Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt

18.5.2020, 18:28 Uhr
Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt

© Foto: Stefan Hippel

Können die das nicht selbst? Wenn der öffentliche Sektor externe Berater beschäftigt, dann ist Skepsis häufig vorprogrammiert. "Zu Unrecht", sagt Sebastian Schmidt aus Erfahrung. "Die Leute dort sind durch die Bank top ausgebildet und verfügen über umfangreiches Wissen." Schmidt ist Prokurist der Nürnberger ARF Gesellschaft für Organisationsentwicklung mbH, und seit 18 Jahren an Bord.

Das Alltagsgeschäft der Spitzenkräfte im öffentlichen Dienst sei hochkomplex und breitgefächert. Da blieben kaum Zeit und Ressourcen für Projektarbeit, erläutert Schmidt. Zudem seien Gesetze teils so komplex, dass Kommunen für die Umsetzung externes Wissen benötigten. Und da, wie auch bei der Einführung moderner Management-, Controlling- und Rechnungswesen-Systeme, kommen dann Berater wie ARF ins Spiel.

Das Nürnberger Unternehmen entstand vor 25 Jahren aus einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts (KdöR), der 1869 ins Leben gerufenen Landesgewerbeanstalt (LGA) Bayern. Diese ist inzwischen ein großer Ingenieurdienstleister für den Bau.

Kunden des öffentlichen Dienstes

Die von Helge C. Brixner als Strategie- und Managementberatung für den öffentlichen Dienst ausgegründete ARF GmbH konzentriert sich ausschließlich auf Kunden des öffentlichen Dienstes in Bundes- und Landesbehörden, Kommunen, öffentliche Unternehmen, Hochschulen sowie Non-Profit-Organisationen und Kirchen.

Gründungsgesellschafter Brixner war gerade mal Mitte 20, als er 1995 den Sprung in die Selbständigkeit wagte. Das tat er, wie er berichtet, weil der LGA-Verwaltungsrat nicht gerade begeistert gewesen sei von seiner Idee, die Organisationsprojekte der LGA, die er als Mitarbeiter begleitete, auch Kunden als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen. "Die wollten den privaten Beratern nicht Konkurrenz machen", erinnert sich Brixner.

Gesellschaftsanteile an dem Startup erwarben damals ferner der seinerzeitige Organisationschef und Justiziar der LGA, Peter Thumann, der jedoch bei der LGA blieb, sowie LGA-Controller Horst Körner. Körner wurde nach einem Intermezzo bei einer Privatklinik 2001 Geschäftsführer der ARF GmbH und blieb dies bis zu seinem Tod 2012. Der Vierte im Bunde, Artur Friedrich, ging als Professor für Management mittelständischer Unternehmen an die Hochschule für Technik und Wissenschaft (HTW) Dresden, steuerte aber die beiden ersten Buchstaben seines Vor- sowie den ersten seines Nachnamens zum Namen des jungen Unternehmens bei: ARF.

Oberste Prämisse der Beratertätigkeit ist es laut Brixner, gleichermaßen Wissensträger wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konstruktiv in die Veränderungsprozesse einzubinden. Dabei könne es unter anderem um die Umstellung von der Kameralistik auf die doppelte Buchführung gehen, die eine transparente Berichterstattung über die öffentlichen Finanzen ermögliche, oder die Einführung von SAP (Systeme, Anwendungen, Produkte in der Datenverarbeitung).

Digitale Herausforderungen

Auch die Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes und die mit neuen Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufen einhergehende Digitalisierung der Verwaltung klappten nur dann, wenn alle, die davon betroffen sind, umfassend informiert seien und mitzögen, erklärt Brixner. Die Verwaltung einer großen Stadt in Bayern etwa habe, unterstützt durch das Beratungsunternehmen aus Nürnberg, die Schwierigkeiten mit ihrer Informationstechnik so gelöst, dass es intern nur Gewinner gebe, berichtet Schmidt. Die verstreuten IT-Bereiche seien zusammengeführt und zu einem zentralen Referat für IT umgebaut und damit aufgewertet worden

An den richtigen Schrauben drehen

"Die Kunst dabei: An den richtigen Schrauben drehen und von den vielen guten Ideen der vielen Beteiligten die guten beibehalten und glaubhaft zu machen, dass die anderen deshalb nicht als schlecht abqualifiziert werden, sowie den allgemeinen Nutzen transparent zu machen – dazu braucht es jede Menge Fingerspitzengefühl."

Wie schon Hamburg, München, Wiesbaden, viele kleine Kommunen und Bundesverwaltungen habe auch Nürnbergs Finanz- und IT-Referent Harald Riedel laut Schmidt verschiedentlich ARF konsultiert. "Wir haben die Projekte immer auch im Stadtrat vorgestellt", sagt der Berater.

Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass ein sachgerechter Einsatz externen Sachverstandes der Verwaltung helfen könne, richtige Antworten auf neue und komplexe Fragestellungen in einem sich rasch verändernden Umfeld zu finden. Die Umsatzanteile von Unternehmensberatungsleistungen im öffentlichen Sektor sind international deutlich höher als in Deutschland. 2018 waren es hier 9,3 Prozent am Branchengesamtumsatz von 31,5 Milliarden Euro (Quelle: Facts & Figures zum Beratermarkt 2018).

Laut Martin Brüggemeier, Professor für Betriebswirtschaft und Public Management an der Hochschule für Technik und Wissenschaft (HTW) Berlin, muss sich die Vergabe durch den Auftraggeber insbesondere auf die Erfahrungen und den Ruf des Auftragnehmers stützen. Dass Qualität einen hohen Stellenwert hat und nicht der Preis im Vordergrund steht, kommt dem Nürnberger Unternehmen mit seinen rund 40 Mitarbeitern, davon 28 Berater, zupass.

Die Liste der Firmen, die die öffentliche Hand beraten, ist lang. Es sind so klangvolle Namen darunter wie McKinsey, Roland Berger und Lokalmatador Rödl & Partner; und doch kommt die ARF GmbH – nach eigenen Angaben dank entsprechender Reputation – auch immer wieder bei europaweiten Ausschreibungen zum Zug. Die Beteiligung an Ausschreibungsverfahren der öffentlichen Hand ist laut Schmidt mit vielen Anforderungen verbunden.

Kontakt zu Universitäten

Um möglichst viele Beratungsbereiche abdecken zu können und auf dem aktuellen Stand der Forschung zu sein, pflegt ARF den Kontakt zu Universitäten. "Zum Beispiel haben wir, als uns das bayerische Forstministerium mit einem Bericht zur Bewertung der Forstreform beauftragt hat, zwei auf Waldbau spezialisierte Professoren mit ins Boot geholt", erinnert sich Schmidt.

Der Bericht von 2010 empfahl dann unter anderem, die einseitige ökonomische Orientierung aufzugeben und ökologische wie soziale Ziele zu konkretisieren und zügig umzusetzen. Und noch eines ist Schmidt wichtig: "Unsere Beratertätigkeit zielt ausdrücklich nicht darauf ab, den öffentlichen Dienst zu privatisieren."

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