16. Dezember 1968: Sturm auf die Geschäfte

16.12.2018, 07:00 Uhr
16. Dezember 1968: Sturm auf die Geschäfte

© Kammler

Meist lag ein Ton von Erleichterung, bisweilen sogar ein Anflug von drohender Erschöpfung in diesen fünf Worten. Traurig schien niemand zu sein, nachdem das Geld weg war.

Kein Wunder, denn es bedurfte oft großen Geschicks und ausdauernden Bemühens, bis das passende Geschenk ausgesucht, eingepackt und bezahlt war. Zwar soll es eine Woche zuvor noch turbulenter in der Innenstadt zugegangen sein, in verschiedenen Geschäften erreichte der Ansturm diesmal jedoch bisher nie erreichte Höhepunkte.

Schlittschuhe begehrt

Dies traf besonders dort zu, wo man die kleinen Aufmerksamkeiten ersteht, etwa Schallplatten, Parfüms, Krawatten, Handschuhe und anderes, modisches Zubehör. In den Spielwarengeschäften herrschte bisweilen Ausverkaufstrubel. Viele Leute hatten ganz bestimmte Wünsche und waren enttäuscht, wenn etwa ein Zubehörteil für eine Rennbahn vergriffen war. Sehr gefragt waren teure technische Baukästen. Gute Geschäfte meldeten auch die Buchhandlungen und Kunstgewerbeläden. In der Sportartikelbranche freute man sich über die vielen Kunden, die für sich selbst oder als Geschenk Schlittschuhe wählten.

16. Dezember 1968: Sturm auf die Geschäfte

© Kammler

Um die Mittagszeit glich die City bei strahlendem Sonnenschein einem Ameisenhaufen. Dem Reklameflieger, der einsam seine Kreise über der Altstadt zog, muß sich ein einmaliges Bild geboten haben: Einkaufsstraßen, Gehsteige und Plätze schwarz von Menschen, Autos in endlosen Reihen, die nach Parkplätzen suchten, in Parkhäuser huschten oder nach vergeblichen Bemühen in Außenbezirke flüchteten, dazwischen im Herzen der Stadt die dicht umlagerten Buden des Christkindelsmarktes.

Gleich am ersten Tag des Christbaummarktes sicherten sich viele Familienväter die in ihr Gabenzimmer passende Fichte oder Tanne. Für eine mannshohe Fichte mußten sie sieben bis zehn, für eine etwa gleich große Tanne rund 25 Mark zahlen. Vom großen Geschäft profitierten selbstverständlich auch die Gastronomen, denn wer wollte sich nicht einmal kurz ausruhen, stärken, Kasse machen und sich je nach Saldo noch zu neuen Taten rüsten. Viele legten die Pause traditionsgemäß bei Bratwürsten und Grog auf dem Christkindlesmarkt ein. Dort konnte man die benzinverseuchten Lungen übrigens kostenlos mit Anis- und Fenchelaroma im Umkreis der Bonbonstände desinfizieren.

Besonders fielen in der Budenstadt Kinder auf, die Karten mit ihren Namen um den Hals trugen. Diesen Service ließen sich Nürnberger Hoteliers einfallen, um ihre kleinsten Gäste gegen Verlust im Gedränge um deren Eltern vor Angst zu schützen.

Auch an die Tiere gedacht

Es fielen wenig unschöne Worte im großen Getriebe. Die Menschen nahmen die kleinen Beschwernisse im weihnachtlicher Vorfreude gelassen hin. Sie entdeckten auch ihr Herz für die Tiere, warfen den Enten in der Pegnitz dicke Brocken zu, wollten die Pferde der Postkutsche mit Zucker verwöhnen und steckten mitleidig Geld in die Büchsen eines Zirkus, der zwei Bären in einem Käfig zeigte und daran erinnerte, daß er zu wenig Winterfutter habe.

Während die Nürnberger die letzten Vorbereitungen für Weihnachten trafen, fuhren am Wochenende viele Gastarbeiter in Sonderzügen nach Barcelona und Athen, nach Istanbul und Bari. Eine Gruppe von türkischen Urlaubern startete in Omnibussen in die Heimat. Alle waren schwer bepackt und winkten den Zurückbleibenden glückstrahlend zu. Für sie hat Weihnachten schon begonnen.

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