Am Hauseck lupft ein Heiliger das Röcklein

19.11.2015, 18:37 Uhr
Am Hauseck lupft ein Heiliger das Röcklein

© Foto: Clemens Helldörfer

Wir beginnen am Unschlittplatz. Im spitzen Winkel zur Mühlgasse stemmt sich ein hübsch renoviertes Häuslein gegen den Hang. An dessen Hauseck lupft ein Heiliger sein Röcklein. Das ist der heilige Rochus, er zeigt uns eine Pestbeule, von der er genesen ist.

Das Unschlitthaus lassen wir links liegen, das kennen Sie gut. Nur ein Hinweis: An der Giebelseite steht die alte Hausnummer L 171. Zu napoleonischer Zeit hat Nürnberg um 1796 erstmals Hausnummern bekommen, Lorenzer Seite L 1 bis L 1579, Sebalder Seite S 1 bis S 1740. Wenn Sie eine alte napoleonische Hausnummer in der Altstadt wissen wollen, dürfen Sie gerne bei den Altstadtfreunden anrufen – die haben eine Liste.

Schräg gegenüber, an der Ecke zur Hutergasse, ist die Almosenmühle. Bevor man ihn in Rohren unter das Pflaster verbannte, plätscherte der Fischbach durch die Hutergasse und trieb ein Mühlrad. Das Personal im Spirituosengeschäft in der Almosenmühle erlaubt Ihnen, einen Blick in seine Räume zu werfen. Da sehen Sie im Fußboden noch den Schacht, in dem das oberschlächtige Mühlrad lief und noch andere historische Details (siehe auch Artikel unten).

Durch die schmale Hutergasse, die Gasse der Hutmacher, gehen wir bergauf. Das Haus Nr. 8 auf der rechten Seite wurde jüngst liebevoll renoviert, einschließlich eines ganz seltenen Details: Über der Haustüre hängt schräg – sieht aus wie eine Blechklappe – ein Spiegel, der in der engen Gasse etwas Tageslicht in den Hausflur lenkt. Ein praktisches Stromsparsystem, das einst recht häufig war. Hier sehen Sie den letzten seiner Art! Werfen Sie auch einen Blick auf das Dach von Haus Nr. 7 gegenüber. Der Dacherker ist typisch für ein Ledererhaus. Auch das ist der letzte seiner Art.

Die Vordere Ledergasse ist wenig ansehnlich, aber dies ist eine „Entdeckertour“ und wer genau hinschaut, entdeckt auch was. Haus Nr. 2 hat ein barockes Chörlein und zwei Häuser weiter am Haus Nr. 8 ist noch ein Chörlein. Dieses unansehnliche Haus mit seiner Nachkriegsfassade wird gerade renoviert und birgt Überraschendes. Das Erdgeschoss und der 1. Stock stammen aus dem 15., der Dacherker aus dem 16. Jh. Erst um 1857 – das ist ungewöhnlich – hat ein romantisch veranlagter Eigentümer das Chörlein an die Fassade geheftet und im 20 Jh. hat der Dacherker sein klassizistisches Äußeres und die spitze Haube erhalten – eine ungewöhnliche Entwicklung! Der Putz an der Fassade wird sicher im weiteren Verlauf der Renovierung abgeklopft werden und wir sind gespannt, was darunter zum Vorschein kommt. Nicht nur jener allgegenwärtige Nürnberger Verein, sondern auch private Hausbesitzer bewahren mit großem Aufwand historische Substanz!

Am Hauseck lupft ein Heiliger das Röcklein

© Foto: Clemens Helldörfer

An der Rückseite von Wöhrl vorbei und bei Saturn rechts ums Eck gehen wir 100 m zur Hinteren Ledergasse. Klar: In der Ledergasse wohnten und arbeiteten die Lederer, Rotgerber, die das schwere Rindsleder gerbten. Ein Vorgang, der bis zu drei Jahre in Anspruch nahm und deshalb einiges Kapital zur Zwischenfinanzierung erforderte.

„Stinkerte Häut’ machen reiche Leut’“ lautet ein alter Spruch. Das Haus Nr. 43 gehört seit Jahren den Altstadtfreunden. Der Bautrupp räumt die verwahrloste Halbruine gerade auf, im Frühjahr soll die Renovierung beginnen. Einst waren die zwei oberen Geschosse offene Holzgalerien zum Trocknen der Häute, im 19. Jh. wurden sie durch massive Geschosse ersetzt.

Man sieht den Unterschied an den profilierten Fensterlaibungen in den beiden unteren und den einfachen in den beiden oberen Etagen. Drinnen ist noch reichlich erhaltenswerte historische Substanz vorhanden. An der Fassade steht in einer Kartusche das Baujahr 1697, am Haus daneben steht MDCLXXI, 1671. Beide Häuser waren nach einer großen Feuersbrunst wieder aufgebaut worden.

Zurück in Richtung Vordere Ledergasse. Die lange Häuserfront rechts steht – wie auch das Unschlitthaus – auf dem Graben der vorletzten Stadtbefestigung. Im Graben sprudelte einst die „Hieserleinquelle“, die man wegen der Bebauung des Grabens verrohrte und zum Unschlitthaus leitete. Davon spricht die Inschrift am Gebäude.

Den Kopfbau dieser Häuserreihe bildete das Weizenbräuhaus. Vom Rat der Stadt um 1670 erbaut, weil oberpfälzische Brauer diese in Mode gekommene Biersorte mit hohem Profit in die Stadt brachten. Die Lederer- und die Tucherbrauerei sind hier entstanden. Das Nachkriegsgebäude an dieser Stelle ist ein respektables Beispiel für qualitätsvollen Wiederaufbau.

Weiter geradeaus durch die Passage zwischen den beiden Wöhrl-Gebäuden zur Barbakane des Weißen Turms und zum Ehekarusell. Beides lohnt Ihre Aufmerksamkeit, aber dazu brauchen Sie keinen Kommentar. Wir gehen zunächst wenige Schritte in Richtung Karolinenstraße und bleiben etwa zwischen den beiden Kiosken stehen. Wirklich sehenswert: zu Ihrer Linken ein fensterloser Block – so sehen Atomkraftwerke aus. Weiter in der Ferne, in der Königstraße, die Glasfront eines Textilkaufhauses, da kann man auch nicht von gelungener Architektur sprechen. Gerade vor Ihnen aber, der spitze Bug, ein Hausgiebel, auch modern. „Na bitte“, möchte man sagen, „geht doch“!

Am Hefnersplatz wenden wir uns rechts. Den Steinmetz, der am Eckhaus unter dem zweistöckigen Chörlein sitzt, könnten Sie kennen. Den hatten wir unlängst schon mal bei einem Spaziergang erwähnt.

In der Färberstraße lohnt es sich weniger, die Häuser zu beachten als die Straße, die Fahrbahn! Peilen sie genau entlang: die Fahrbahn macht auf der Kreuzung Dr.-Kurt-Schumacher-Straße einen Buckel. Da drunter befindet sich nämlich die einstige Brücke über den Stadtgraben der vorletzten Stadtmauer.

Der Brückenbogen existiert noch unter der Straße und bildet einen Keller für das Haus daneben. Am nächsten Eck zur Jakobstraße steht das einzige alte Haus der Färberstraße. Es erfreute sich über die Jahrhunderte offenbar regelmäßiger Pflege und hatte Glück im Krieg. An der Hauswand lesen Sie alles: 1680 von einem Bäcker in schönem Barockstil erbaut, renoviert 1749, 1907 und 2000.

Jetzt biegen wir rechts ab in die Jakobstraße. Gleich auf der rechten Seite steht ein schmales Häuschen, trauriger Zustand, unbewohnbar, Notabstützung.

Offenbar hatte der Eigentümer eine Renovierung geplant, dann aber nicht genug Mut und/oder finanzielle Mittel gehabt. Ein Privatmann kommt sehr schnell an die Grenzen seiner Möglichkeiten, wenn ihn das Schicksal mit einem Baudenkmal schlägt! Eigentlich könnten wir uns jetzt verabschieden. Aber gehen Sie doch links in die Maiengasse. Nicht weil sie schön ist, aber weil Sie vielleicht noch nie da waren.

Sie werden sehen, da gibt es gleich links auch was zum Staunen. Am Ende der Maiengasse können Sie entweder rechts zur Kulturscheune der Altstadtfreunde und in die wunderschöne Pfeiffergasse abbiegen oder links in Richtung Färbertor. Aber das machen Sie alleine und ich verabschiede mich von Ihnen!

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