Schwein gehabt

20.10.2012, 13:53 Uhr
Schwein gehabt

© Julia Beeck

Eleonora von Hallerndorf hat einen ungewöhnlichen Geschmack: Spaghetti mag sie gerne troppo al dente, zu deutsch: ungekocht; trockenes Brot knuspert sie zwischendurch und der Jahreszeit angepasst stehen auch ein paar vitaminreiche Eicheln auf ihrem Speisezettel. Was nach einer exzentrischen Diät klingt, ist in Wahrheit der Auszug aus dem Speisezettel für die 14 Wildschweine im Gehege an der Kurt-Schumacher-Straße in Erlangen.

Bevor das Schaugehege an den Obi-Kreisel umzog, lag es mehr als dreißig Jahre südlich von Buckenhof im Wald. 2005 wurden in dem Gebiet Trinkwasserbrunnen gebohrt, und so musste das Schwarzwild näher an den Waldrand rücken. Die Idee von damals ist aber die gleiche wie heute: Es gilt den Wald für Besucher attraktiver zu machen. „Einen Vierjährigen bringt man halt eher zu einem Spaziergang in den Wald, wenn er am Ende die Wildschweine füttern darf.“ erklärt der für das Gehege verantwortliche Revierförster Hubert Schorer vom Forstbetrieb Nürnberg.

Die Stammbesetzung des Wildschweingeheges an der Kurt-Schuhmacherstraße besteht aus einem dreijährigen Keiler und drei Bachen, die zwischen neun und zwölf Jahren alt sind. Eleonora ist eine dieser Bachen. Als Frischling wurde sie von einem Jäger in der Nähe von Hallerndorf gefunden. Mit der Flasche hochgepäppelt war sie bald so fest in die Familie integriert, dass sie auch bei Biergartenbesuchen dabei war. Zunächst.

Denn alles Kleine wird mal groß. Und nachdem sie hin und wieder die Kücheneinrichtung, samt Tisch und Stühlen ordentlich durcheinander gebracht hatte, war ihr „Pflegevater“ froh, dass Förster Schorer sie in das Wildschweingehege aufnahm.

Wie Eleonora wurde auch der Keiler von Menschen aufgezogen. Als Schorer den Keiler für das Gehege angeboten bekam, passte das ganz gut. „In so einer geschlossenen Population von Wildschweinen treten durch Inzest, zunehmend Miss- oder Totgeburten auf. Neues genetisches Material ist da ein Garant für die Gesundheit der Tiere.“

In der freien Natur beginnt die Paarungszeit bei den Wildschweinen in der Regel im November. Dabei macht die Leitbache der Rotte den Anfang. Wird sie empfängnisbereit, werden es auch alle anderen Bachen. Dabei werfen die Tiere nahezu zeitgleich, was die Überlebenschancen der Frischlinge erhöht. „Hier bei uns im Gehege sind die Geburten nicht synchronisiert. Das Futter ist reichlich da, ihnen geht es gut und insofern gibt es bei uns häufiger Frischlinge als in freier Wildbahn.“

„Ganz schön verwöhnt“

Und den Wildschweinen geht es wirklich prächtig. Im Gehege sind für sie zwei Suhlen angelegt, in denen sie sich im Schlamm wälzen können. Das machen sie nicht nur sehr gerne, sondern es ist auch notwendig. Die Tiere schützen sich dadurch vor Parasiten und Insekten. Den eingetrockneten Matsch reiben sie dann an den sogenannten Malbäumen ab. Im Gehege gibt es auch Unterstände, wo die Bachen ihren Geburtskessel einrichten. Das ist eine Mulde, die sie mit Stroh und Heu auspolstern, um darin die Frischlinge zu werfen. Die Tragezeit beträgt ungefähr 114 bis 118 Tage, oder einfacher drei, drei, drei. Drei Monate, drei Wochen und drei Tage. Nach dieser Zeit bringt die Bache bis zu sieben Frischlinge zur Welt.

Die Wildschweine im Gehege werden zwei Mal in der Woche mit einer großen Ladung Mais und Weizen gefüttert. Zusätzlich bekommen sie die Leckereien, die die Besucher mitbringen „Unsere Wildschweine sind ganz schön verwöhnt. Von einigen Besuchern bekommen sie nur Bionudeln oder geschälte und entkernte Äpfel“, berichtet Schorer. Ärgerlich wird er allerdings, wenn Plastiktüten oder Glasflaschen im Gehege landen. An den Scherben können sich die Tiere verletzten und Plastiktüten machen das Gehege nicht gerade schöner. Speisereste oder verschimmeltes Brot sind als Futter nicht geeignet.

Obwohl die Tiere sehr zutraulich sind und bei raschelnden Tüten freudig an den Zaun traben, müssen Eltern auf ihre Kinder achten, wenn die Kleinen die Wildschweine füttern. „Der Futterneid ist bei den Tieren sehr groß. Die sind dann so gierig, dass sie einen Kinderfinger leicht mit einer Nudel verwechseln. Außerdem: Das Wildschweinegehege ist kein Streichelzoo. Deshalb müssen die Finger der Kinder immer vor dem Zaun bleiben.“ Da ist es dann besser man sucht sich einen langen stabilen Stock und schrubbt die Tiere damit. Manchmal gefällt das den Wildschweinen so gut, dass sie sich sogar hinlegen und die Stockmassage genießen.

Um den Tierbestand auf einem für die Fläche verträglichen Maß zu halten, muss der Förster hin und wieder einige der Jungtiere schießen. Die erlegten Tiere kommen nach Kalchreuth zu einem speziell lizensierten Metzger. „Mit dem Erlös können wir immerhin einen Teil der laufenden Kosten decken.“ Aber an Wildschweinschinken, Braten á lá Asterix oder in Knoblauchöl eingelegte Medaillons mag man beim Füttern der Tiere erstmal nicht denken.

Kurt-Schumacher-Straße, Parkplatz am Obi-Kreisel.

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