Von Schustern, Ochsen und Bäiderlasboum

31.3.2016, 20:13 Uhr
Von Schustern, Ochsen und Bäiderlasboum

© Foto: Pickel

Warum weiß der Hase eigentlich von nichts und was hat Fersengeld damit zu tun, wenn jemand die Flucht ergreift? Antworten auf diese und viele andere Fragen bekommen die Besucher noch bis zum 5. Juni bei der Ausstellung „Mein Name ist Hase – Redewendungen auf der Spur“ im Nürnberger Museum für Kommunikation. Als Ergänzung für alle Mundart-Fans haben wir auf dieser Seite nun auch einen original fränkischen Sprichwörter-Spaziergang quer durch die Nürnberger Innenstadt zusammengestellt.

Dass es sich bei dem „Original-Hasen“ in Wirklichkeit um einen Studenten aus dem 19. Jahrhundert handelte, der bei einer Gerichtsverhandlung seine Mitstudenten nicht verpfeifen wollte, und dass der Begriff „Fersengeld“ wohl auf eine historische Buße zurückgeht, wird im Museum erklärt. Die von den Bamberger Germanisten Rolf-Bernhard Essig gestaltete Ausstellung kann aus dem Vollen schöpfen, denn jeder Mensch verwendet im Durchschnitt hundert Sprichwörter und Redewendungen täglich. Mit mehreren interaktiven Stationen wie einem Karussell mit tierischen Sprüchen und einem Sprichwort-Orakel wird das Thema auch optisch sehr kurzweilig umgesetzt.

Hiesige Redensarten wie das „Eintrichtern“ und die auf Eppelein zurückgehende Erkenntnis „Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn“ sind in der Ausstellung auch zu finden. Es ist aber klar, dass es noch eine ganze Menge weiterer Sprüche und scherzhafter Ausdrücke gibt, auf deren Spur wir uns jetzt mit Hilfe dieses kleinen Rundgangs heften wollen.

Los geht es direkt am Museum für Kommunikation in der Lessingstraße, die uns über den Ring bis in den Stadtgraben führt. Diesen hat Eppelein ja seinerzeit bekanntlich mit seinem legendären Sprung in die Tiefe als Fluchtweg genutzt, allerdings an anderer Stelle. Der Graben führt uns in Richtung Plärrer aber auch an der Frauentormauer entlang, dem Sitz von Nürnbergs Rotlichtbezirk. In diesem Umfeld ist für die „Beschützer“ der Sex-Arbeiterinnen der fränkische Begriff „Schnallndreiber“ entstanden.

Von Schustern, Ochsen und Bäiderlasboum

© Fotos: Clemens Helldörfer

Weniger anrüchig geht es am Plärrer zu, den wir alsbald erreichen. Der große, verkehrsumtoste Platz hat gleich für zwei Sprüche Pate gestanden: „Dou zäicht’s ja wäi am Blärrer“ greift den Umstand auf, dass hier doch meistens ein frischer Wind weht, während der Seufzer „Dou gäiht’s zou wäi am Blärrer“ darauf hindeutet, dass irgendwo gerade ein ähnliches Gewimmel wie an diesem Verkehrsknotenpunkt stattfindet. Das war auch übrigens schon vor der automobilen Zeit so: Der große, freie Platz (davon leitet sich auch der Begriff „Plärrer“ ab) wurde lange für Großveranstaltungen genutzt, ab 1835 fuhr hier die Ludwigseisenbahn.

In Richtung Altstadt passieren wir St. Elisabeth, St. Jakob und den Weißen Turm, bis das Ehekarussell erreicht ist. Hier könnte man anhand des zu Figurengruppen umgesetzten Hans-Sachs-Gedichts zahlreiche Sprichwörter festmachen, doch fürs Erste reichen die beiden Gerippe direkt am Weißen Turm, die an die irdische Vergänglichkeit erinnern.

Von Schustern, Ochsen und Bäiderlasboum

© Foto: Clemens Herlldörfer

Fast zwangsläufig kommt da der Spruch „Du schausd ja aus wäi der Doud vo Forchheim“ in den Sinn. Die genaue Herkunft dieser seit ca. 200 Jahren bekannten Redensart ist allerdings leider nicht belegt, es könnte sich um ein damals stadtbekanntes Original gehandelt haben, aber auch um Geschütze, die einst wegen ihrer Durchschlagskraft Angst und Schrecken verbreiteten. Gruselig wird es auch bei der nächsten Station, die wir über die Hutergasse und den Unschlittplatz erreichen. Es ist der Henkersteg, der nahe der einstigen Dienstwohnung des Nürnberger Scharfrichters liegt.

Manch einer der Delinquenten, die mit diesem Herren zu tun bekamen, hat in seiner letzten Stunde wohl getobt und geflucht, ein anderer mag sich seinem Schicksal ergeben und die bekannten Worte „Suu gänger die Gäng“ gemurmelt haben. Näheres über die Arbeit des Henkers und vor allem über Franz Schmidt, den berühmtesten Nürnberger Vertreter dieser Zunft, kann man bei einem Besuch im Henkerhaus am Trödelmarkt 58 erfahren.

Von Schustern, Ochsen und Bäiderlasboum

© Foto: Clemens Herlldörfer

Die nächste Station ist die Sebalduskirche und dort die große Christusfigur an der Westseite. Sie erscheint sehr dunkel, obwohl sie einer Sage nach ursprünglich aus Silber gefertigt sein soll. Der Rat habe aber in den Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs, so die Legende weiter, das Kruzifix mit schwarzer Farbe überziehen lassen, um es vor Raub und Plünderung zu beschützen, was den Nürnbergern später den Namen „Herrgottsschwärzer“ einbrachte.

Auf dem Hauptmarkt finden wir das reale Gegenstück eines sympathischeren Spitznamens: Es ist die an den Marktständen angebotene Petersilie. Ihre vielfältige Verwendung in der lokalen Küche soll Ursache dafür gewesen sein, dass die Nürnberger auch gerne „Peterlesboum“ bzw. „Bäiderlesboum“ genannt werden. Eine Variante für diese Universal-Verwendung ist der Spruch vom „Bäiderla auf alle Subbn“, womit im Hochdeutschen ein „Hansdampf in allen Gassen“ bezeichnet wird.

Von Schustern, Ochsen und Bäiderlasboum

© Foto: Clemens Herlldörfer

Auch den Verkäuferinnen von Obst und Gemüse hat der Volksmund ein Denkmal gesetzt: Sie werden als „Obstleri“ bezeichnet und sind etwa in dem berühmten Lied „Der allerschäinste Dialekt“ verewigt. Die dort zu hörenden Schimpfkanonaden wären allerdings der berühmten „Marcharedd“ nie über die Lippen gekommen. Ihre Freundlichkeit und der Spruch „Wos braung mern heid?“ haben Margarete Engelhardt sogar eine kleine Büste gegenüber der Frauenkirche eingebracht. Vor diesem Gotteshaus findet jeden Tag um 12 Uhr das Männleinlaufen statt, bestaunt von einer großen Touristenschar. Wenn der Nürnberger vom „Männlaslaafn“ spricht, meint er damit aber auch eine Menschenmenge, die hektisch hin- und herwuselt.

Das Denkmal von Hans Sachs auf „seinem Platz“ ist die vorletzte Station. Der Poet und Schuhmacher wird bisweilen gerne mit dem Spruch „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ in Verbindung gebracht, da er sich zu Lebzeiten mit seinem poetischen Engagement für die Reformation Ärger mit den hohen Herren des Rates einhandelte. Allerdings muss man ehrlicherweise zugeben, dass die Ur-Anekdote zu diesem Thema schon aus der griechischen Antike überliefert ist. Diese Information hätte man aber schon in der Ausstellung erhalten können, also war der letzte Abschnitt ein wenig Eulen nach Athen getragen oder – auf gut Fränkisch „Wasser in die Bengertz drogn“.

Für alle Leser, die ihr Wissen über fränkische Sprüche, Redensarten und Dialektausdrücke noch verbessern wollen, steht bei iTunes die App „NZ Fränkisch“ zur Verfügung. Sie bietet zum Preis von 99 Cent neben 500 Wörtern auch ein Fränkisch-Quiz und eine kleine Witzesammlung. Informationen zur Ausstellung im Museum für Kommunikation findet man unter www.mfk-nuernberg.de

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