Wo ein Schäferstündchen länger als 60 Minuten dauert

13.7.2012, 00:00 Uhr
Wo ein Schäferstündchen länger als 60 Minuten dauert

© Birgit Herrnleben

„Saufleisch?!“ Sascha Gäbler verzieht sein sonnengegerbtes Gesicht. „Nein, Saufleisch, das ess ich nicht!“ Gäbler ist Hüteschäfer in der Marktgemeinde Mörnsheim im Naturpark Altmühltal und der Mann weiß, wovon er spricht: Seit 1982 ist sein Beruf auch seine Berufung. Nach einer dreijährigen Ausbildung in der Schäferschule in Triesdorf, lebt und liebt er seinen Beruf.

950 Tiere – Schafe, Lämmer und auch Ziegen, treibt der 47-Jährige bei Wind und Wetter auf die steilen Hänge im Naturpark Altmühltal, die „Outdoor-Saison“ dauert für ihn und seine wolligen „Mähmaschinen“ von Mai bis Oktober. Insgesamt 150 Hektar Fläche zwischen Solnhofen, Pappenheim und Mörnsheim beweidet Gäbler mit seinen Vierbeinern und trägt so zum Erhalt der Landschaft bei, wie Richard Mittl, Bürgermeister der Marktgemeinde Mörnsheim erzählt.

Die kargen Magerrasenflächen und Wacholderheiden sind ein gefundenes Fressen für Mutterschafe und Lämmer und gleichzeitig auch „Naturschutz, den man ohne Schäfer überhaupt nicht leisten könnte“, wie Richard Mittl, betont. Denn wären die Vierbeiner nicht, würden die Jurafelsen in wenigen Jahrzehnten hinter Büschen und Bäumen verschwinden. Silberdistel, Enzian und Schwalbenschwanz hätten keinen Lebensraum mehr.

Steinklee, Hornklee und Esparsette sind ausgesuchte Leckerbissen für die Hüteschafe. Das harte Weidegras kommt erst dann dran, wenn der grüne Speisezettel keine aromatischen Pflanzen mehr auftischt. Hüten, treiben und impfen muss Gäbler seine Tiere und an heißen Sommertagen auch dafür sorgen, dass immer genügend Wasser für die Tiere da ist: Große Stahltanks stehen dafür auf den Weiden bereit. 2000 Liter Wasser reichen an heißen Tagen kaum aus, erzählt er.

Bis zu 18 Kilometer ist er täglich mit der Herde unterwegs. Rhöner und Füchse heißen die Schafrassen, die Gäbler mit lauten Rufen im Zaum hält, und wenn die Vierbeiner doch mal nicht auf ihren zweibeinigen Chef hören wollen, dann sind da noch Sepp und Susi, die beiden altdeutschen Hütehunde, die für Ordnung in der knapp tausendköpfigen Truppe sorgen.

Und doch hat der Schäfer des 21. Jahrhunderts nichts mehr mit zivilisationsmüden Quereinsteigern oder gar mit der vielbesungenen Schäferromantik zu tun: der Mann von heute ist mobil auf dem Handy auf der Wacholderheide erreichbar, ist heißer Fan des FC Bayern und kehrt nach getaner Arbeit heim zu Frau und Kind. Allerdings, so räumt Gäbler ein, dauert eine Schäferstunde länger als 60 Minuten: Nicht vor 21 Uhr kommt er oftmals nach Hause. Einen Nachfolger zu finden ist schwierig, Gäbler will weitermachen, solange seine Knochen die Arbeit bei Wind und Wetter mitmachen. Der Flächenfraß durch Biogasanlagen macht ihn wütend, sorgt er doch dafür, dass der Wiesenschnitt als Winterfutter für die Tiere fehlt.

Höchstens sechs Monate alt darf das Altmühltaler Lamm sein, so Gäbler, um das aromatisch-milde Fleisch zu liefern, das in den regionalen Wirtshäusern auf der Speisekarte steht. Lammfleisch aus Übersee, das tiefgefroren nach einer Weltreise nach Deutschland kommt, erteilt er eine klare Absage.

Wer nach der etwa zweistündigen Wanderung mit Sascha Gäbler Appetit bekommen hat, kann bei einer kräftigen Mahlzeit mit Altmühltaler Lamm neue Kräfte tanken. Aber keine Sorge, auch das „Saufleisch“ steht auf der Karte, in Form eines knusprigen Schäuferl’.

Anmeldungen zum „Schäferstündchen“ telefonisch bei der Marktgemeinde Mörnsheim unter 09145/ 83150. Die Kosten pro Person betragen incl. Mittagessen 15 Euro. Infos auch unter www.naturpark-altmuehltal.de/angebote/kulinarisches–schaeferstuendch-1660
 

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