„Die Leute vertrauen uns ihre Schätze an“

26.8.2016, 18:02 Uhr
„Die Leute vertrauen uns ihre Schätze an“

© Foto: Mathias Orgeldinger

Und sich erinnern, wo und wie er die Zeit für einen Augenblick festgehalten und später in Fotoalben, Diamagazinen oder digitalen Speichermedien archiviert hat. Neben liebgewonnen Erinnerungsstücken gehören Fotos und Filme zu den „Museumsexponaten“ unseres Lebens. Entsprechend groß kann die emotionale Bindung an den Lichtbildapparat sein. Viele Menschen bringen es nicht übers Herz, die veralteten Geräte auf den Müll zu werfen oder auf Flohmärkten zu verscherbeln.

„Ich bekomme in der Woche bis zu fünf Kartons zugeschickt“, sagt Museumsgründer Kurt Tauber. Kisten voller Fotoapparate, Objektive, Blitzgeräte, Filmkameras, Projektoren und Vergrößerungsgeräte mit Zubehör.

„Die Leute vertrauen uns ihre Schätze an.“ Manchmal gegen Portoersatz, häufig umsonst. Obwohl sie genau wissen, zu welchen Preisen die alten Leicas, Rolleis und Hasselblads mitunter bei Ebay gehandelt werden.

Offenbar gibt es viele Menschen, denen die Wertschätzung wichtiger ist als der Schätzwert. „Die Leute möchten, dass ihre Sammlung in gute Hände kommt“, sagt Tauber. „Ich habe in der Zeit, in der ich das Museum mache, mehr nette, selbstlose Menschen kennen gelernt als in den 40 Jahren als Journalist.“

Lassen wir den Satz einfach so stehen, wie er ist. Jedenfalls liefert er eine gute Überleitung zur nachfolgenden Geschichte, die erklärt, warum die 1300-Seelengemeinde Plech das Deutsche Kameramuseum beherbergt, in dem über 1000 Fotoapparate, etwa 80 Filmkameras, rund 200 Projektoren und zahlreiche Großgeräte ausgestellt sind.

Im Depot lagern 5000 Kameras

Dazu kommen weitere 5000 Kameras im Depot und etwa 16 100 Bedienungsanleitungen im Archiv. Herausragend ist die Sammlung von Pocket-Kameras, von Geräten der Nürnberger Firma „Braun“ sowie der Handelsmarke „Revue“ des Quelle Versandhauses, unter deren Namen verschiedene Modelle von west- und ostdeutschen Herstellern vertrieben wurden.

„Meine Sammelleidenschaft hat sich in den 1980er Jahren ganz langsam und zaghaft entwickelt“, erzählt der ehemalige Lokaljournalist. Anfangs habe er sich Kameramodelle zugelegt, mit denen er früher gearbeitet hatte. „Ich behaupte, dass ich für meine Sammlung nicht mehr Geld ausgegeben habe als andere fürs Rauchen.“

Mit dem Internet kam der Durchbruch. Mitte der 1990er Jahre gestaltet Tauber ein „virtuelles Museum“. Jedes Exponat wird akribisch beschrieben und fotografiert. Frühzeitig sichert er sich die Domain „Deutsches-Kamera-Museum.de“. Gleichgesinnte werden auf den Sammler aufmerksam und spenden ihre Foto-Ausrüstung. Bald ist die Wohnung zu klein.

„Die Leute vertrauen uns ihre Schätze an“

© Foto: Mathias Orgeldinger

Zehn Jahre lang einen Standort gesucht

„Ich habe zehn Jahre nach einem geeigneten Standort gesucht“, erzählt Tauber. „Das Museum könnte auch in Nürnberg stehen.“ 2008 geht sein Traum in Erfüllung. Die Marktgemeinde Plech stellt Räume in der Grundschule zur Verfügung. Der Sammler übereignet seine Exponate der „Stiftung Kameramuseum Kurt Tauber“.

Im April 2011 wurde ein Förderverein gegründet, im Dezember öffnete das reale Museum und übernahm den Namen der Internet-Domain.

Der Verein hat inzwischen rund 50 Mitglieder aus ganz Deutschland. Bis zu zehn Aktive halten den Ausstellungsbetrieb aufrecht. Kurse, Workshops, Sammlerbörsen und Fotoausstellungen runden das Museumsangebot ab. „Die drei Träger, die Stiftung, der Verein und die Gemeinde, ergänzen sich gut“, betont der 65-Jährige.

Aber die museumstechnischen Möglichkeiten sind begrenzt. 300 Quadratmeter lassen es nicht zu, dass jede Seltenheit im Scheinwerferlicht steht und jede Erfindung im Lichte des technischen Fortschritts gewürdigt wird. Vielmehr animiert der Rundgang zu einer persönlichen Entdeckertour.

Zu den ältesten Fotokameras der Ausstellung zählt eine „Kodak Folding Pocket“, die von 1897 bis 1898 von der Firma Eastman-Kodak in den USA gebaut wurde. Sie war eine der ersten Taschenkameras mit einer akzeptablen Negativgröße auf Rollfilm von sechs mal acht Zentimetern. Die Falt-Kamera mit Festblende 11 kostete zehn Dollar, war kinderleicht zu bedienen und entwickelte sich in kürzester Zeit zum Verkaufsschlager.

Wegen ihrer Lichtstärke von 2,0 war die Plattenkamera „Ermanox“ der Firma Ernemann / Dresden in den 1920er Jahren das beliebteste Werkzeug für Fotoreporter. Ihr Schlitzverschluss ermöglichte eine Belichtungszeit von 1/20 bis 1/1000 Sekunde. Das im Museum ausgestellte Modell hat ein Bildformat von 4,5 x 6 Zentimetern. Die Reproduktionskamera (Modell K) der Firma Falz und Werner aus Leipzig (Baujahr 1928) imponiert dagegen vor allem mit ihrer Länge von 4,4 Metern und einem Negativformat von 70 x 70 Zentimetern. Das nötige Licht für die Aufnahme kam von vier Kohlebogenlampen der Marke „Hohlux“. Die Lampe erzeugt einen brennenden Lichtbogen zwischen zwei Graphitelektroden. Der Lichtbogen erzeugt zwar ein sehr helles Licht, gibt aber auch viel Wärme ab und verbraucht enorm viel Strom.

An der historischen Beleuchtungsanlage waren einige Museen interessiert. Da der Spender aus Berlin jedoch das Ensemble als Ganzes abgeben wollte, kam das Glanzstück 2011 ins Deutsche Kameramuseum.

Das Museum ist ein Refugium aussterbender Technik. Als Kurt Tauber erfuhr, dass in Pforzheim die Werkstatt eines Kameramechanikers entsorgt werden sollte, organisierte er eine Handvoll Mitstreiter und einen LKW. Nach sechs Stunden war die Ladefläche voll. Der Arbeitsplatz des „Photodoc“ wurde im Museum originalgetreu nachgebaut. Angeblich konnte der Pforzheimer Fotograf, der von 1981 bis 2007 tätig war, jedes Kameramodell reparieren. Wer könnte das heute noch von sich behaupten? Die Werkstatt ist damit nicht nur ein Sinnbild für Nachhaltigkeit. Sie verdeutlicht auch, wie hilflos ein Kamerabesitzer im digitalen Zeitalter ist, wenn das Display „Error“ anzeigt.

Deutsches Kameramuseum, Schulstraße 8, 91287 Plech
Öffnungszeiten: März bis November jeden Sonntag von 11–17 Uhr
Gruppentermine sind nach Vereinbarung auch samstags und wochentags möglich
Telefon: 09 24 / 49 82 54 99

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