunden der Branche ausgehandelten Gehaltserhöhungen betrifft. Mit massiven Folgen. Eine Verkäuferin kommt laut Tarifvertrag aktuell in der Endstufe auf 2583 Euro brutto, wie Vieweg erläutert. Bei Karstadt verdient sie derzeit 2308 Euro, also 275 Euro oder gut elf Prozent weniger.

Im "Zukunftstarifvertrag", den Karstadt und ver.di im März 2017 vereinbarten, ist verankert, dass spätestens im Frühjahr 2021 die Tariflöhne wieder in ungekürzter Höhe bezahlt werden. Genau das stellt das Unternehmen nun aber offen infrage, wie Vieweg wütend berichtet: "Die Konzernführung hat uns vor einigen Wochen erklärt, dass der Zukunftstarifvertrag als singuläre Lösung für Karstadt eine Sackgasse sei und ein Segmenttarifvertrag alternativlos."

Er und seine Mitstreiter wollen allerdings nicht kampflos klein beigeben. "Bereits seit 2004 verzichten die Beschäftigten von Karstadt fast ununterbrochen auf Entgeltbestandteile, der Zukunftstarifvertrag ist der inzwischen vierte Sanierungstarifvertrag seither", rechnet der Gewerkschafter vor. Die Betriebsräte wissen, dass die Lage des fusionierten Warenhauskonzerns alles andere als rosig ist. Das Spardiktat mit immer weniger gelernten Verkäuferinnen und Verkäufern ist aus ihrer Sicht allerdings der falsche Weg, um aus der Malaise zu kommen – zumal bei Karstadt die Personaldecke längst fadenscheinig ist, wie Weiß und Vieweg betonen. Bei Fanderls Amtsantritt 2014 zählte Karstadt bundesweit 17.000 Beschäftigte. Jetzt sind es noch rund 12.000, davon etwa 320 in Nürnberg.

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