Von Ehrenamt kann keine Rede sein

8.1.2007, 00:00 Uhr
Von Ehrenamt kann keine Rede sein

© Iannicelli

Mit einer monatlichen Aufwandsentschädigung von 1475 Euro bekommen die Nürnberger Stadträte laut Reiser etwa drei Mal so viel wie ihre Kollegen in Hannover. Auch gegenüber den Stadträten in Frankfurt, die 895 Euro erhalten, werden sie vergleichsweise fürstlich entlohnt. Allerdings gibt es in der Liste der Aufwandsentschädigungen (die Daten stammen aus dem Jahr 2002) auch besser Gestellte: etwa die Stadträte in München und Hamburg, die mehr als 2000 Euro erhalten, oder die Bundestagsabgeordneten mit 10 512 Euro.

Zu diesen Aufwandsentschädigungen kommen noch die Entschädigungen für Aufsichtsratstätigkeiten sowie etwaige Verdienstausfälle hinzu. Noch wesentlich besser gestellt sind die Fraktionsvorsitzenden, die knapp 3000 Euro erhalten (ihre Stellvertreter 2212 Euro). «Damit haben sie defacto ein professionalisiertes Amt», stellt Reiser fest. Aber auch dem normalen Stadtrat reichen die Aufwandsentschädigungen eventuell schon zum Lebensunterhalt.

So professionell Nürnbergs Stadträte in diesem Bereich aufgestellt sind, so amateurhaft ist dagegen die Ausstattung beim Fraktionspersonal und bei den technischen Hilfsmitteln. Bei der von Reiser durchgeführten Befragung wünschten 66 Prozent der Nürnberger Stadträte hier Verbesserungen, weitaus mehr als in den anderen untersuchten Großstädten. Dabei wurde immer wieder bemängelt, dass durch fehlenden und unzulänglichen Zugriff auf Informationen wie etwa alte Stadtratsunterlagen viel Zeit verloren gehe.

Beim angegebenen Zeitaufwand liegt Nürnberg mit 19,6 Stunden pro Woche trotzdem eher im unteren Mittelfeld. In Stuttgart (23,7 Stunden) und Frankfurt (21,5 Stunden) werden die Kollegen jedenfalls länger gefordert. Dennoch hat die große Zeitbelastung auch in Nürnberg dazu geführt, dass bestimmte Berufsgruppen gar nicht und andere nur sehr begrenzt im Stadtrat vertreten sind. Im Nürnberger Rat ist der öffentliche Sektor bei den Berufsgruppen besonders stark vertreten (34,3 Prozent), da für die Stadtratstätigkeit laut Reiser ein gesichertes Arbeitsverhältnis mit der Möglichkeit zu Freistellung oder Arbeitszeitreduzierung fast unabdingbar ist. Allerdings haben die Berufsangaben, die Bürgervertreter machen, oft wenig mit den Realitäten zu tun. Vielfach werde nur der erlernte Beruf angegeben, den der jeweilige Stadtrat aber oft gar nicht mehr ausübe. So werde dem Wähler gegenüber «Bodenhaftung» simuliert.

«Das Ehrenamt ist eine Lüge», war daher auch eine Feststellung, die Reiser häufig bei ihren Interviews zu hören bekam. Doch so sehr das Leitbild vom im Leben verankerten Feierabendpolitiker mit den Realitäten, wie großer Zeitaufwand und einer immer schwieriger werdenden Verwaltungskontrolle, kollidieren, so wenig sind Lösungen in Sicht. Zum Teil werden bestimmte Ansätze, wie etwa eine weniger zeitintensive, eher strategische Kontrolle der Verwaltung, von den Stadträten selbst abgelehnt, weil diese offenbar einen Bedeutungsverlust befürchten. Zum anderen befürchtet man, dass eine größere Professionalisierung hin zum reinen Berufsstadtrat der Bevölkerung nicht zu vermitteln sei, da diese ohnehin schon bei jeder Diätenerhöhung «aufheule».

Frauen kommen oft auch ohne Erfahrung in den Rat

Dass es aber sehr wohl Lösungen gibt, wie zumindest unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen besser in den Rathäusern vertreten sein können, beweist für Reiser das Vorgehen bei der Frauenquote. Hier hätten die Parteien aus der Not, dass in Großstädten der Wähler die Kandidaten meist ohnehin nicht mehr kennt, eine Tugend gemacht und auch Unbekannte und von Parteipolitik relativ Unbeleckte zum Mitmachen animiert. Nach dem Zitat einer Nürnberger CSU-Stadträtin hat ihre Partei sogar weibliche Nichtmitglieder akquiriert, indem ihnen ein Mandat in Aussicht gestellt wurde. Sie selbst sei zwar Mitglied gewesen: «Ich war aber überhaupt nicht aktiv in der Politik».

Für ihr eher resigniertes Fazit, was die Zukunft der Kommunalpolitik angeht, bemüht die Autorin übrigens ebenfalls einen Stadtrat aus Nürnberg: «Ich bin der Meinung, dass es so sicherlich nicht mehr gut weiter geht. Im Prinzip gibt es aber zum jetzigen Modell kaum eine Alternative.» Peter Viebig

Marion Reiser: Zwischen Ehrenamt und Berufspolitik, Verlag für Sozialwissenschaften, 29,90 Euro.

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