Der "Nürnberger Wappenweg": Adler, Adler, nichts als Adler

25.4.2014, 12:00 Uhr
An der Mauthalle, von 1498 bis 1502 als größtes Nürnberger Kornhaus erbaut, ziert ein Wappenzeichen den Eingang, das Adam Kraft einst gestaltet hat. Der Hund zeugt von seinem Sinn für Humor.

© NZ An der Mauthalle, von 1498 bis 1502 als größtes Nürnberger Kornhaus erbaut, ziert ein Wappenzeichen den Eingang, das Adam Kraft einst gestaltet hat. Der Hund zeugt von seinem Sinn für Humor.

Unsere Stadt führt zwei Wappen. Zum einen das „Große“: Nicht von der Größe her, sondern als Entwicklung aus dem Hauptsiegel der Stadt von um 1254. Mit diesem goldfarbenen Königskopfadler auf blauem Grund, dem kaiserlichen Siegel des Staufers Friedrich II. nachempfunden, dokumentiert die Stadt ihre Reichsfreiheit.

Das zweite ist das „Kleine“: Als Entwicklung aus dem Rücksiegel der Stadt von 1348. In einem gespaltenen Schild auf der heraldisch bedeutenden rechten Seite, vom Betrachter links, befindet sich ein halber schwarzer Adler auf goldenem Grund, auf der Gegenseite sind die rot-silbernen Schrägbalken des ehemaligen Nürnberger Kriegsschildes. Zur Dokumentation der engen Beziehung der Stadt zum Kaisertum findet sich seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert die gebräuchliche Kombination dieser beiden Wappen mit dem Reichswappen, dem doppelköpfigen schwarzen Adler auf Goldgrund: der „Wappendreiverein“. Was für eine selbstbewusste freie Reichsstadt!

Der Hund dient zur Auflockerung

Wir stehen vor dem Ostgiebel der Mauthalle, die 1498–1502 als Kornhaus von Hans Beheim d. Ä. erbaut wurde, 1945 völlig ausbrannte und 1951–1953 wiederaufgebaut wurde. Im Tympanon (Bogenfeld) des Eingangsportals sehen wir das von Adam Kraft geschaffene, noch originale Beispiel eines „Wappendreivereines“. Zwei Dinge fallen hier ganz offensichtlich auf: Im Spruchband fehlt das Datum der Baufertigstellung 1502. Das Relief wurde also schon vor Bauende vollendet und der Datumseintrag danach einfach vergessen. Der geduckte Hund mit eingezogenem Schwanz ist hier weniger als Symbol der Wachsamkeit aufzufassen, sondern eher als humoristische Auflockerung, für die Adam Kraft sprichwörtlich bekannt ist, wie man es z. B. auch am Waagrelief an der Westfassade der IHK sehen kann.

Die Mauthalle umrunden wir über den Hallplatz und stehen nun vor dem Westportal mit seinem 1898 neu gestalteten Bogenfeld mit unseren zwei bekannten klassischen Stadtwappen. Doch das wachsame Auge erspäht noch ein Drittes. In einem kleinen Schild ein Schuh: Das Familienwappen des von 1892–1913 regierenden Oberbürgermeisters Georg Ritter von Schuh, der sich hier selbstbewusst verewigt hat.

Engel wurde nach alten Stichen und Fotos restauriert

Gegenüber der westlichen Schaufassade von St. Lorenz stehen wir vor dem einzigen, noch erhaltenen mittelalterlichen Turmhaus Nürnbergs, dem „Nassauer Haus“. Nach erheblichen Kriegseinwirkungen wurde es von der Schlüsselfelderischen Familienstiftung wiederhergestellt. Zu beachten ist ein sogenanntes redendes Wappen unter dem Chörlein. Der untere Gebäudeteil ist im Kern noch romanisch aus dem späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert, die beiden oberen Geschosse mit bekrönendem Zinnenkranz und Eckerkern sind aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Figur des sandsteinernen, sitzenden Verkündigungsengels an der Südostecke wurde nach alten Stichen und Fotos restauriert und von den Altstadtfreunden 2006 wieder angebracht.

Dieser doppelköpfige Reichsadler ziert ein Tor auf der Kaiserburg.

Dieser doppelköpfige Reichsadler ziert ein Tor auf der Kaiserburg. © NZ

In Anlehnung an die Maßwerkbrüstung des von Kaiser Karl IV. errichteten 100 Jahre älteren Michaelschores der Frauenkirche ließ der damalige Besitzer Ulrich Ortlieb 1433 selbstbewusst ein ähnliches Wappenprogramm erstellen. Umgeben u. a. von kurfürstlichen und anderen Hoheitszeichen findet sich hier das früheste Beispiel des Nebeneinanders unserer beiden Stadtwappen mit dem doppelköpfigen Kaiseradler. Unser Weg führt uns zum Ostgiebel des Alten Rathauses von 1340. Rechts neben dem noch originalen Sandsteinchörlein, das übrigens das älteste erhaltene in Nürnberg ist, finden wir einen ganz anderen Typ des Stadtwappens: der auch bauzeitliche, einköpfige Reichsadler in regelrechter Siegerpose. An der Südseite des gotischen Rathaussaales vorbei gelangen wir zur westlichen Schaufassade des Rathauses, die von 1616-1622 nach den Plänen des Stadtwerkmeisters Jacob Wolff d.J. im Stil des Manierismus errichtet wurde. Über 3 Portale verteilt finden wir hier unsere „Wappendreiheit“ wieder.

Über dem Südportal das „Kleine“, über dem Mittelportal den in Kupfer getriebenen, diesmal einköpfigen „Reichsadler“ und über dem Nordportal das „Große“. Doch hier stutzt der aufmerksame Betrachter mit Recht: Infolge des Verlustes des Ursiegels um 1440 mutierte der „Königskopfadler“ durch künstlerische Freiheit zum „Jungfrauenadler“ der Renaissance- und Barockzeit mit seinen nicht zu übersehenden, üppigen weiblichen Attributen. Bis heute wurde er jedoch in dieser Form niemals als offizielles Stadtwappen geführt.

Ganz anders hingegen präsentiert sich das Sandsteinrelief von um 1310–1320 mit dem Königskopfadler am Haus Winklerstraße 37/Ecke Weinmarkt. Gegenüber dem Westchor von St. Sebald, hoch oben in einer reich profilierten Rundform, verbindet sich in der Adlerfigur in einzigartiger Weise plastische Fülle mit zarter melodiöser Linienführung.

Es ist das schönste erhaltene Beispiel des „Großen Nürnberg Stadtwappens“ als Architekturschmuck, geschaffen wohl vom Umkreis des Sebalder „Katharinenmeisters“ der Portalsskulpturen. Die ehemalige Zweckbestimmung des Hauses ist nicht bekannt, das städtische Hoheitszeichen lässt jedoch auf ein wichtiges amtliches Gebäude schließen.

Gotischer Königskopfadler

Vom altehrwürdigen Tiergärtnertorturm herab, der im Kern aus dem späten 13. Jahrhundert, in seiner jetzigen Form von 1516 stammt, grüßt das auch noch originale, bauzeitliche Sandsteinrelief. Entsprechend seiner frühen Entstehungszeit ist es in Form des gotischen Königskopfadlers ausgeführt.

Ein plastisch gestalteter Adler befindet sich an der Westseite des Wolffschen Baus.

Ein plastisch gestalteter Adler befindet sich an der Westseite des Wolffschen Baus. © NZ

Über den Stufenweg am Pilatushaus und den Ölberg gelangen wir zum südöstlichen Zugang zur Kaiserburg, dem „Himmelstor“. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts errichtet, erhielt es seine heutige Form 1520. Als Zeichen reichsstädtischen Selbstbewusstseins befindet sich hier über dem Spitzbogenportal das uns schon von der Mauthalle her bekannte „Kleine Wappen“, hatte doch König Sigismund der Stadt 1422 den baulichen Unterhalt der Burg übertragen.

Nach Durchschreiten der Vorburg, am „Heidenturm“ oder auch „Margaretenturm“ genannt, vorbei erleben wir vor dem inneren Portal der Kaiserburg eine weitere Steigerung dieses städtischen Selbstbewusstseins. Sogar vor dem „Intimbereich“ des Kaisers prangt über dem Renaissancetor die „Wappendreiheit“! Die Zahl 1562 lässt es uns schon erahnen: Es kann sich beim großen Stadtwappen nur um den Jungfrauenadler handeln. Eindrucksvoll auch der doppelköpfige Reichsadler auf dem Torflügel mit dem Habsburger Herzschild Rot-
Weiß-Rot.

Vor der Kaiserstallung beenden wir unseren Spaziergang. Auch von Hans Beheim d. Ä. als Kornhaus errichtet, findet sich hier ebenfalls die uns von der Mauthalle her bekannte, bauzeitliche „Kunst am Bau“ von Adam Kraft: Über dem gotischen Spitzbogenportal ein nach Kriegsschaden restauriertes Wappenrelief mit Inschrift über die Erbauung 1494/95. Eingebettet ist unser „Kleines“ Nürnberger Stadtwappen in eine spätgotische Wimperge, einen giebelförmigen, gotischen Bauteil, mit Bandelwerk und bekrönender Kreuzblume, just aufgehängt an einem Lederriemen!

Mit dieser unkonventionellen und schöpferischen Erfindungsgabe des Künstlers, selbst an reichsstädtischen Hoheitszeichen, ein würdiger Abschluss unseres heutigen kleinen Wappenweges.

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