Beunruhigender Crashtest

Das "dämlichste Auto aller Zeiten": Warum Experten vor Teslas Cybertruck warnen

3.12.2023, 19:15 Uhr

Der Tesla Cybertruck. © Andrej Sokolow/dpa

Es ist nachvollziehbar, dass bei der Vorstellung von Teslas erstem Elektro-Pick-Up, dem Cybertruck, auch mehrere Autos aus Filmen ausgestellt waren - unter anderem ein Fahrzeug aus dem dystopischen Filmklassiker "Blade Runner" und ein DeLorean DMC-12, den die meisten Menschen nur aus "Zurück in die Zukunft" kennen dürften: Auch der Cybertruck sieht aus wie ein Gefährt, das direkt einem Film entsprungen ist. Doch während beispielsweise der DMC-12 (der übrigens ein bodenloser Flop war) vom italienischen Designkünstler Giorgio Giugiaro in ein elegantes und schnittiges Edelstahl-Kleid gesteckt wurde, präsentierte sich der Cybertruck im wahrsten Sinne als grober Klotz, der insbesondere in der Fachpresse und in den sozialen Netzwerken mit enormer Skepsis beäugt wurde.

Start der Auslieferung sollte eigentlich Ende 2021 sein, doch daraus wurde nichts. Erst nach zwei weiteren Jahren wurden nun Ende 2023 die ersten Exemplare ausgeliefert - die Massenfertigung soll gar erst 2025 beginnen. Und nicht nur der ursprünglich geplante Auslieferungstermin ließ sich nicht halten: Auch der Preis musste deutlich angehoben werden. Wurde ursprünglich noch eine Spanne von 40.000 bis 70.000 Dollar in Aussicht gestellt, steht inzwischen fest, dass die günstigste Variante 61.000 Dollar kosten soll, das Spitzenmodell sogar 100.000 Dollar.

Nun, da die ersten Exemplare vom Band gerollt sind und Tesla-Besitzer Elon Musk voller Stolz auch erste Crashtest-Videos des Cybertrucks präsentierte, bilden sich Fachleute erste Meinungen über das auffällige Gefährt - und die sind meist ausgesprochen negativ. Das liegt nicht nur an den Ausmaßen (1,79 Meter hoch, 2,41 Meter breit und 5,68 Meter lang), sondern noch an diversen anderen Eigenheiten des Wagens. Diese verleiten beispielsweise Ryan Cooper, den Chefredakteur des amerikanischen Politik-Magazins "The American Prospect", zu dem drastischen Urteil: Seiner Ansicht nach ist der Cybertruck "wahrscheinlich das dämlichste Auto, das jemals produziert wurde".

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Als Hauptproblem des Cybertrucks sieht er die Karosserie aus Edelstahl - aus mehreren Gründen. Das Material kann entgegen der landläufigen Meinung durchaus rosten, wenn es lange genug korrosiven Einflüssen ausgesetzt ist. Außerdem ist Edelstahl nicht nur in der Herstellung deutlich teurer als normaler Stahl, er ist auch wegen seiner enormen Härte wesentlich schwerer zu bearbeiten. Wie Musk selbst erklärt, ist das auch der Grund für die brachiale Form des Wagens mit seinen scharfen Kanten: Würde man versuchen, Karosserieteile wie bei einem normalen Auto zu pressen, "würde das Presswerk zerbrechen".

Zum Problem wird die Härte der Karosserie, wenn es tatsächlich mal kracht: Auf dem Video des Crashtests, bei dem der drei Tonnen schwere Wagen mit etwa 56 km/h frontal gegen eine starre Barriere prallt, ist zu erkennen, dass sich der Vorderwagen kaum verformt. Während sich ein herkömmliches Auto bei einem solchen Aufprall regelrecht zusammenfalten und damit eine Menge der entstehenden Energie abbauen würde, gibt der Cybertruck die Wucht in großem Umfang an die Insassen weiter - oder bei einem Zusammenstoß auch an das gegnerische Auto.

Für den getroffenen Wagen kann das fatal sein, aber das ficht Elon Musk nicht an: Mit gewohnter Großspurigkeit erklärte er nach der Präsentation des Crashtest-Videos: "Wenn Sie einmal in Streit mit anderen Autos geraten, werden Sie gewinnen."

Die Nische ist klein

Wie häufig das passieren wird, ist allerdings fraglich. Musk behauptet zwar, dass Tesla mit ca. 250.000 pro Jahr verkauften Cybertrucks rechnet, Experten gehen aber eher von einer deutlich geringeren Zahl aus. Zwar sind Pick-Ups aus dem amerikanischen Straßenbild nicht wegzudenken, die meisten davon sind aber nach wie vor meist mit einem Verbrenner ausgestattet - die Nische für elektrisch angetriebene Fahrzeuge dieser Bauart ist also relativ klein. Mike Ramsey, Auto-Experte bei der amerikanischen Datenanalyse-Firma Gartner, meint daher, dass es schon ein Erfolg wäre, wenn Tesla pro Jahr 50.000 Exemplare verkaufen würde.

Sollte das so kommen, wäre das ein Desaster - auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Damit sich der Bau eines normalen Autos amortisiert, müssen pro Jahr etwa 200.000 Einheiten verkauft werden, sagt Olav Sorenson, Professor an der UCLA Anderson School of Management. Nachdem der Cybertruck aber in der Herstellung so viel teurer ist, liegt auch hier die Latte deutlich höher: Mindestens 300.000 Cybertrucks müssten pro Jahr verkauft werden, damit sich der Bau rentiert, schätzt Sorenson.