6. März 1969: "Flossen hoch, sonst knallt‘s!"

6.3.2019, 07:00 Uhr
6. März 1969:

© Ulrich

Erst dann konnte ein Angestellter, der verständlicherweise genauso eingeschüchtert gewesen war wie seine Kollegen, den Alarmknopf drücken. Kurz darauf nahmen alle verfügbaren Beamten die Verfolgung auf; sie besetzten alle Ausfallstraßen der Stadt und schalteten zusätzlich noch 50 bis 60 Kollegen der Bayerischen Landpolizei in die Fahndung ein. Dennoch gelang es den Tätern unterzutauchen. Sie werden wie folgt beschrieben: 160 bis 165 Zentimeter groß, rotblondes, gewelltes Haar, Oberpfälzer Dialekt; 180 bis 185 Zentimeter groß, dunkles Haar, Nürnberger Mundart.

Am Abend führten die "heißen" Spuren zu den ersten Erfolgen. Die Täterbeschreibungen: 180 bis 185 Zentimeter groß, dunkles Haar, Nürnberger Mundart, und 160 bis 165 Zentimeter groß, rotblondes, gewelltes Haar, Ober-pfälzer Dialekt, paßten haargenau auf den 24-jährigen Bauschlosser Rüdiger E. aus Nürnberg und den gleichaltrigen Bierfahrer Ingbert S. aus Weiden. Eine Sonderkomission der Kriminalpolizei kämmte pausenlos sämtliche Gaststätten und Ganovenschlupfwinkel ab, hatte bei Redaktionsschluß die Räuber jedoch noch nicht gefaßt.

Ingbert S. hatte sich dadurch verdächtig gemacht, daß er als Letzter einen VW-Transporter steuerte, in den die mutmaßlichen Täter auf ihrer Flucht umgestiegen waren. Das Fahrzeug wurde am Unschlittplatz aufgefunden. Auf seinem Rücksitz lag ein Kleinkalibergewehr, wie es beim Banküberfall verwendet wurde. Das Kennzeichen führte zu einer Brauerei in Feuchtwangen, die bestätigte, daß ihr Angestellter Ingbert S. um 9 Uhr zu einer Geschäftstour weggefahren war. Bis zum Abend war er weder zu seiner Firma noch an seinen Wohnsitz in Weiden zurückgekehrt. Wegen anderer Vergehen ist er bereits in der Erkennungskartei des Landeskriminalamtes in München mit Fingerabdrücken und Foto festgehalten.

Bei der Überprüfung der möglichen Täter aus Nürnberg richtete sich ein begründeter Verdacht gegen den 24jährigen Bauschlosser Rüdiger E. Auch bei ihm paßte die Beschreibung: 180 bis 185 Zentimeter groß, dunkles Haar.

Seit dem Überfall ist Rüdiger E. verschwunden. Der Polizei ist er seit Jahren bekannt. Am 26. November 1963 verübte er, damals 19jährig, einen Raubüberfall auf die Toto- und Lottostelle des Idols des 1. FC Nürnberg der Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre, Georg Kennemann. Bei dem Gangsterstück fielen ihm damals etwa 500 Mark in die Hände. Drei Tage später wurde Enzenhöfer verhaftet. Zuvor hatte der Sohn aus gutem Haus bereits Einbruchdiebstähle begangen. Für diese Taten saß er bis 6. Oktober 1963 in der Jugendstrafanstalt. Wegen des Raubüberfalls auf die Totostelle wurde Enzenhöfer zu vier Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Der Tatablauf und die Flucht der beiden Räuber sprechen dafür, daß der Überfall von langer Hand geplant war. Das geht auch aus den Schilderungen des Kassenpersonals hervor, das sich zum Zeitpunkt des Überfalls gerade anschickte, zu Tisch zu gehen. Den Angestellten fielen zwar zwei Arbeiter in ihrer blauen Montur vor dem Eingang der Filiale auf, aber sie dachten sich nichts dabei. Der Kassier wir sowieso wie an jedem Wochentag um diese Zeit mit dem Geldzählen beschäftigt. Und dann passierte es: es ist 12.27 Uhr als die beiden Arbeiter in die Filiale stürzen, in der sich kein Kunde mehr aufhält. Beide haben Gummimasken oder Gummistrümpfe über das Gesicht gezogen. Der größere Räuber reißt die Umhüllung von einem Kleinkalibergewehr, feuert sie in die Ecke und richtet den Lauf auf die erschreckten Angestellten: „Flossen hoch!“

Währenddessen springt der zweite Täter mit einem Drei-Meter-Satz über den Kassentresen und herrscht den 38-jährigen verheirateten Kassier Günter Werner an: "Los, Tasche her!"

Der drohende Lauf einer Pistole – der Filialleiter vermutet, daß ein Schalldämpfer aufgesetzt war –, zwingt den Kassier, einen Geldtransportkoffer – in diesen Behältnissen wird das Geld von den Filialen zur Zentrale gebracht – hinzuhalten. Der Räuber reißt ihn an sich und wirft in Sekundenschnelle alle gebündelten Geldscheine hinein. "Das Hartgeld hat ihn überhaupt nicht interessiert", erklärt später Günter Werner. Er vermutet auch, daß es sich bei dem Pistolenhelden um einen Sportler oder Artisten handelt; so behende war er jedenfalls.

Schon nach zwei bis drei Minuten haben die Räuber ihr Ziel erreicht. So schnell, wie sie in die Filiale gestürmt sind, verschwinden sie auch wieder. Die Angestellten wagen es erst jetzt, den Alarmknopf zu drücken. Verständlich. "Der Mann mit dem Gewehr machte einen sehr nervösen Eindruck", schilderte der Filialleiter später die Schrecksekunden. Zum Glück kam kein Kunde mehr.

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