Das Mittwochsinterview: "Die Zahnpasta geht nicht zurück in die Tube"

24.9.2019, 15:48 Uhr
Das Mittwochsinterview:

© Foto: Nico Christgau

Herr Mönius, Sie waren lange als Banker beruflich zufrieden. Was brachte Sie vor eineinhalb Jahren dazu, Ihr Leben radikal zu verändern?

Als ich vor sieben Jahren meine Frau kennenlernte, die im sozialen Bereich tätig ist, kam ich durch sie verstärkt mit sozialen Themen, mit Ökologie und Spiritualität in Kontakt. Seitdem veränderte sich mein Bewusstsein. In der Bank kümmerte ich mich darum, dass die Privatkunden noch reicher werden. Ich wurde immer unzufriedener. Wenn das Bewusstsein steigt, gehen manche Dinge einfach nicht mehr. Das ist wie mit Zahnpasta, die man auch nicht in die Tube zurückdrücken kann. Mein Blutdruck stieg immer höher und mir wurde klar, dass ich etwas ändern muss. Als das nächste Personalabbauprogramm anstand, stieg ich mit einem Aufhebungsvertrags aus und nahm mir ein Jahr Zeit, Neues zu probieren.

War Ihnen da schon klar, wonach Sie suchen?

Nicht wirklich. Zunächst überlegte ich, mit meiner Frau über den Winter ein paar Wochen nach Teneriffa zu fliegen. Doch ins Flugzeug zu steigen behagte uns schon damals wegen der Umweltbelastung nicht und wir fuhren lieber nach Wien. Dort hörte ich dann Vorträge von Christian Felber, dem Begründer der Gemeinwohl-Ökonomie.

Felber geht es darum, dass auch Unternehmen ihr Handeln an Menschenwürde, Solidarität sowie ökologischer Nachhaltigkeit orientieren und transparente Entscheidungen treffen.

Das hat mich sofort angesprochen. Ich schrieb ihm, dass ich etwas ethisch Sinnvolles suche, und fragte, ob ich in seinem Umfeld etwas tun könne. Im Sommer letzten Jahres traf ich mich dann mit Christian Felber in Wien und seitdem arbeite ich ehrenamtlich in Österreich in der Genossenschaft für Gemeinwohl mit. Außerdem berate ich seit kurzem in Nürnberg Firmen, die eine Gemeinwohlbilanz erstellen wollen. Dabei geht es auch um die Frage, wie sie mit Kunden und Lieferanten umgehen, also um Menschenwürde in einem Unternehmen.

Ökologisches Bewusstsein stößt im Alltag immer wieder an Grenzen. Wie spüren Sie das?

Ich bin Vegetarier und lege die Wege in der Stadt mit dem Rad zurück. Meine Frau und ich versuchen, Plastik zu vermeiden, etwa indem wir auf dem Markt am Kaulbachplatz Obst und Gemüse einkaufen. Aber Klorollen gibt es zum Beispiel nur in Plastikverpackung. Und das Einkaufen in Unverpacktläden ist aufwendig und zeitraubend. Außerdem ist mein Hobby das Golfen und darauf möchte ich nicht verzichten. Zu Golfplätzen kommt man aber oft nur mit dem Auto, was natürlich ein Problem ist. Zumindest fliegen wir im Winter nicht wie andere zum Golfspielen nach Südafrika, aber wir schaffen unser Auto eben auch nicht ab. Indem wir nur 120 Stundenkilometer auf der Autobahn fahren, versuchen wir, den CO2-Ausstoß zumindest gering zu halten.

Das Mittwochsinterview:

© Foto: Ute Möller

Die Sorge um das Klima hat zu einer gesellschaftlichen Bewegung geführt. Es ist mittlerweile ein Trend, sich mit anderen über einen möglichst ökologischen Lebensstil auszutauschen. Sie leiten im Oktober in Nürnberg den Kurs "Enkeltauglich leben" im Haus eckstein. Entwickelt vom Katholischen Bildungswerk Traunstein, geht es in dem Spiel darum, gemeinsam Wege zu finden, um sein eigenes Leben nachhaltiger zu gestalten.

Es gibt sechs Treffen in sechs Monaten. Jeder wählt Aufgaben aus, die er angehen möchte. Das kann so etwas sein, wie jede Woche nur 500 Gramm Fleisch zu essen. Aber auch, mit einem Familienmitglied zu sprechen, zu dem schon lange kein Kontakt besteht. Als ich das Spiel in Passau mitgemacht habe, wollte jemand einen Anbieter für fair produzierte Handys suchen. Das fand ich spannend. Die Mitspieler vergeben Punkte für Ideen, die sie ebenfalls interessieren. Nach vier Wochen trifft man sich wieder und berichtet von seinen Erfahrungen.

Was haben Sie aus dem Spiel für Ihren Alltag mitgenommen?

Beim Thema Menschenwürde habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob ich Bettlern Geld gebe. Mich hatte es zuvor belastet, wenn ich an ihnen vorbeiging, weil ich nicht wusste, wie ich mich verhalten soll. Nach der Lektüre eines Artikels, in dem der Autor schrieb, dass er grundsätzlich jedem Bettler einen Euro gibt, beschloss ich, es genauso zu machen. Und habe jetzt ein gutes Gefühl.

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