Radtour durch Südtirol: Fast nur bergab

28.4.2018, 08:00 Uhr
Radtour durch Südtirol: Fast nur bergab

© Hans von Draminski

Ein paar Faktoren halten viele von Radtouren über längere Distanzen ab - so wie mich, eine bekennende Couchkartoffel ohne Kondition und mit etwas Übergewicht. Auch der Gedanke, eine Woche oder länger auf die wenigen Klamotten angewiesen zu sein, die eine Fahrrad-Satteltasche neben anderen unverzichtbaren Reise-Utensilien zu fassen vermag, schreckte mich. Oder am Ende eines langen Fahrtages noch einmal nach einem freien Zimmer in einem Hotel zu suchen, das Radler gern für nur eine Nacht aufnimmt.

Die Skepsis ist vorbei. Nicht nur, dass die Zahl der radlerfreundlichen Herbergen parallel zur Zahl derer gestiegen ist, die Fahrradfahren als sinnvolle Kombination von Bewegung und umweltbewusstem Verhalten sehen. Inzwischen bieten auch die Touristiker Südtirols für ein vergleichsweise überschaubares Salär Pauschalreisen für Fahrrad-Begeisterte an, bei denen der Genuss klar vor dem Workout kommt. Das ist mir wichtig.

Den landschaftlich besonders malerischen Etschtal-Radweg etwa kann man in vergleichsweise kommoder Manier bezwingen und innerhalb einer Woche vom Reschenpass bis zum Gardasee fahren. Dabei kann man auch in Sachen Hardware Neues entdecken und ein "Pedelec" wählen. An diversen Stationen entlang des Etschtal-Radweges stehen diese Leihräder mit elektrischem Hilfsantrieb, der sich nur beim Strampeln zuschaltet und vor allem an kritischen Stellen für gefühlten Rückenwind sorgt.

Stellen wie der Anstieg von Nauders hinauf zum Reschenpass, der ziemlich kurz, aber knackig steil ist und einen untrainierten Hobby-Radler zum Keuchen bringt, sind mit elektrischer Unterstützung gut zu bewältigen. Und als Belohnung gibt es danach einen sanft abfallenden Radweg durch eine Landschaft, die mit jedem zurückgelegten Meter lieblicher und grüner wird.

Das Gepäck wird vorausgefahren

Schlanders im Vinschgau etwa gefällt mit seinem historischen Ortskern und Restaurants, in denen man schmackhaft und für Südtiroler Verhältnisse preiswert speist. Radler, die eine organisierte Pauschalreise gebucht haben, übernachten in der Regel in Viersternehotels. Das Gepäck wird auf jeder Etappe von einem Transportdienst vorausgefahren und steht immer abholbereit in der Hotellobby. So kann man die durchgeschwitzten Biker-Klamotten gegen bequeme Kleidung tauschen, um noch durch Schlanders, Meran oder Bozen zu flanieren. Oder durch eines der anderen Etappenziele auf dem Weg zum Gardasee.

Wer glaubt, Südtirol richtig gut zu kennen, wenn er es erwandert oder mit dem Auto erfahren hat, irrt sich. Denn auf den Radwegen in der Provinz an der Etsch bekommt man einen ganz eigenen Blick auf Altbekanntes und entschleunigt ganz nebenbei.

So weiß ich nach gut 300 Kilometern auf dem Rad, dass die bekannte Südtiroler Weinstraße eigentlich Apfelstraße heißen müsste, denn an ihren Rändern wachsen unzählbar viele Bäumchen, die spätestens im Spätsommer voller Früchte hängen. Der Radreisende hat im Gegensatz zum Autofahrer Zeit und Muße, sich die vielen historischen Kirchen auch einmal von innen anzuschauen.

Radtour durch Südtirol: Fast nur bergab

© Hans von Draminski

Dass der Etsch-Radweg meist eben oder leicht abschüssig verläuft, lässt längere Etappen wie die rund 70 Kilometer von Bozen nach Trient zu einer bequemen Angelegenheit werden - zumal es am Rande des gut frequentierten Radweges Stationen gibt, an denen Magen und Pedelec-Akku ansprechendes Futter finden.

Dass die 78-jährige Hamburgerin Doris als passionierte Tourenrad-Spezialistin meist vorneweg fährt, schadet meinem sowieso nicht auf sportliche Höchstleistungen gepolten Radler-Ego nicht. Eher genieße ich die frische Luft, freue mich an wechselnden, immer lieblichen Landschaftspanoramen und erlebe das Land von einer ganz anderen Seite.

Ein Hauch Abenteuer ist auch dabei: Irgendwann fällt mir das Treten immer schwerer, auch gibt der Pedalantrieb seltsame Geräusche von sich. Das Tretlager macht schlapp. Zum Glück bekomme von meinen Reisegefährten fachlich versierte Hilfe, das vergleichsweise schwergewichtige Pedelec schnell wieder flott zu machen.

Ruhepause in blühender Wiese

Beim 74-jährigen Wolfgang, neben Doris der zweite Senior auf unserer Tour, verabschiedet sich die Aufhängung des Hinterrades, auch die Schaltung ist beeinträchtigt. Mit Tourguide Marion Finger geht er in Rovereto auf die Suche nach einer Fahrradwerkstatt, was dem Rest der Truppe eine willkommene Ruhepause inmitten blühender Wiesen ermöglicht.

Dem Mann kann ebenfalls schnell geholfen werden, denn die Infrastruktur für Radler ist auch im Rest Italiens bestens ausgebaut. Nervig sind im Trentino allerdings viele unangekündigte Baustellen, die Straße und Radweg im Nichts enden lassen und zu Umwegen zwingen.

Als echte Herausforderung für Untrainierte entpuppt sich die Schlussetappe, wenn von Mori aus der San-Giovanni-Pass überwunden werden will. Obwohl die "Couchkartoffel" im Lauf der Woche ein paar Muskeln angesetzt hat, wird die Passhöhe von mir - trotz E-Hilfe - nur mit letzter Kraft erreicht.

Oben angekommen, entschädigen eine serpentinenreiche Abfahrt und ein grandioser Blick auf den Gardasee in goldener Abendsonne für die Anstrengungen.

Doris hält mir triumphierend ihren Personalausweis unter die Nase. Auf die noch etwas atemlose Frage, was das solle, ich wisse doch, wie alt sie sei, meint sie nur "Schau auf das Datum". Die agile Hamburgerin hat an diesem letzten Reisetag Geburtstag, ihren 79. Da fühle ich mich auf einmal ganz klein. Und gelobe, in Zukunft öfter auf Radtour zu gehen.

Mehr Informationen:
Donau Touristik Rad- und Schiffsreisen, www.donautouristik.at, die diese Reise unterstützt hat, sowie www.suedtirol.com/biken/radwege/etschtal.

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