Nicht immer ist der Diesel schuld

19.3.2018, 09:24 Uhr
Nicht immer ist der Diesel schuld

© Auto Club Europa ACE

Die Diskussion um den Diesel lässt die Emotionen hochkochen. Der Begriffswirrwarr ist groß. Vieles wird dabei in einen Topf geworfen, umgerührt und kollektiv dem Selbstzünder angelastet. Indes macht es durchaus Sinn, das eine vom anderen zu trennen:

Abgasskandal

Die unstrittig schändliche Vorgehensweise von Volkswagen, mit Hilfe einer Betrugssoftware die Abgaswerte seiner Dieselfahrzeuge zu schönen, hat die nicht immer rationale Debatte um den Diesel ausgelöst. Dass jetzt Fahrverbote drohen und Millionen von Dieselbesitzern dramatische Wertverluste hinnehmen müssen, ist insofern die Folge dieses Betrugs.

Feststellen muss man aber auch, dass die Selbstzünder anderer Hersteller keineswegs grundsätzlich sauberer agieren. In seinem realitätsnahen Eco-Test hat der ADAC den Euro-6-Dieseln von BMW, Mercedes und Volkswagen ein gutes Zeugnis in Sachen Stickoxidausstoß ausgestellt, während er bei diversen Importfahrzeugen ein "massives Problem" konstatierte.

Daneben gilt es auch bei den Luftschadstoffen zu differenzieren, nicht überall ist der Diesel das größte Schmuddelkind:

Stickoxide

Das Umweltbundesamt schreibt über 70 Prozent der innerstädtischen NOx-Emissionen den Diesel-Pkw zu. Stickoxide stehen unter anderem im Verdacht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verursachen. Es sind überschrittene NOx-Grenzwerte, die zu Fahrverboten für Diesel unterhalb der Euro-6-Norm führen können.

Aktuell liegt der EU-Grenzwert im Freien bei 40 Mikrogramm NOx pro Kubikmeter Luft. Er ist aber nicht unumstritten. In den USA gelten Werte bis 103 Mikrogramm als unbedenklich. Bei uns sind in Büros und an Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen 60 Mikrogramm erlaubt, an industriellen Produktionsstätten sogar 950 Mikrogramm. Damit liegt der Grenzwert am Arbeitsplatz – wo man acht Stunden pro Tag verbringt – bis zu 23 Mal so hoch wie der für draußen. Ein derart hoher Wert war bislang an keiner deutschen Straße festzustellen. Bei Versuchen mit Ratten wurden erst ab 8000 Mikrogramm NOx Atemwegsreizungen festgestellt.

Nicht immer ist der Diesel schuld

© Continental

Auch am Standort mancher Messstellen regt sich Kritik. Laut einem Bericht von merkur.de steht etwa die Station am Münchner Stachus nur durch einen Gehsteig vom Kreuzungsrand getrennt – und nicht, wie vorgeschrieben, in mindestens 25 Metern Abstand zum Fahrbahnrand dieser verkehrsreichen Kreuzung.

Abhilfe gegen NOx können SCR-Katalysatoren schaffen, in denen die Stickoxide mit AdBlue (einer Harnstofflösung) zu Wasser und Stickstoff neutralisiert werden. Neue Diesel werden die Technologie zunehmend bekommen und somit die strenge Abgasnorm Euro 6d temp erfüllen. Bei Euro-5-Selbstzündern ist eine Nachrüstung häufig möglich und laut ADAC auch effektiv, sie wird von der Automobilindustrie aber mit Hinweis auf den technischen Aufwand und die Kosten infrage gestellt.

Seit 1990 sind die vom Straßenverkehr verursachten NOx-Emissionen deutschlandweit um rund 70 Prozent zurückgegangen. Nürnberg liegt nur knapp über dem Grenzwert: 2016 wurden 46 Mikrogramm verzeichnet, 2017 mit 43 Mikrogramm wiederum weniger.

Feinstaub

Fachleute halten Feinstaub für weitaus gesundheitsgefährdender als NOx. Im Stadtverkehr ist der Straßenverkehr Hauptverursacher. Feinstaub stammt aber auch aus anderen Quellen, teils natürlichen wie Waldbränden oder Bodenerosionen, teils menschengemachten wie Kraftwerken oder offenen Kaminen. Besonders problematisch sind die winzigen Rußpartikel, deren Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer ist (PM2,5). Durch sie drohen Lungenerkrankungen, Krebs oder Herzprobleme.

Aus der Feinstaubproblematik sind Diesel inzwischen weitgehend raus. Seit 2009 ist für sie ein Partikelfilter vorgeschrieben. Inzwischen gelten eher Benzin-Direkteinspritzer als problematisch. Sie werden die auch für Ottomotoren verschärften Grenzwerte wohl nur mit Ottopartikelfilter (OPF) erfüllen können. Wissen muss man zudem, dass automobiler Feinstaub auch durch Reifen- und Bremsenabrieb entsteht. Hier haben also selbst Elektroautos keine blütenweiße Weste.

Auch die verkehrsbedingten Feinstaubemissionen sind rückläufig, bei PM2,5 sind sie von 1995 bis 2015 um zwei Drittel zurückgegangen.

Kohlendioxid

Kohlendioxid (CO2) ist der Tabellenführer unter den verkehrsbedingten Luftschadstoffen. Es hat in der üblichen niedrigen Konzentration zwar kein gesundheitsgefährdendes Potenzial. Allerdings ist CO2 ein Treibhausgas und wird als Klimakiller maßgeblich für die Erderwärmung verantwortlich gemacht. Hauptquelle ist zu etwa der Hälfte die Energiewirtschaft, der Verkehr verursacht ungefähr ein Fünftel der CO2-Emissionen.

Der CO2-Ausstoß eines Autos ist an den Verbrauch gekoppelt. Daher hat der sparsame Diesel hier zumeist bessere Karten als ein Benziner. Selbst Elektroautos fahren nicht CO2-neutral, wenn sie mit Strom aus fossilen Energiequellen betrieben werden.

Auch der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß ist seit 1990 rückläufig.

Kohlenmonoxid

Kohlenmonoxid ist hinter CO2 die zweitgrößte Komponente der Abgas-Schadstoffe. Der Kraftfahrzeugverkehr gilt als Hauptquelle. Kohlenmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme und wirkt als starkes Atemgift auf das Zentralnervensystem. Draußen gilt die Konzentration als unbedenklich, weil sich das Gas rasch in der Luft verteilt. Diesel stoßen weniger Kohlenmonoxid als Benziner aus. Beim Ottomotor hat der Dreiwege-Kat zu einem Rückgang geführt, beim Diesel der Oxidations-Katalysator.

Nicht immer ist der Diesel schuld

© ADAC

Kohlenwasserstoffe

Kohlenwasserstoffe werden durch nicht vollständige Verbrennung im Motor frei, sind teilweise giftig und krebserregend. Auch beim Tanken können sie entweichen, dem wirken heutzutage jedoch Zapfsäulen mit Gasrückführung entgegen. Wirklich gefährlich sind sie aber nur in sehr hoher Konzentration, die sich im Straßenverkehr nicht ergibt. Die verkehrsbedingte Kohlenwasserstoff-Belastung ist dank des Katalysators seit Jahren rückläufig.

Schwefeldioxid (SO2)

Schwefeldioxid entsteht, wenn Schwefelreste im Kraftstoff verbrennen. In hoher Konzentration kann es Bronchien und Lunge schädigen. In der Luft oxidiert es zu Schwefelsäure, die zum sauren Regen führt. In Deutschland ist der Schwefelanteil im Kraftstoff allerdings stark beschränkt.

Fazit

Auch wenn in Deutschland die verkehrsbedingten Schadstoffemissionen sinken, so gibt es doch noch viel zu tun. Nicht immer aber ist der Diesel schuld. Und oft geht eine Verbesserung auf der einen Seite mit einer Verschlechterung auf der anderen einher. Der SCR-Kat neutralisiert die Stickoxide, führt aber zu höherem Verbrauch und mehr CO2. Gegen Feinstaub hilft auch eine erhöhte Verbrennungstemperatur – höhere Stickoxid-Emissionen sind jedoch die Folge. Geringerer Dieselbestand heißt weniger Stickoxide – dann aber mehr Benziner, höherer Verbrauch und höherer CO2-Ausstoß.

Ulla Ellmer

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