2. März 1967: Sie verrosten auf Bürgersteigen

2.3.2017, 07:00 Uhr
2. März 1967: Sie verrosten auf Bürgersteigen

© Gerardi

Während ihr Besitzer längst wieder am Volant eines neuen Wagens sitzt, rosten die zusammengefahrenen "Vorgänger" weiter dahin, bis sie von der Polizei entdeckt werden. Ehe aber das häßliche Überbleibsel aus verblichenem Chrom und Lack verschwindet, dauert es oft sehr lange. Denn an den Wracks fehlen nicht nur die Kennzeichen, sondern auch meist die Fahrgestell- und Motornummer. Wem sie gehören, steht in den Sternen...

In den vergangenen zwölf Monaten sind in Nürnberg 60 ausrangierte Autos aufgelesen worden. "Wenn sie abgemeldet sind und auf öffentlichen Straßen stehen", erläutert Polizeiamtmann Hans Meister, "ist das ein glatter Verstoß gegen die Straßenverkehrs-Ordnung, der mit einer Geldstrafe bis zu 500 Mark geahndet werden kann." Außerdem begeht der Autobesitzer, der sich von seinem alten Ballast auf diese Weise getrennt hat, eine Ordnungswidrigkeit nach dem Bayerischen Straßen- und Wegegesetz, weil er eine "Sonderbenutzung der Straße beansprucht, die über den Gemeingebrauch hinausgeht".

Schwierige Suche nach dem Besitzer

2. März 1967: Sie verrosten auf Bürgersteigen

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Sofern die Wracks den Verkehr nicht unmittelbar beeinträchtigen, läßt sie die Polizei zunächst stehen und schaltet das Amt für Öffentliche Ordnung ein. Den Halter ausfindig zu machen, ist oft ein schwieriges Unterfangen, da in der Regel die Kennzeichen fehlen und die Fahrgestellnummern mit einer Feile bearbeitet worden sind. Selbst das Kraftfahrzeug-Bundesamt in Flensburg kann nicht weiterhelfen: die schrottreifen Vehikel haben so häufig ihren Besitzer gewechselt, daß die Behörde mit der Umschreibung gar nicht mehr nachkommt.

Mit einem Zettel, der an die Windschutzscheibe geheftet wird, fordert das Amt für Öffentliche Ordnung den Fahrzeughalter auf, seinen Wagen abzuholen. Läßt er sich überhaupt nicht feststellen, wird sein "Schlitten" auf Kosten der Stadt abgeschleppt. In vielen Fällen stellt sich später heraus, daß das Wrack einmal einem Ausländer gehört hat, der inzwischen schon längst in seine Heimat zurückgereist ist. "Das kommt in letzter Zeit häufig vor", versichert Hans Meister.

Bis zu tausend Mark Bußgeld

Wer jedoch von den seltsamen Auto-Ablegern ermittelt wird, muß mitunter tief in die Tasche greifen. "Wir können bis zu tausend Mark Bußgeld verhängen", erklärte Rechtsrat Walter Gröllnert vom Städtischen Rechtsamt. Im Augenblick beschäftigt ihn ein besonders hartnäckiger Fall. Ein 63-jähriger Kraftfahrer meldete vor einiger Zeit seinen fahrbaren Untersatz ab, stellte ihn in eine Parkbucht und benutzt ihn als "Aktenschrank". Bis jetzt haben den Mann zwei Bußgeldbescheide nicht bewegen können, den Wagen beiseite zu schaffen. "Was der Kfz-Halter macht", argumentiert das Rechtsamt, "stellt eine Sondernutzung dar. Und das bedarf einer besonderen Genehmigung."

2. März 1967: Sie verrosten auf Bürgersteigen

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Warum ausgediente Fahrzeuge ausgesetzt werden, hat kommerzielle Gründe. In Nürnberg gibt es nur zwei Betriebe, die überhaupt Autowracks nehmen und dafür 10 bis 20 Mark zahlen. Müssen sie - was meist der Fall ist - abgeholt werden, hat der Besitzer zu dem Erlös noch mindestens 15 Mark draufzuzahlen. "Finanziell ist bei Schrottfahrzeugen nicht mehr drin", erläutert Karl Weiß. Er braucht eine teure Ausbrennungsanlage und eine kostspielige Schere, um die Wagen überhaupt verwerten zu können. Was einst 600 Kilogramm schwer war, wiegt ganze 40 Kilogramm, wenn es geschnitten ist und als Paket den Weg in ein Hüttenwerk antritt.

Die meisten Metallhändler geben sich mit den ausrangierten Wagen überhaupt nicht ab. "Solche Dinger nehme ich schon gar nicht an", meint Rudolf Berbner, "weil die Aufbereitungskosten zu hoch sind". Er müßte das Fahrzeug sorgfältig demontieren - aber das erfordert viel Zeit und Geld.

Man sieht: einen Pkw anzuschaffen, ist oft schwer. Noch schwieriger ist es mitunter, ihn wieder loszuwerden.

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