Der Kaiser wohnte lieber im Privatquartier

24.7.2014, 17:43 Uhr
Der Kaiser wohnte lieber im Privatquartier

© Altstadtfreunde

Zweifellos war er ein Fan unserer Stadt. In den 33 Jahren seiner Regierung besuchte er, ein gebürtiger Münchner, Nürnberg insgesamt 74-mal – und das in einer Zeit, als Reisen viel beschwerlicher war als heutzutage! Die Rede ist von Ludwig IV., besser bekannt als Ludwig der Bayer. Das runde Jubiläum seiner Wahl zum König 1314 (die Kaiserkrönung erfolgte 1328) bildet den Anlass für den heutigen Spaziergang.

Startpunkt ist das 1888/89 erbaute Hotel „Deutscher Kaiser“, Königstraße 55. Seinen Giebel ziert in luftiger Höhe – daher meist unbeachtet – eine von Friedrich Wanderer entworfene Statue des Herrschers: eine Reverenz des Hoteliers vor den regierenden Wittelsbachern, die Ludwig IV. zu ihren Vorfahren zählten. Sie erinnert aber auch an Ludwigs Bedeutung für Nürnbergs Karriere als Handelsmetropole – verlieh er doch der Stadt zahlreiche wichtige Privilegien.

Die Mauthalle existierte zu Ludwigs Zeiten noch nicht, hier befand sich bis 1498 der Graben der vorletzten Stadtbefestigung. Das Nassauer Haus dagegen könnte der Regent bereits gesehen haben. Seine beiden Untergeschosse stammen von einem Wohnturm des 13. Jahrhunderts, der wohl Sitz eines königlichen Ministerialen war.

Der Kaiser wohnte lieber im Privatquartier

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Der gewaltige Hallenchor der Lorenzkirche wurde zwar erst rund 100 Jahre nach Ludwigs Tod – er starb 1347 – erbaut, geht aber zumindest indirekt auf ihn zurück: Im Kampf gegen seinen Widersacher Friedrich der Schöne, der 1314 ebenfalls zum König gekrönt worden war, eroberte Ludwig 1316 die Stadt Herrieden. Dabei wurde er tatkräftig von Nürnberg unterstützt. Als Dank schenkte Ludwig den Nürnbergern 39 Partikel der Gebeine des Heiligen Deocarus, der um 800 Abt des Herriedener Benediktinerklosters gewesen war. Diese Reliquien wurden bald zur Hauptattraktion der Lorenzkirche. Wunderheilungen ließen den Strom der Pilger kontinuierlich anwachsen. Damit erreichte St. Lorenz als Wallfahrtsziel eine ähnliche Bedeutung wie St. Sebald. Der Bau eines ähnlichen Hallenchores sollte dies verdeutlichen.

Der Monarch als Reliquien-Überbringer

Heute ruhen die Deocarus-Reliquien im Eichstätter Dom. Der 1437 für den Heiligen errichtete Altar dagegen verblieb in der Lorenzkirche. Er gehört zu ihren wichtigsten Kunstwerken. Wir finden ihn am Beginn des nördlichen Chorumganges, unweit des Sakramentshauses von Adam Kraft. Ein Gemälde darauf zeigt die Überführung der Reliquien nach St. Lorenz: Ludwig der Bayer – hinter ihm ein Fahnenträger mit Rautenflagge (!) – übergibt vier Geistlichen den Silberschrein mit den Gebeinen des Heiligen.

Der Kaiser wohnte lieber im Privatquartier

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An der Ecke der Spitalapotheke am nördlichen Ende der Museumsbrücke ist eine Bronzefigur angebracht, die Konrad Groß darstellt, den Stifter des Heilig-Geist-Spitals. In seiner Linken hält er die Stiftungsurkunde. Die Statue, ein Werk des Bildhauers Maximilian Rueß, stammt von 1967/68. Konrad Groß war um 1330 Nürnbergs reichster Bürger und häufig Gastgeber Ludwigs – der Herrscher zog Privatquartiere einem Aufenthalt auf der Kaiserburg vor. Groß besaß den späteren Plobenhof (Areal nördlich der Pegnitz zwischen Museums- und Fleischbrücke), außerdem eine große Hofanlage mit Garten beim heutigen Hans-Sachs-Platz. Ludwig bezeichnete Konrad Groß mehrfach als „lieben wyrt ze Nurmberg“ und lobte seine Umsicht und Treue. Besonders wichtig für Ludwig waren die zahlreichen Finanzspritzen, die er, stets in Geldnöten, von Groß erhielt. Im Gegenzug bekam Groß wichtige Rechte und Vergünstigungen, sogar das Reichsschultheißenamt durfte er verwalten.

Ein Abstecher führt uns zum Grabmal des Konrad Groß im Kreuzigungshof des Heilig-Geist-Spitals. Es hat die Form eines Tischgrabes: Acht trauernde Figuren tragen eine Marmorplatte, darunter liegt eine Halbrelieffigur des 1356 Gestorbenen. Als Anhänger Ludwigs musste Groß um sein Seelenheil bangen, denn Papst Johannes XXII. hatte den Herrscher mitsamt seinen Parteigängern aus machtpolitischen Erwägungen 1324 exkommuniziert.

Ludwig hatte keine Angst vor dem Kirchenbann

Die Angst vor der ewigen Verdammnis war hauptverantwortlich für Groß‘ umfassende Stiftungstätigkeit. Ludwig dagegen war von dem Kirchenbann weniger beeindruckt: Er ließ sich 1328 in Rom entgegen aller Tradition nicht vom Papst, sondern vom römischen Stadtadel zum Kaiser krönen und setzte dann kurzerhand einen Gegenpapst ein. Da ihm sein Handeln offenbar selbst nicht ganz geheuer war, gründete er 1330 vorsichtshalber Kloster Ettal. Man weiß ja nie...

Vor der Eskalation seines Streites mit dem Papst hatte Ludwig noch an ein allgemeines Konzil appelliert, jedoch vergeblich. Diese Appellation verfasste er 1323 im Haus des Patriziers Albrecht Ebner. Es lag am Salzmarkt, im Bereich des heutigen Rathausplatzes.

Auf dem Weg dorthin passieren wir den an der Westfassade der Frauenkirche thronenden und auf die allmittägliche Huldigung der Kurfürsten wartenden Kaiser Karl IV. Er wurde 1346 als Gegenkönig zu Ludwig aufgestellt. Zu einer Entscheidungsschlacht zwischen den beiden kam es freilich nicht mehr, Ludwig starb im Herbst 1347 durch einen Schlaganfall.

Neun Jahre nach Ludwigs Aufenthalt bei Ebner dürfte es dort laut und staubig gewesen sein: 1332 begann der Umbau des am Salzmarkt gelegenen Brothauses des Klosters Heilsbronn zu einem repräsentativen Rathaus. Durch eine Erhöhung des Straßenniveaus wurden die ehemaligen Brotstuben zu Kellerräumen, die fortan als Lochgefängnisse dienten. Das einstige Ober- und jetzige Erdgeschoss wurde zu einer Ladenzeile umfunktioniert. Darüber entstand bis 1340 ein prächtiger Saalbau, damals der größte ungeteilte Profanraum nördlich der Alpen. Von seiner ursprünglichen Ausstattung sind nur noch die beiden stark beschädigten Reliefs an der Ostwand erhalten. Das linke Relief zeigt wohl eine Privilegienverleihung unter Kaiser Ludwig, das rechte Relief Ludwig mit Zepter und Reichsapfel, beschirmt von zwei Engeln, die die Kaiserkrone halten. Den Thron bilden zwei Adler. Sie stehen auf Löwen, die vielleicht besiegte Feinde symbolisieren. Leider ist der Rathaussaal nur selten zugänglich.

Wesentlich genauer erkennen wir diese Details auf einem Abguss noch aus der Vorkriegszeit in der neuen Dauerausstellung auf der Burg. „Er schien immer zu lächeln“ – eine mittelalterliche Beschreibung Ludwigs, die sich der Betrachter des Reliefabgusses gut vorstellen kann. Wir finden ihn gleich links hinter der Tür, die in den oberen Saal des Palas führt. Auf der anderen Seite der Eingangstür steht der Abguss eines Reliefs aus Mainz, das Original entstand um 1330: Hier ist Ludwig als bewaffneter Ritter dargestellt. In einer Vitrine liegt die Kopie eines weiteren Reliefs, das Ludwigs Krönung zum König von Italien zeigt. Sie fand 1327 im Vorfeld seiner Erhebung zum Kaiser statt. Das Original wurde 1330 angefertigt.

Der Beiname „Bayer“ war als Schimpfwort gedacht

Auch zwei Gemälde aus der Neuzeit zeigen Ludwig: Seine Grabplatte in der Münchner Frauenkirche war das Vorbild für ein 1895 entstandenes Werk des Malers Rudolf von Seitz. Es hängt am Saalende rechts. „Kaiser Ludwig verleiht Konrad Groß das Reichsschultheißenamt“ ist der Titel des zweiten Bildes von 1863. Es ist im Eckraum des Palas zu sehen und stammt von Ferdinand Rothbart.

Nachbemerkung: „Bayer“ war die abfällige Bezeichnung des Papstes für Ludwig, dessen Herrschaft er ablehnte. Ein fränkischer Schelm, wer Böses dabei denkt!

 

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