Die vergessenen "Ruhsteine" im Knoblauchsland

1.4.2013, 12:00 Uhr
Die vergessenen

© Stadtbibliothek Nürnberg

Dies gilt auch für die sogenannten Ruhsteine im Knoblauchsland. Nur noch gelegentlich finden sich ältere Bauern, die von ihnen wissen. Bei den Ruhsteinen handelt es sich um einfach geformte wuchtige Steinblöcke, die an früher viel gegangenen Wegen zu finden waren. Als „Totenraststeine“ dienten sie zum Abstellen der Särge an den alten Kirchenwegen, als Reitsteine dem leichteren Aufsitzen und Absitzen vom Pferd. Manche Raststeine schließlich wurden zum Absetzen der Huckelkörbe genutzt, die im Knoblauchsland Kötzen hießen.

Nur zwei Ruhsteine des Knoblauchslands haben die Stürme der Zeiten überdauert. Der ältere ist der „blaue Stein“. Schon 1467 wurde er mit den Worten „bei den ruepäncken“ erwähnt. Ursprünglich stand er mitten im Acker, rund zwölf Meter nördlich der Bamberger Straße, etwa 80 Meter westlich der Abzweigung Frauntaler Weg. Es ist ein rund 80 Zentimeter hoher Sandsteinblock, der oben eine Stufe aufweist.

Die vergessenen

© Hermann Rusam

Für die Sargträger, die früher die Toten von Lohe, Schnepfenreuth oder Almoshof zum Poppenreuther Friedhof schafften, diente er als Totenraststein. Die Kötzenträgerinnen nutzten ihn als Abstellplatz für ihre Rückentraglasten. Der Stein war nämlich gerade so hoch, dass man, ohne die Last abnehmen zu müssen, in den Tragriemen ausruhen konnte. Nach Leonhard Wittmann soll es dabei gelegentlich zu tragischen Unfällen gekommen sein. Wenn die Traglast umkippte, konnten sich die Tragriemen so unglücklich um den Hals der Trägerin legen, dass sie erdrosselt wurde.

Wegweiser zu fünf Dörfern

Im 19. Jahrhundert erhielt der Stein eine schräge weißblaue Bemalung, auf die sein heutiger Name „blauer Stein“ zurückgeht. Er diente damals als Wegweiser zu den fünf benachbarten Dörfern Thon, Schniegling, Höfles, Poppenreuth und Schnepfenreuth. Reste der Bemalung waren um 1900 noch erhalten.

Vor rund zwanzig Jahren hatte ein Bauer den Stein mit seinem Mähdrescher umgefahren. Bald darauf, im Jahr 1994 erhielt er seinen heutigen Standort südwestlich von Schnepfenreuth kurz vor der Einmündung des Georg-Höfler-Weges in den Spargelfeldweg. Herr Bruckdörfer von der Denkmalschutzbehörde teilte damals dem Verfasser mit, es sei geplant, am neuen Standort eine Bank aufzustellen und Büsche anzupflanzen. Nichts davon geschah. Der unauffällige Stein steht heute verloren inmitten von abgelagerten Bauteilen für Gewächshäuser. Dieser achtlose Umgang mit einem der ältesten Flurdenkmäler des Knoblauchslandes ist geradezu beschämend.

Von zwei inzwischen verlorengegangenen Ruhsteinen in der Nähe von Poppenreuth wird berichtet. Der eine stand am Schleifweg an der Straße nach Fürth, der andere auf dem sogenannten Ruhsteinacker. Aus dem Jahr 1892 stammt ein Aquarell von H. Röhm, das eine Martersäule mit einem Ruhstein davor zeigt, die einst bei Kleinreuth hinter der Veste stand.

Nach einem 1708 von Johann Alexander Boener gefertigten Kupferstich stand eine gotische Martersäule mit einem davor liegenden Ruhstein nicht weit von Großreuth hinter der Veste. Ein Hesperidenblatt von 1708 zeigt einen – inzwischen längst verschwundenen – Ruhstein mitten in Schniegling vor dem Serzschen Herrenhaus. Er steht unmittelbar an der Straße vor einer rechteckigen gotischen Martersäule und ruht auf zwei niedrigen Sandsteinblöcken. Von 1807 stammt eine Zeichnung von Ch. Wilder mit einer Martersäule, einem Steinkreuz und einem spurlos verschwundenen Ruhstein „bey Gründlach“.

Die vergessenen

Der zweite Ruhstein, der im Knoblauchsland erhalten geblieben ist, steht neben einem Steinkreuz an der Einmündung des Kreuzsteinweges in die Poppenreuther Straße. Hier traf einst der alte Schnieglinger Kirchweg mit dem Wetzendorfer zusammen. Der Steinblock wurde erst vor einigen Jahrzehnten wieder freigelegt. Der Sage nach sollen im Bauernkrieg 1525 an dieser Stelle 13 aufrührerische Bauern von den Nürnbergern hingerichtet worden sein. Eine andere Version erzählt, dass im Zweiten Markgrafenkrieg 1552 der Ansbacher Markgraf Albrecht Alkibiades 13 gefangene Nürnberger Bauern habe aufhängen lassen. Ein urkundlicher Beleg über die Aufstellungsgründe, die sich wahrscheinlich in erster Linie auf das Steinkreuz beziehen, konnte allerdings bisher nicht gefunden werden.

Kurze Rast mit Gebet und Schnaps

Wie alte Bauern erzählten, war es vor dem ersten Weltkrieg noch üblich, bei der Überführung von Verstorbenen auf dem Weg zum Friedhof im Pfarrdorf Poppenreuth den Sarg auf dem Ruhstein zu einer kurzen Rast mit Gebet abzustellen. Erst wenn sich die Sargträger mit einem kräftigen Schluck aus der Schnapsflasche gestärkt hatten, machte sich der Leichenzug wieder auf den Weg. Durch die Umgestaltung der Straßeneinmündung 1980 und die Errichtung einer kleinen Anlage hat die Gruppe erheblich gewonnen und zählt heute zu den ansprechendsten Flurdenkmälern des Knoblauchslands.
 

Keine Kommentare